Ein Plädoyer gegen Selbstgefälligkeit

Ein Plädoyer gegen Selbstgefälligkeit Hinter der Hochglanzfassade dieser Gesellschaft hat die postdemokratische Wirklichkeit schon lange eingesetzt. Dort hat sie ethische Kategorien ausgehöhlt und das wirtschaftlichen Interesse zur alleinigen Prämisse der Entscheidungsfindung auserkoren. Die Medien sind dabei nicht mehr als die in Anspruch genommene PR-Abteilung eines demokratischen Lebensgefühls, das sich damit zufrieden gibt, ritualisierte Prozesse zu goutieren und vorher schon ausgehandelte Abstimmungen als lobenswerten Akt der demokratischen Mitbestimmung zu küren. Wer heute Gerechtigkeit einfordert, der wagt den geistigen Tanz mit einer Demokratie, die an sich selbst ermüdet ist und der es völlig genügt, wie eine aussehen.
Lutz Hausstein, Wegbegleiter der (leider immer noch) kleinen linken Bloggerszene dieses Landes - und somit auch immer Begleiter ad sinistrams -, hat einige Texte, die diese Postdemokratie widerspiegeln zu einem Buch gebunden. Dies liegt nun unter dem Namen Ein Plädoyer für Gerechtigkeit vor.

Zentral ist für Hausstein einerseits der Umgang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 - und die eigene Demontage, die es betrieb, um in der Folge des Urteils mit all den Stimmen aus den Medien, der Politik und der Wirtschaft kompatibel zu werden. Damals befanden die Verfassungsrichter, dass die Berechnung des Regelsatzes nicht transparent genug sei und man nicht schlüssig erklären könne, weshalb man den errechneten Warenkorb per Abschlag mindert oder den Regelsatz für Kinder minimiert. Außerdem sprachen sie deutlich an, dass ein sorgfältig und transparent errechneter Regelsatz das absolute Existenzminimum sei, das nicht unterschritten werden dürfe. Hier hätte die Interpretation nur einen Schluss zugelassen: Die Sanktionen, dieses Herzstück der Hartz-Reformen, sind verfassungswidrig. Und genau diese Folgerung traf so gut wie niemand. Nicht die Politik. Nicht die Medien. Und selbst Verfassungsrichter Papier entblödete sich nicht, in einem Interview das eigene Urteil umzukehren, in der Sanktionspraxis keinen Widerspruch erkennen zu können.
Hausstein sieht die logische Konklusion jedoch sehr wohl und erklärt ihn. Und erklärt so nebenher, wie eine Demokratie mehr und mehr in einen Prozess der scheinbaren Reibungslosigkeit hinübergleitet, wie Verfassungsurteile zum weihevollen Ritus werden, nur um nachher durch das Gefeilsche und die ideologisch bedingte Exegese der politischen Parteien modelliert und teilweise entfremdet zu werden. Die Quasidemokratie, die als Kulthandlung abgespult wird, und die dem eigentlichen Souverän, dem big business, dient, schwingt bei Hausstein ständig mit.
Ein Plädoyer für Gerechtigkeit meint letztlich auch: Ein Plädoyer gegen Selbstgerechtigkeit, die dieser zum Krämersystem umgemodelten Demokratie als Grundprinzip innewohnt. Demokratie als Label zu führen ist ihr und ihren Vertretern in geradezu selbstgerechter, selbstgefälliger Arroganz genug. Hausstein erlaubt sich nur einen Querschnitt durch diese Republik, deren res publica es ist, öffentlich so zu tun, als seien Arbeitgeberwünsche und Konzernvorlieben in unser aller Interesse. Er liefert damit aber nicht weniger als einen Ausblick auf eine Demokratie, die sich selbst an ihrem einst auferlegten Anspruch stört, jeden Menschen zu hören, zu schätzen, zu unterstützen. Jeder von Haussteins Texten ist somit ein trauriger Gruß aus einem postdemokratischen Topos.
Ein Plädoyer für Gerechtigkeit von Lutz Hausstein ist in der Edition Bildschein erschienen.

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