Ehrfurcht vor dem Sandkasten

J. J. Abrams also!

Ich kann mit dieser Entscheidung ganz gut leben. Mein Wunschkandidat wäre zwar Steven Spielberg gewesen (der diese Aufgabe mit der Absurdesten aller möglichen Ausreden abgelehnt hatte: das ist nicht mein Genre). Auf der anderen Seite: Star Wars ist klassisches Popcorn Kino. Ich sage das nicht als Kritik, sondern als Feststellung und Spielberg hat sich schon lange davon zurückgezogen gutes Popcorn Kino zu machen. Seine letzten Versuche in diese Richtung waren “Indy IV” und davor “Krieg der Welten” und beide war nicht besonders erfolgreich.

Der nächste auf meiner Liste wäre Joe Johnston gewesen. Der Mann hat seine Karriere mit Episode IV begonnen und war auch bei den beiden Nachfolgern sowie den Ewok-Filmen mit an Bord. Später hat er sich dann eine Karriere als Regisseur aufgebaut und u.a. mit “Jurassic Park III” und “Captain America” durchaus gute Arbeit abgeliefert. Auf der anderen Seite habe ich aber den Eindruck, dass Johnston eher von den Fans ins Spiel gebracht wurde, als dass Disney/Lucasfilm ihn tatsächlich ernsthaft in Erwägung gezogen hätten.

Ein Name , der im November/Dezember letzten Jahres recht häufig genannt wurde war Matthew Vaughn. Der einzige Film von ihm, den ich bis dahin gesehen hatte (so viele sind es ja auch noch nicht) war “Kick-Ass” und der ist definitiv auf meiner Liste der 10 schlechtesten Filme meines Lebens. Es ist jetzt schwer zu sagen, wie sehr dies am Regisseur liegt, aber eine derart kranke Story und so durchwegs unsympathische Figuren sind mir noch selten untergekommen. Aber vielleicht ist das auch wieder eine Altersfrage und mit 15, 16 hätte ich den Film total cool gefunden (hm, nein, vermutlich nicht!).

Nachdem Vaughn immer wieder als möglicher Regisseur von Episode VII genannt wurde, habe ich mir “Layer Cake” aus dem Jahr 2004 angesehen. Auch keine ideale Wahl, das gebe ich zu, denn dabei handelt es sich um einen Gangsterfilm und das ist kein Genre mit dem ich besonders warm werde. Andererseits ging es mir aber auch primär darum festzustellen, wie Vaughn einen Film umsetzt, bei dem er tatsächlich brauchbare Schauspieler und Figuren vorfindet.

Daraus und aus einige Interviews mit ihm, die ich im Internet gefunden habe, ziehe ich den folgenden Schluss: Vaughn ist ein Regisseur, der versucht, einen Film nach seiner Vorstellung zu formen, ihn zu etwas zu machen, das so funktioniert wie er es möchte.

Das ist an sich nicht schlecht und in gewissem Maße sogar auch die Aufgabe eines Regisseurs, das Problem dabei ist nur, dass dies bei Star Wars der falsche Weg wäre.

Und damit sind wir bei J. J. Abrams: Auch dieser hat (was Kinofilme betrifft) noch keine gigantisch lange Vita: er hat “Mission Impossible III” umgesetzt (das meiner Meinung nach besser als der erste und schlechter als der zweite Teil war), ebenso wie “Super 8″ (den ich ziemlich mochte, weil er mich an die Filme aus meiner Teenager Zeit erinnerte) und allen voran den letzten “Star Trek” Film (und auch den kommenden, nur so nebenbei).

Als Abrams an “Star Trek” arbeitete erklärte er, er wollte den Film stärker in Richtung “Star Wars” treiben und das ist etwas, das ihm vermutlich viele hardcore ST Fans übel genommen haben. Tatsächlich finde ich, dass sich der Film jedoch eher in Richtung “Mission Impossible” als SW bewegt hat. In summe fand ich ihn ganz OK, wenn auch nicht weltbewegend.

Abrams versuchte also offenbar ein seit Jahrzehnten existierendes Franchise zu etwas zu formen, das es zwar in seinen, nicht jedoch in den Augen vieler Fans nicht sein sollte – eben mehr “star-warsig”. (Auf der anderen Seite war eines solche Auffrischung aber auch dringend nötig, denn einen weitere “Gähner” wie die beiden Filme davor hätte Star Trek wohl nicht überlebt).

Beide wollen ihren Filmen als ihre Stempel aufdrücken. Abrams (zumindest bei ST) den von SW und Vaughn (nun, vielleicht den von Gangster- oder Superhelden-Filmen). Der Unterschied ist jedoch, dass man SW nicht “star-warsiger” machen muss, denn das ist es schon.

Sowohl Vaughn als auch Abrams behaupten SW Fans zu sein und ich glaube es ihnen. Der Unterschied zwischen den beiden (und das Folgende ist jetzt rein meine Interpretation aus dem was ich von beiden gelesen und gehört habe), ist jedoch, dass ich Abrams zugestehe Ehrfurcht vor SW zu haben, bei Vaughn bin ich mir da nicht so sicher. Würde man beide in die sprichwörtliche Sandkiste setzten, als die das von George Lucas geschaffene Weltraumepos oft bezeichnet wird und sagen, sie können darin spielen, so habe ich den Eindruck, dass Vaughn versuche würde etwas Neues, Anderes zu entwickeln: toll, jetzt kann ich SW endlich zu dem machen was es immer schon hätte sein sollen!

Auch das ist nicht unbedingt schlecht, auch Irvin Kershner hat dies bis zu einem gewissen Grad bei ESB so gemacht (und Richard Marquard bei ROTJ offenbar viel zu wenig), trotzdem hat er sich (weitgehend) an die Parameter gehalten, die GL 3 Jahre zuvor definiert hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob Vaughn dies auch getan hätte.

Von Abrams auf der anderen Seite habe ich der Eindruck, dass er mit großen Augen in dieser Sandkiste sitzen würde (bzw. nun wird), peinlich darauf bedacht nur ja keines der Gebilde zu zerstören oder zu beschädigen und etwas zu bauen, dass sich in die schon vorhandenen Burgen, Täler Brücken und Wege aus Sand möglichst nahtlos einfügt.

Ich denke, er weiß besser was SW sein sollte und was nicht als Matthew Vaugh.

Auch wenn GL offiziell in Pension ist (oder es demnächst sein wird), so wird sein Schatten auf jeden Fall noch über der Sequel Trilogie liegen. Er wird vermutlich nicht jeden Tag am Set sein, aber es wird wohl keine wichtige (oder vielleicht sogar unwichtige) Entscheidung geben, die nicht über seinen Schreibtisch geht (dafür wird schon Kathleen Kennedy sorgen). Und es wird in den nächsten Jahren etliche Momente geben, in denen sich George eine bestimmte Skizze, eine Maske, ein Modell oder den Schnitt einer Szene ansehen, den Kopf schütteln und sagen wird: “Nein, so will ich das nicht!” Und der Regisseur kann dann darauf reagieren indem er sagt: “Ja, aber das ist mein Film und ich realisiere ihn so, wie ich es will!”. Oder er kann sagen: “Gut, dann ändern wir das, solange, bis George damit zufrieden ist und es seiner Vorstellung von Star Wars entspricht.”

Ich glaube, das Matthew Vaughn in einer solchen Situation eher die erste und J. J. Abrams eher die zweite Antwort geben würde.

Und deshalb kann ich derzeit gut damit leben, dass am Ende von Episode VII “Directed by J. J. Abrams” stehen wird.


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