Vor ziemlich genau vier Jahren habe ich meine ersten vorsichtigen Schritte ins Selfpublishing gemacht. Seitdem hat sich viel verändert. Selfpublishing ist ein fester Bestandteil des Buchmarktes und es haben sich viele Türen geöffnet. Bei meiner Tour durch den Buchhandel habe ich beispielsweise keine Ablehnung erfahren, nur weil ich Selfpublisherin bin. Das war vor vier Jahren noch anders. Ist also alles prima?
Eigentlich wollte ich genau so einen Artikel schreiben und feststellen, dass viel erreicht sei. Für mich persönlich fühlt es sich ja tatsächlich auch so an. Ich habe mich in den letzten vier Jahren Stück für Stück in den Buchmarkt gekämpft und einige Hürden eingerissen. Meine Strukturen stehen. Dann traf ich auf einer Lesung einen erfolgreichen Verlagsautor, dem mein Buch gefiel. Er nahm es in die Hand, drehte und wendete es und fragte, in welchem Verlag ich sei. Ich antwortete, dass ich Selfpublisherin sei. Er sah mich an und sagte: "Aber das sollte man doch nicht tun."
Nun war es an mir, verdutzt zu gucken und nach dem Warum zu seiner Aussage zu fragen. Er führte es aber nicht weiter aus. Aber machen wir uns nichts vor. Es gibt einen Teil des Literaturbetriebs, der sich für etablierter hält und bei dem Selfpublishing nach wie vor Naserümpfen auslöst. Mir ist dies bewusst geworden, als ich die Idee hatte, mich aktiver mit anderen Autoren zu vernetzen, und nach entsprechenden Vereinigungen suchte.
Sind Selfpublisher keine Schriftsteller?
Ich lernte, dass ich bei jeder in Frage kommenden Vereinigung erst einmal ins Kleingedruckte schauen und nachlesen muss, ob ich überhaupt erwünscht bin. Der größte Verband dieser Art, der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) führt beispielsweise in seinen Bedingungen aus:
Mitglied können alle haupt- und nebenberuflichen deutschsprachigen Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer sowie alle auf dem Gebiet der Bundesrepublik lebenden fremdsprachigen Schriftsteller werden, die ihr fachliches Können durch:
- eine (nicht selbstfinanzierte) Buchveröffentlichung,
[...]
nachgewiesen haben.Mitglied im VS werden
Da stellt sich die Frage, ob selbstpublizierende Schriftsteller ihr fachliches Können nicht nachweisen, wenn sie Bücher veröffentlichen. Ist ein Buch per se schlechter oder gar nicht einmal fachliches Können, wenn es im Selfpublishing erscheint? Im Falle des VS finde ich diese Regelung besonders befremdlich, da dieser Verband Teil der Gewerkschaft Verdi ist. Diese müsste doch erst recht ein Interesse haben, Selfpublisher zu vertreten. Schließlich sind diese den Marktgrößen, wie Amazon, ganz direkt ausgesetzt und die sind doch so etwas wie die natürlichen Feinde der Gewerkschaften.
Na ja, dachte ich mir, als Autorin heiterer Krimis könnte ich mich ja mal bei den Fachkollegen umsehen. Eine sehr bekannte Vereinigung ist Das Syndikat. Aber auch dort steht in den Bedingungen:
Das SYNDIKAT nimmt Kriminalschriftstellerinnen und Kriminalschriftsteller als Mitglieder auf, die mindestens eine selbstständige Veröffentlichung als Print- oder E-Book-Ausgabe in einem kommerziellen Verlag vorzuweisen haben.Mitglied im SYNDIKAT werden
Ist ein Krimi weniger Krimi, wenn er im Selfpublishing erschienen ist? Sind die Morde weniger tödlich? Warum also diese Regelung?
Aber nicht nur Verbände grenzen Selfpublisher schon mal aus. Ich schaue immer mal wieder, ob es interessante Wettbewerbe und Ausschreibungen gibt.
Kein Preis für Selfpublisher
Tatsächlich gibt es auch dort im Kleingedruckten Aussagen, die mich als Selfpublisherin ausgrenzen. Der DELIA-Literaturpreis soll beispielsweise die deutschsprachige Liebesromanliteratur fördern. Na, das ist doch quasi ein Heimspiel für das Selfpublishing. Dachte ich. Die Organisatoren von DELIA sehen dies aber anscheinend anders. Dort steht in den Bedingungen:
Ausgeschlossen vom DELIA-Literaturpreis sind:
[...]
-Bücher, die als Book on Demand oder bei anderen Druck- oder Dienstleistungsunternehmen bzw. im Selbstverlag (Selfpublishing) erschienen sind
-E-Books, die bei KDP, Tolino Media, neobooks oder in anderen Dienstleistungsunternehmen bzw. im Selbstverlag (Selfpublishing) erschienen sind
[...}DELIA-Literaturpreis 2017 - Ausschreibung
Die haben sich sogar die Mühe gemacht, die diversen Plattformen namentlich auszuschließen. Dabei setzt gerade neobooks als Tochter von Droemer-Knaur sehr auf Liebesromane.
Hürden einrennen oder ignorieren?
Wenn ich nicht zufällig nach passenden Verbänden gesucht hätte, wären mir diese Diskriminierungen nicht aufgefallen. Man könnte sie also einfach weiter ignorieren, zumal es auch viele Vereinigungen und Preise gibt, die Selfpublishern ebenfalls offenstehen. Also alles gut?
Nein, ich denke nicht. Diese Beispiele zeigen ein immer noch weit verbreitetes Denken, dass Selfpublishing anrüchig und minderwertig ist. Sie haben in etwa die gleiche Aussage, wie die früher verbreitete Meinung, Frauen könnten nicht hart arbeiten. Dies ist eine Diskriminierung und Herbwürdigung der engagierten Arbeit vieler Autorinnen und Autoren. Ich bin nicht sicher, ob alle der so verehrten Verlagsautoren in den letzten vier Jahren so viel Herzblut und Engagement in ihre Bücher gelegt haben, wie ich es getan habe.
Nur noch ca. 25% der Selfpublisher geben laut der letzten Studie an, selbst zu publizieren, weil sie keinen Verlag gefunden haben. Der Rest macht dies als bewusste Entscheidung. Man muss sich nun nicht jeden Tag über das verbohrte Denken von Teilen des Literaturbetriebes aufregen, aber man sollte auch nicht aufhören, dagegen zu arbeiten. Zum einen muss die Qualität von selbstverlegten Büchern überzeugen und zum anderen sind Initiativen, wie der Selfpublisher-Verband, ein guter Anfang. Es ist auf jeden Fall Bewegung im Markt. Mal sehen, was ich nach weiteren vier Jahren schreiben kann.