Ein hoffentlich unversöhnlicher Nachlass

Versöhnt sich die Erdöl-Macht jetzt mit dem Westen?, fragt eine berüchtigte Tageszeitung heute. Das ist es, was man Chávez vorwarf. Saß er doch auf Erdöl und gestattete westlichen Petrokonzernen die Ausbeutung der Ressource nicht mehr.
Die erhoffte Versöhnung sieht in etwa so aus, dass Venezuela den Abbau seiner Ressourcen den westlichen Industrienationen über den Umweg von Konzernen erlauben, Verträge anerkennen sollte, in denen für eine kleine Entschädigung Milliarden für die westliche Petroindustrie möglich werden. Eine Gewinnbeteiligung oder Anteilseignerschaft wäre hierbei kaum angedacht. Venezuela hätte Militär zu stellen, für die Sicherheit zu bürgen, erhielte dafür Aufwandsentschädigung nebst Schmiergeld für die Eliten und wäre wieder in die westliche Wertegemeinschaft integriert. So oder so ähnlich läuft es andernorts ja auch.

Überhaupt von Versöhnung zu sprechen ist anzüglich. Die designierte Versöhnung ist als Erpressung gedacht, als sittenwidrige Vertragspartnerschaft und Betrug an den Venezolanern.
Die würden nämlich plötzlich von Bildungseinrichtungen und Krankenhäusern abgeschnitten, die ihnen die Verstaatlichung der Erdöl-Industrie einbrachte. Schmiergelder und Aufwandsentschädigung für Militär und Straßennutzung wären ja auch billiger zu haben.
Es war Chávez' Verdienst, dass er die Ressourcen Venezuelas als Chance für das Volk installierte und nicht als Chance für multinationale Konzerne, immer milliardenschwerer zu werden. Nicht alles mag gelungen sein, manches holperte, vielleicht war mit den Petromilliarden auch mehr soziales Netz möglich. Wobei man die Opposition des Landes nicht vergesse, die latent immer einen bürgerkriegsähnlichen Zustand erzeugte. Und es sei an García Márquez' alten und kranken General erinnert, der einem selbstgefälligen Europäer deutlich macht, dass die Südamerikaner nicht den Europäern gleichen müssen, und dass sie nicht erwarten sollten, dass sie in zwanzig Jahren alles das richtig machen müssen, was Europa in zweitausend Jahren falsch gemacht hatte. Manches durfte man mit europäischen Augen einfach nicht bewerten.
Chávez war ein streitbarer Mann. Aber mit dem Typus "korrupte Tropenmarionette" hat er gebrochen. Er war kein willfähriger Statthalter des Westens. Er hat die schöne versöhnliche Harmonie, die vorher herrschte, durchbrochen. Das wird man ihn über seinen Tod hinaus verübeln. Tut man jetzt schon. Der Spiegel verabschiedet sich von einem Narziss und Focus nennt ihn einen Wiedergänger Bolívars - beide geben damit den Steigbügelhalter "westlicher Versöhnungspolitik".
Ob da ein großer Mann gestorben ist, will ich nicht feststellen. Mir graut vor solchem Pathos. Gleichwohl ist Chávez' Tod ein Verlust, denn es geht mit ihm ein Mann, der als Gegenentwurf des Neoliberalismus personalisiert war; einer, der wenigstens den Versuch wagte, sich der herrschenden Lehre der Weltökonomie zu verweigern. Das hatte er mit einigen Despoten im arabischen Raum gemein - auch die probieren auf ihre Weise einen anderen Weg. Das war die ihm immer wieder angelastete "Gemeinsamkeit". Despotismus weitaus weniger.
Man kann nur hoffen, dass der Bolivarianismo unversöhnlich bleibt. Als Andenken an ihn und als Zukunftsperspektive für die Venezolaner. Und als schmerzhafter Stachel im Fleisch des Westens, als Gegenentwurf zur hiesigen ökonomischen (Un-)Kultur.
Dabei ist nicht die immer noch herrschende Armut im Karibikstaat gemeint, sondern die Einsicht, dass Politik nicht der Handlanger von Konzernen sein darf, sondern die Interessen der Allgemeinheit durchzusetzen hat - gegen alle Widerstände. Chávez hat keine Widerstände gescheut und wird so zur historischen Persönlichkeit über die südamerikanische Hemisphäre hinaus.

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