Winston S., Abteilungsleiter im Miniwahr (Ministerium für Wahrheit), ist ein Whistleblower. Er spielte mir heute Nacht Papiere zu, die belegen, wie mit der Wahrheit in der Bundesrepublik verfahren wird. Die gute Nachricht: man lügt nicht, das heißt, man negiert die Wahrheit nicht! Man passt sie einfach nur den gegebenen Zuständen an! Winston S. reichte mir zudem die neueste Anordnung, die er kurz zuvor erhielt. Dabei handelt es sich um die Anpassung der Wahrheit zum Atomausstieg.
Er habe die Aufgabe erhalten, sämtliche Erinnerungen verblassen zu lassen, die mit der letzten, erst kürzlich verkündeten Laufzeitverlängerung zu tun hatten. Winston S. ist für die Koordinierung zuständig und hat einige Angestellte unter sich. Drei seiner Mitarbeiter sind dafür zuständig, dass die Journalisten der bürgerlichen Presse keine kritischen Fragen zur neueren Vergangenheit stellen. "Daher würde sich die Presse mit Lob überschlagen und Merkel und ihre Entourage als Energiewendler feiern", erklärte mir Winston S. kurz angebunden und schlaftrunken am Telefon. Man habe Journalisten angewiesen, ihre Berichte vorab ins Miniwahr zu senden, damit diese begutachtet und nötigenfalls überarbeitet werden könnten. Winston S. erklärte weiter, dass dieselben Herrschaften, die sich nun für den Atomausstieg feiern lassen, vor einigen Monaten noch das Gegenteil verkündeten - ich selbst konnte es kaum glauben, denn ich habe, wie womöglich alle Bürger dieses Landes, bereits vergessen, was uns gestern noch beschäftigte.
Weitere Mitarbeiter, so versicherte mir Winston S., würden in Kürze dazu übergehen, Berichte und Artikel aus der Zeit, da die Laufzeitverlängerung Programm war, aus dem öffentlichen Gedächtnis zu tilgen. Auf Band aufgezeichnete Interviews mit Leuten wie Markus Söder oder Angela Merkel, in denen sie pro längere Laufzeiten geiferten, wird es dann nicht mehr geben - bei Söder ist man sich noch nicht sicher, ob man nur seine damaligen Aussichten löscht oder ihn selbst gleich mit. Unzeitgemäße Aussagen würden aber in jedem Falle im Orkus verschwinden. Schriftlich festgehaltene Interviews würden umgeschrieben. Winston S. klammerte an die mich weitergereichten Papiere ein Fallbeispiel: Söder sagte damals in einem Interview, dass "Laufzeitverlängerungen dringlich" seien, dass es "keine Alternativen" gäbe - in der neuen Version wird es dann heißen, dass Söder bereits vor einem Dreivierteljahr sagte, dass "Laufzeitverlängerungen auf keinen Fall dringlich" seien und wir "ein Meer an Alternativen" hätten. Das sei Standard, meint Winston S. und plauderte aus dem Nähkästchen. Die Kanzlerin, so erklärte er mir hinter vorgehaltener Hand, habe mal eine streng sozialistische Jugend verlebt und sozialistische Werte geatmet - sie wäre sogar mal eingeladen gewesen nach Moskau, ins Herz des Kommunismus. Darüber werde man aber heute nichts mehr finden. Winston S. war damals selbst Mitglied jenes Teams, dass die Vergangenheit der Kanzlerin anpasste und beseitigte.
Zeitungsbilder aus der Zeit der Laufzeitverlängerungen würden in den Archiven aufgestöbert und mit neuen Untertiteln versehen. Da sitzen dann Röttgen, Merkel, Westerwelle und Konsorten an einem langen Tisch und drunter steht nicht "Sind sich einig: Laufzeitverlängerungen sind notwendig und werden gewährt" sondern "In trauter Einigkeit: Atomkraft ist gefährlich und muß beendet werden" - überhaupt, so schreibt Winston S. in einer Anmerkung, würde das Wort "Laufzeitverlängerung" verschwinden. Man könne es bereits jetzt getrost vergessen - würde man vor 2021 doch nochmal revidieren, würfe die Regierung den Begriff allerdings wieder auf den Markt der Worte und dann wäre es so, als wäre der Begriff nie weg gewesen. Die "Laufzeitverlängerung", so Winston S., brauche momentan überhaupt kein Ersatzwort, weil sie ja nie stattgefunden hat - weder real, noch als Absicht. (Anmerkung des Autors: Nachdem ich diesen Text der Rechtschreibprüfung unterzog, musste ich feststellen, dass das Rechtschreibprogramm die "Laufzeitverlängerung" schon nicht mehr kennt!) Und der "Atomstrom" würde noch eine Weile existieren dürfen, in Zukunft aber wahrscheinlich mit "uneffiziente, aber eigentlich relativ harmlose Energie" umschrieben werden. Worte wie "Doppelplusungut-Strom" würde man in Zukunft nicht benutzen - das sind die Verhunzungen, die man bis 1984 gebrauchte, heute würde man bekömmlichere Termini schaffen. Das Kanzleramt wird sich vermutlich eines Tages dahingehend entscheiden, fuhr Winston S. fort, um nicht unter den Verdacht zu geraten, eine gefährliche Energie auf die Bürger losgelassen zu haben.
Mittlerweile kursieren Fotos in der Öffentlichkeit, auf denen Politiker mit grüner Krawatte zu sehen sind. Winston S. erklärte mir, dass das farbliche Anpassungen seiner Behörde seien. Ein Mitarbeiter habe die Aufgabe übertragen bekommen, Bilder farblich abzugleichen. Es sei jetzt dringend notwendig, die Energiewende und ihre Protagonisten farblich auszustaffieren - unterlegt man alle Fotos zudem mit einem leichten, für das Auge kaum sichtbaren Grünstich, so würde der Betrachter unbewusst in die richtige Richtung gelenkt. Das habe sich auch damals bewährt, als man Bilder Lafontaines mit leichtem Braunton unterlegte und Sarrazins Konterfei mit einem weißen Stich, um dessen Unschuld zu unterstreichen.
Die schreibende Zunft sei eine sehr vergessliche Bande, erklärte mir Winston S. Manche von denen, die ihre Artikel bei Miniwahr einreichen, wissen gar nicht mehr, was sie ein halbes Jahr zuvor geschrieben haben. Manchmal leugnen sie sogar, dass sie plötzlich vom Gegenteil überzeugt sind. Dies wäre auch im aktuellen Fall so. Es gäbe Journalisten, die haben die Regierung vor einem halben Jahr gelobt, weil diese sich weitblickend für Atomstrom einsetzte - und nun loben sie die Regierung, weil sie weitblickend dagegen anmarschiert. Solche Schreiber ersparen einem Arbeit, denn bei denen muß man nicht anpassen und überarbeiten. Die langjährige Arbeit seiner Behörde, so vermutet Winston S., habe Subjekte geschaffen, die auf Vergessen programmiert sind. Das Leben in einer Gesellschaft, in der Miniwahr heimlich, still und leise Wahrheiten abgleicht, konditioniert manche Menschen drastisch. Das sei nicht nur sehr hilfreich, das sei ja die eigentliche Absicht von Miniwahr. Wahrheit sollte nie individuell sein, heißt es im behördeninternen Handbuch. Sie sollte stets für alle gleich sein und kontrolliert werden, damit es nicht zu unnötigen Reibungen und Störungen kommt. Es ist doch für alle leichter, wenn man in Merkel und Co. nun standfeste Ökologen der ersten Stunde erkennt - die diametrale Vergangenheit würde nur Unmut erzeugen und die Diskussion erschweren.
Nachdem ich Winston S. mehrfach aus dem Bett klingelte, um nochmal und nochmals nachzufragen, nachdem ich die Dokumente, die er mir zukommen ließ, durchforstet hatte, stellte ich mir die Frage, warum er eigentlich so freimütig und unbeschwert, ja so mutig plauderte. Dies ließ mir keine Ruhe, also rief ich ihn noch einmal, ein letztes Mal an. Ich fragte: Warum? Er antwortete: Weil es mich bedrückt! Ich: Haben Sie die Folgen bedacht? Er: Welche Folgen denn? Ich: Na, morgen werde ich darüber schreiben! Er: Glauben Sie das wirklich?
Daher der Rat an die Leser: Schnell lesen, bevor Winston S. seine Bluthunde auf dieses Textchen ansetzt - bevor hier, bei ad sinistram zu lesen sein wird, dass Merkel immer schon eine Gegnerin der Atomenergie war...
Er habe die Aufgabe erhalten, sämtliche Erinnerungen verblassen zu lassen, die mit der letzten, erst kürzlich verkündeten Laufzeitverlängerung zu tun hatten. Winston S. ist für die Koordinierung zuständig und hat einige Angestellte unter sich. Drei seiner Mitarbeiter sind dafür zuständig, dass die Journalisten der bürgerlichen Presse keine kritischen Fragen zur neueren Vergangenheit stellen. "Daher würde sich die Presse mit Lob überschlagen und Merkel und ihre Entourage als Energiewendler feiern", erklärte mir Winston S. kurz angebunden und schlaftrunken am Telefon. Man habe Journalisten angewiesen, ihre Berichte vorab ins Miniwahr zu senden, damit diese begutachtet und nötigenfalls überarbeitet werden könnten. Winston S. erklärte weiter, dass dieselben Herrschaften, die sich nun für den Atomausstieg feiern lassen, vor einigen Monaten noch das Gegenteil verkündeten - ich selbst konnte es kaum glauben, denn ich habe, wie womöglich alle Bürger dieses Landes, bereits vergessen, was uns gestern noch beschäftigte.
Weitere Mitarbeiter, so versicherte mir Winston S., würden in Kürze dazu übergehen, Berichte und Artikel aus der Zeit, da die Laufzeitverlängerung Programm war, aus dem öffentlichen Gedächtnis zu tilgen. Auf Band aufgezeichnete Interviews mit Leuten wie Markus Söder oder Angela Merkel, in denen sie pro längere Laufzeiten geiferten, wird es dann nicht mehr geben - bei Söder ist man sich noch nicht sicher, ob man nur seine damaligen Aussichten löscht oder ihn selbst gleich mit. Unzeitgemäße Aussagen würden aber in jedem Falle im Orkus verschwinden. Schriftlich festgehaltene Interviews würden umgeschrieben. Winston S. klammerte an die mich weitergereichten Papiere ein Fallbeispiel: Söder sagte damals in einem Interview, dass "Laufzeitverlängerungen dringlich" seien, dass es "keine Alternativen" gäbe - in der neuen Version wird es dann heißen, dass Söder bereits vor einem Dreivierteljahr sagte, dass "Laufzeitverlängerungen auf keinen Fall dringlich" seien und wir "ein Meer an Alternativen" hätten. Das sei Standard, meint Winston S. und plauderte aus dem Nähkästchen. Die Kanzlerin, so erklärte er mir hinter vorgehaltener Hand, habe mal eine streng sozialistische Jugend verlebt und sozialistische Werte geatmet - sie wäre sogar mal eingeladen gewesen nach Moskau, ins Herz des Kommunismus. Darüber werde man aber heute nichts mehr finden. Winston S. war damals selbst Mitglied jenes Teams, dass die Vergangenheit der Kanzlerin anpasste und beseitigte.
Zeitungsbilder aus der Zeit der Laufzeitverlängerungen würden in den Archiven aufgestöbert und mit neuen Untertiteln versehen. Da sitzen dann Röttgen, Merkel, Westerwelle und Konsorten an einem langen Tisch und drunter steht nicht "Sind sich einig: Laufzeitverlängerungen sind notwendig und werden gewährt" sondern "In trauter Einigkeit: Atomkraft ist gefährlich und muß beendet werden" - überhaupt, so schreibt Winston S. in einer Anmerkung, würde das Wort "Laufzeitverlängerung" verschwinden. Man könne es bereits jetzt getrost vergessen - würde man vor 2021 doch nochmal revidieren, würfe die Regierung den Begriff allerdings wieder auf den Markt der Worte und dann wäre es so, als wäre der Begriff nie weg gewesen. Die "Laufzeitverlängerung", so Winston S., brauche momentan überhaupt kein Ersatzwort, weil sie ja nie stattgefunden hat - weder real, noch als Absicht. (Anmerkung des Autors: Nachdem ich diesen Text der Rechtschreibprüfung unterzog, musste ich feststellen, dass das Rechtschreibprogramm die "Laufzeitverlängerung" schon nicht mehr kennt!) Und der "Atomstrom" würde noch eine Weile existieren dürfen, in Zukunft aber wahrscheinlich mit "uneffiziente, aber eigentlich relativ harmlose Energie" umschrieben werden. Worte wie "Doppelplusungut-Strom" würde man in Zukunft nicht benutzen - das sind die Verhunzungen, die man bis 1984 gebrauchte, heute würde man bekömmlichere Termini schaffen. Das Kanzleramt wird sich vermutlich eines Tages dahingehend entscheiden, fuhr Winston S. fort, um nicht unter den Verdacht zu geraten, eine gefährliche Energie auf die Bürger losgelassen zu haben.
Mittlerweile kursieren Fotos in der Öffentlichkeit, auf denen Politiker mit grüner Krawatte zu sehen sind. Winston S. erklärte mir, dass das farbliche Anpassungen seiner Behörde seien. Ein Mitarbeiter habe die Aufgabe übertragen bekommen, Bilder farblich abzugleichen. Es sei jetzt dringend notwendig, die Energiewende und ihre Protagonisten farblich auszustaffieren - unterlegt man alle Fotos zudem mit einem leichten, für das Auge kaum sichtbaren Grünstich, so würde der Betrachter unbewusst in die richtige Richtung gelenkt. Das habe sich auch damals bewährt, als man Bilder Lafontaines mit leichtem Braunton unterlegte und Sarrazins Konterfei mit einem weißen Stich, um dessen Unschuld zu unterstreichen.
Die schreibende Zunft sei eine sehr vergessliche Bande, erklärte mir Winston S. Manche von denen, die ihre Artikel bei Miniwahr einreichen, wissen gar nicht mehr, was sie ein halbes Jahr zuvor geschrieben haben. Manchmal leugnen sie sogar, dass sie plötzlich vom Gegenteil überzeugt sind. Dies wäre auch im aktuellen Fall so. Es gäbe Journalisten, die haben die Regierung vor einem halben Jahr gelobt, weil diese sich weitblickend für Atomstrom einsetzte - und nun loben sie die Regierung, weil sie weitblickend dagegen anmarschiert. Solche Schreiber ersparen einem Arbeit, denn bei denen muß man nicht anpassen und überarbeiten. Die langjährige Arbeit seiner Behörde, so vermutet Winston S., habe Subjekte geschaffen, die auf Vergessen programmiert sind. Das Leben in einer Gesellschaft, in der Miniwahr heimlich, still und leise Wahrheiten abgleicht, konditioniert manche Menschen drastisch. Das sei nicht nur sehr hilfreich, das sei ja die eigentliche Absicht von Miniwahr. Wahrheit sollte nie individuell sein, heißt es im behördeninternen Handbuch. Sie sollte stets für alle gleich sein und kontrolliert werden, damit es nicht zu unnötigen Reibungen und Störungen kommt. Es ist doch für alle leichter, wenn man in Merkel und Co. nun standfeste Ökologen der ersten Stunde erkennt - die diametrale Vergangenheit würde nur Unmut erzeugen und die Diskussion erschweren.
Nachdem ich Winston S. mehrfach aus dem Bett klingelte, um nochmal und nochmals nachzufragen, nachdem ich die Dokumente, die er mir zukommen ließ, durchforstet hatte, stellte ich mir die Frage, warum er eigentlich so freimütig und unbeschwert, ja so mutig plauderte. Dies ließ mir keine Ruhe, also rief ich ihn noch einmal, ein letztes Mal an. Ich fragte: Warum? Er antwortete: Weil es mich bedrückt! Ich: Haben Sie die Folgen bedacht? Er: Welche Folgen denn? Ich: Na, morgen werde ich darüber schreiben! Er: Glauben Sie das wirklich?
Daher der Rat an die Leser: Schnell lesen, bevor Winston S. seine Bluthunde auf dieses Textchen ansetzt - bevor hier, bei ad sinistram zu lesen sein wird, dass Merkel immer schon eine Gegnerin der Atomenergie war...