Ein Mal Kampala, zwei Mal Krankenhaus und immer wieder Gloria

Ein Mal Kampala, zwei Mal Krankenhaus und immer wieder GloriaKampala von unserem Balkon aus
Obwohl wir uns nur streng nach dem Grundsatz "cook it, peel it or forget it" ernähren, haben Benni und ich es diese Woche geschafft, uns eine Infektion zuzuziehen. Sowas kann leider trotz größter Vorsichtsmaßnahmen immer leicht passieren, indem man z.B. irgendwo etwas bezahlen muss und nach dem Berühren des Geldes sich versehentlich ins Gesicht fasst. Dazu muss man allerdings auch sagen, dass die hiesigen Geldscheine nicht nur etwa den Wert von benutztem Klopapier haben, sondern auch genauso aussehen und riechen. Verständlich, wenn man bedenkt, dass viele Ugander aus Angst für Überfällen ihr Bargeld in ihren Schuhen, unter den Achseln oder an noch unappetitlicheren Orten mitführen.
 So kamen wir diese Woche jedenfalls gleich zwei Mal in den zweifelhaften Genuss eines afrikanischen Krankenhauses. Und eines lässt sich dabei gleich auf Anhieb feststellen: alle deutschen Mediziner, die sich darüber aufregen, dass in Arztserien wie z.B. In aller Freundschaft der Klinikalltag unrealistisch da viel zu stressfrei dargestellt würde, haben offenbar noch nie ein ugandisches Hospital erlebt. Die Leute hier haben einfach die Ruhe weg. Ich glaube fast, dass es sowas wie Notfälle in Kampala gar nicht gibt. Wer irgendwie vorhat, sich zu verletzen, muss sich das zwei Tage im Voraus überlegen. Zumindest habe ich noch nie einen Ugander rennen sehen. Mit Ausnahme von Stephen Kiprotich, der im vergangenen Jahr Olympia-Gold im Marathon holte und daher auch in jedem dritten Werbespot als Testimonial missbraucht wird.
 Überhaupt sind im ugandischen Fernsehprogramm selbst Ereignisse wie etwa die Beerdigung der eisernen Lady ein echtes Highlight. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass wir - obwohl wir überhaupt nur höchst selten fernsehen - zu oft Bukedde zu sehen bekommen, was quasi der ARD in Deutschland entspricht. Inhaltlich erinnert der Sender dann aber doch eher an RTL. Wobei man sagen muss, dass im Vergleich zu den hier ausgestrahlten, meist aus Spanien oder den Philippinen importierten und grottig synchronisierten Seifenopern selbst GZSZ noch Burgtheater ist.
Ein Mal Kampala, zwei Mal Krankenhaus und immer wieder GloriaDigital Project Uganda
Aber zurück zum Krankenhaus: schon bei unserem ersten Besuch am Mittwoch fiel mir auf, welch hervorragender Türöffner es sein kann, sich mit den Ärzten, Schwestern und Pflegern auf Luganda statt nur auf Englisch zu unterhalten, das scheinen sie von einem Mzungu nämlich offenbar nicht zu erwarten. Zumindest blickt man so schnell in strahlende Gesichter und hat eine gemeinsame Basis gegenseitiger Wertschätzung. Meine eigene Behandlung gestern war aber noch aus einem anderen Grund toll, und zwar weil mir der Arzt etwas bestätigte, was ich ja schon seit langem über mich selbst denke - ich zitiere wörtlich: "You are hot, eh!"
...wer sich jetzt wundert, wofür hier dieses letzte Wort steht, dem sei gesagt, dass der Partikel "eh" in etwa die lugandische Entsprechung des schwäbischen "fei" ist.
 An alles, was auf diese Diagnose folgte, sind meine Erinnerungen etwas verschwommen, da ich mit Medikamenten behandelt worden bin, die wohl für gewöhnlich dazu gedacht sind, Elefanten ruhig zu stellen. Jedenfalls ging es mir ganz ähnlich wie dem Typen hier. ...Michael Jackson muss sich permanent so gefühlt haben. Armer Tropf!Apropos Tropf: an dem hing ich dann auch eine ganze Weile, allerdings galt auch dabei: African time! D.h. der Doktor sagte mir zwar, dies würde zwei bis drei Stunden dauern, tatsächlich waren es dann aber doch lockere sieben. Zumindest bekam ich aber so auch mal die Gelegenheit, in einem ugandischen Krankenhausbett zu liegen und den dortigen Alltag zu beobachten. Unmittelbar neben meinem Bett war auch in der Tat ein junger Mann am Werk, der offenbar Haus-, Bau- und Schreinermeister gleichzeitig war und obendrein noch Putzfrau sowie Klinikkomödiant. Jedenfalls hielt er die gesamte Belegschaft mit seinen unfreiwilligen Slapstick-Nummern auf Trapp: entweder fiel ihm etwas runter oder er stellte sich selbst ständig irgendwelche Sachen in den Weg, über die er dann stolperte oder er machte genau die Stelle dreckig, die er zwei Minuten zuvor erst geputzt hatte. Da ich hinter einem Vorhang lag, waren das einzige, was ich sonst sehen konnte, Damenschuhe und schwarze Beine. Bisweilen fühlte ich mich deshalb als hätte ich eine Nebenrolle in Tom & Jerry übernommen.
Diese Krankenhauserfahrung war alles in allem also tatsächlich sehr unterhaltsam, auch wenn die Nacht zuvor für mich der reine Horror war. Viele mögen so etwas schon selbst erlebt haben, dennoch wünsche ich NIEMANDEM dieses elende Gefühl, einen schmerzhaften Fremdling im eigenen Körper zu haben, der jenes Domizil weder durch den Vorder- noch den Hinterausgang verlassen will.
Aber um nicht den Eindruck zu erwecken, wir hätten die gesamte vergangene Woche nur mit medizinischen Behandlungen verbracht, sei erwähnt, dass Benni für seine Bachelor-Arbeit auch einige Aufnahmen, insbesondere Interviews, gemacht hat und Manuel in der Faith Harvest Gemeinde ein Seminar durchführte, wobei ich jeweils als Dolmetscher fungierte.
 Ein Mal Kampala, zwei Mal Krankenhaus und immer wieder GloriaManuel bei der Arbeit
Zu guter Letzt möchte ich aber noch auf Gloria zu sprechen kommen. Sie ist sozusagen die gute Seele des Gästehauses, in dem wir wohnen, hat aber m.E. auch einen nicht ganz unansehnlichen Körper. Da ich an ihr meist mein neuestes Luganda-Vokabular teste und sie, sofern ich mal nicht da bin, gleich nach mir fragt, muss ich mir von Manuel regelmäßig absurde Zukunftsszenarien anhören, die allesamt mit einer Hochzeit enden. Nachdem ich Gloria dann kürzlich mal wissen hab lassen, dass wir uns gerne mit ihr fotografieren lassen würden, tauchte sie einen ganzen Tag lang plötzlich überhaupt nicht mehr auf, woraufhin Manuel schon meinte: "Jetzt hast du sie verschreckt!" Benni war hingegen der Ansicht: "Die ist sicher schon damit beschäftigt, einen Stall für die Kühe zu bauen, die du als Brautpreis zu zahlen haben wirst." Mittlerweile wissen wir allerdings, dass sie an besagtem Tag schlichtweg frei hatte.
Neulich sahen wir sie jedenfalls vom Balkon des Gästehauses aus mit einem Teddybär auf dem Arm spazieren gehen und uns zuwinken, weswegen ich mir gestern Abend erlaubte, sie zu fragen, ob sie das Stofftier für eine Nichte oder so gekauft habe, woraufhin sie jedoch meinte: "No, it's mine! I play with it and take it to go for a walk." Diese Aussage wiederum löste bei Benni einen solchen Lachkrampf aus, dass nur noch Asthma-Spray half und Manuel sagte zu mir: "Die ist so durchgeknallt, die wäre vielleicht echt was für dich..."
 Über weitere Entwicklungen halte ich euch natürlich auf dem Laufenden ;)
Ein Mal Kampala, zwei Mal Krankenhaus und immer wieder GloriaDie drei von der Tankstelle

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