Ein „Ja!“ zu Anglizismen

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Potzblitz und sapperlot! Wenn Sie meinen Blog kennen, werden Sie wohl überrascht von der Überschrift dieses Beitrages sein. Und tatsächlich habe ich mich kritisch zur Ablösung deutscher Wörter durch englische Begriffe geäußert. Ja, es ist ärgerlich, wenn die Vielfalt der deutschen Sprache verkümmert. Ärgerlich deshalb, weil diese Vielfalt einen Teil unserer Kultur ausmacht. Sind Anglizismen deshalb böse? Nein, denn ganz so einfach ist die Sache nicht.

Themen dieses BeitragsInhalt: Die Sprachpolizisten auf Mission Deutsche Wörter im Englischen | Kein Freischein für Anglizismen | Ein Kampf gegen Windmühlen? | Nicht mehr wegzudenken | Das Märchen von der Leitkultur | Ein sinnvoller Umgang | Fazit

Die Sprachpolizisten auf Mission

Bestimmt kennen auch Sie einen (Hobby-) Deutschlehrer, der in verlässlicher Regelmäßigkeit über Anglizismen poltert. Unterschieden wird im Eifer des Gefechts dann nicht mehr zwischen Britizismen und Amerikanismen. Jaja, schlimm, dass die Jugend nicht mehr richtig deutsch spricht, heißt es hingegen. Warum redet man nicht vom Mobiltelefon, sondern vom Handy? Ach, und jetzt ist auch dieser Begriff schon wieder überholt und alle sagen nur noch Smartphone?

Sicher, man kann sich darüber aufregen und den Untergang des Abendlandes bejammern. Manch Besserwisser werden auch nicht müde, in diesem Kontext auf Frankreich zu verweisen. Schließlich würde man da die Sprache noch schützen! Dass dies längst nicht mehr so ist – dazu kommen wir später noch.

Anglizismen gehören nicht dazu – dieser Meinung sind 39 % der Teilnehmer einer Umfrage der Gesellschaft für deutsche Sprache. Im Übrigen waren das im überdurchschnittlichen Anteil ältere Menschen ohne Englischkenntnisse. Sie stören sich an sogenannten Lehnwörtern. Schon schlimm, diese Anglizismen im Deutschen. Ein paar Beispiele gefällig?

stylish

Findet sich auch in substantivierter Form, also: Styler. Dabei handelt es sich zumeist um jemanden mit ungesundem Hang zu Sonnenbank und Haargel. Früher hat man anstelle von stylisch das Wort modisch verwendet. Ist aber wohl aus der Mode gekommen. 😉

traveln

Höre und lese ich bei Reisebloggern und -vloggern immer häufiger. Und da haben wir schon das nächste Lehnwort. Statt traveln könnte man auch ganz einfach reisen sagen. Das klingt nur nicht so cool (wieder ein Anglizismus), sondern eher nach Camping (und noch einer!) mit der Familie in Holland.

umswitchen

Mir wird schlecht. Dieses Wort zu hören gleicht in etwa dem Klangbild von auf der Schiefertafel entlang kratzenden Fingernägeln. Wie es so ein Wort in unsere Alltagssprache geschafft hat, wundert mich. Ob es an der längst verblichenen Fernsehsendung liegt? Keine Ahnung.

Challenge

Voll die krasse Challenge. Wie, Sie reden noch von Herausforderungen? Dann sollten Sie lieber umswitchen und in Zukunft ausschließlich den neuen Begriff verwenden. Heftige Challenge, ich weiß.

Die Liste ließe sich beliebig weiterführen und es gibt bereits solche Glossare. Arme deutsche Sprache! Aber Moment – wie sieht es denn eigentlich umgekehrt aus?

Deutsche Wörter im Englischen

Ja, liebe Anglizismus-Kritiker, das Spiel funktioniert eben auch umgekehrt. Deutsche Begriffe haben es ebenfalls in den englischen Wortschatz geschafft. Hier eine kleine Auswahl:

Kindergarten

Sie sind wahrscheinlich schon eine Weile aus dem Kindergarten raus, aber falls sie in ein englischsprachiges Land ziehen, können Sie Ihr Kind dort ohne fragende Blicke im kindergarten anmelden.

Bildungsroman

Lesen bildet – anscheinend auch die Angelsachsen. Und zwar so sehr, dass man das deutsche Wort gar nicht erst übersetzt hat. Meist dreht sich in Bildungsromanen das Geschehen um eine junge Hauptfigur. Faserland von Christian Kracht wird zum Beispiel zu diesem Genre gezählt.

Fräuleinwunder

Dabei handelt es sich nicht um irgendein wundersames Fräulein, sondern um eine Bezeichnung aus den 1950er-Jahren. So nannten die US-Amerikaner ganz allgemein Frauen in Nachkriegsdeutschland, die selbstbewusst, modern und attraktiv wirkten. Das hat sich bis heute zum Glück nicht geändert.

Gesundheit!

Klar, im Englischen spricht man bei der Gesundheit von health. Beim Niesen ist das kurioserweise jedoch anders. In vielen Teilen der Welt wünscht man dem Niesenden das Wohlbefinden wie auch hierzulande mit dem deutschen Begriff.

Kein Freischein für Anglizismen

Sich über Anglizismen aufzuregen ist in etwa so erfolgversprechend, wie Petrus für einen Regentag anzuwettern. Anglizismen sind da und zum Teil fest verankert in unserer alltäglichen Sprache. Ob das ein schöner Ausdruck ist, wenn man jemanden random kennt, steht auf einem anderen Blatt.

Heißt das nun, dass wir der Verwendung von Anglizismen einen Freischein ausstellen? Nein. Dämliche Anglizismen veröden unsere Sprache. Sie schmälern unseren Wortschatz, laden zur Denkfaulheit ein und beschränken unsere Artikulationsfähigkeit. Dessen sollten wir uns bei der Nutzung dieser verlockend-bequemen Wörter bewusst sein.

Es geht daher um eine bewusste Auseinandersetzung mit Begriffen, die andernfalls einfach durch uns hindurchdiffundieren. Wir sollten sie nie einfach nur übernehmen, sondern ihnen stattdessen mit Skepsis begegnen. Denn hätten Sie gewusst, dass man mit Oldtimern eigentlich nicht die Autos meint, sondern im scherzhaften Sinne alte Menschen? Es ist eben nicht nur das offensichtliche Beispiel Handy, das hinkt.

Ein Kampf gegen Windmühlen?

Aus pragmatischer Sicht mögen Anglizismen die bessere Wahl sein. So wie das Wort Ticket anstelle von Parkschein, Kinokarte oder Fahrausweis. Doch kommt der Sprache nicht nur eine unmittelbare Kommunikationsfunktion zu, sie zeichnet sich ebenso durch Facettenreichtum und Raffinesse aus.

Es ist die Codierung, die in den Begriffen steckende Narration und Tradition, die eine Sprache zu einer Chronistin werden lässt. Sprache liefert und überliefert Informationen, die in den Worten selbst gespeichert sind. Wer diese Worte entschlüsselt, ihre Herkunft kennt und sie voneinander abzugrenzen versteht, der hält einen ordentlichen Brocken vom Stein der Weisen in den Händen.

Und wie will man überhaupt gegen Anglizismen vorgehen? Soll man sie verbieten? Frankreich jedenfalls hat diesen Kampf aufgegeben. Sich gegen die Migration der Wörter zu wehren, ist aussichtslos. Weekend hat Vacancelle geschlagen.

Nicht mehr wegzudenken

Wir alle haben Anglizismen, aber auch Französismen (Engagement, Journalist, Klischee) und Hispanismen (Tapas, Kakao, Mais) längst internalisiert. Sie sind fundamentale Bausteine unserer Verständigung. Diese Begriffe aus unserer Sprache verbannen zu wollen, wäre in etwa so wahnsinnig wie das Treiben eines Chirurgen, der sicherheitshalber ganze Organe herausschneidet, um den Körper gesund zu halten. Oder so verrückt wie der Versuch eines Silicon-Valley-Milliardärs, durch Aderlass dem Altern zu entgehen.

Die Vehemenz im Vorhaben puristischer Sprachschützer, die Sprache zu „reinigen“, gleicht jenem Kampf gegen Windmühlen. Die Sprache verwässert, sie ist nicht nur Chronistin sondern auch Opportunistin, die auf Kultusministerien und intellektuelle Auflehnungen pfeift.

Sprachwandel ist kein postmodernes Phänomen, sondern eine kommunikationsökonomische Tatsache, vor der wir die Augen nicht verschließen können, im Gegenteil: Je weiter wir sie öffnen, desto freier können wir entscheiden, welche Wörter wir in unsere Gespräche lassen wollen und welche nicht.

Das Märchen von der Leitkultur

Es ist daher nur logisch, dass insbesondere Populisten den Verfall der Sprache und der „abendländischen Kultur“ beschwören. Gehen diese doch von einem nationalen, geografisch klar umgrenzten Kulturraum aus. Wie absurd die Annahme einer Leitkultur ist, hat nicht zuletzt Die Anstalt präzise veranschaulicht. Denn genau wie Sprache ist auch die Kultur kein starres Gebilde.

Anglizismen werden in diesem Zusammenhang als pathologische Elemente verstanden. Dabei wäre es schon falsch, von Symptomen zu sprechen. Noch einmal: Anglizismen sind da und es werden weitere kommen. Ob wir wollen oder nicht. Über den Wandel der Sprache und der Kultur schlechthin zu schimpfen, gleicht einem Kapitän auf hoher See, der sich in Erwartung eines nahenden Sturms an die Reling klammert, anstatt den Kurs rechtzeitig zu justieren.

Ein sinnvoller Umgang

Klüger wäre es also, Kindern, Jugendlichen und natürlich auch uns selbst einen vernünftigen Umgang mit Anglizismen zu zeigen und Begeisterung für die deutsche Sprache zu wecken. Denn wer einen reichen Wortschatz in der Muttersprache hat, bedient sich nicht so häufig alberner Anglizismen. Der Deutsche verbietet gern, macht sich aber in Sachen Anglizismen zum Schildbürger.

Hin und wieder geistern dann Listen zur Spracherziehung durch die sozialen Netzwerke – eine Steilvorlage für die Rechtschreibpolizei! Mit heulenden Sirenen werden Facebook-Gruppen nach ‚Wortungetümen‘ durchforstet. Da genügen bereits Formulierungen wie Sinn machen. Schließlich sei das totaler Quark und hätte in der deutschen Sprache nichts zu suchen, was natürlich tatsächlich Quark ist. Sinn machen klingt etwas stumpf, ist aber längst so weit verbreitet, dass es common sense, ach Verzeihung – kollektiver Sinn ist.

Fazit

Wenn Sie ein vehementer Gegner von Anglizismen bzw. Fremdeinflüssen in der Sprache sind, dann müssen Sie konsequenterweise folgende Wörter aus ihrem Wortschatz streichen: realisieren, argumentieren, fatal und Administration, aber auch Caféteria und Gitarre. Und wozu das alles? Damit sie als edler Streiter das Leuchtfeuer der deutschen Sprache am Leben halten?

Die Migration von Wörtern ist die Folge einer Entwicklung, nicht deren Ursache. Deshalb macht es auch keinen Sinn (ja, ich verwende diese Formulierung ganz bewusst), diese Wörter verbieten zu wollen. Auch ich liebe die deutsche Sprache und stehe dafür ein, ihre Vielfalt nicht verkümmern zu lassen. Dies gelingt jedoch nicht durch sture Verneinung der Wirklichkeit und daraus resultierende Verbote, sondern durch Akzeptanz und der Schulung des Sprachbewusstseins.

Wie ist Ihre Haltung zu Anglizismen? Finden Sie die fresh oder so gar nicht sexy?

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