“Kinder sind die Zielscheibe der perfidesten Werbestrategien von Lebensmittelherstellern” warnt Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei der Verbraucherorganisation foodwatch. “Mit allen Mitteln versuchen die Unternehmen, den Einfluss der Eltern zu umgehen und Kinder für jene Produkte anzufixen, die die höchsten Gewinnmargen versprechen – und das sind nun einmal Süssigkeiten und Snacks.”
Zum fünften Mal vergibt deshalb foodwatch den Goldenen Windbeutel als Negativpreis für die Werbelüge des Jahres. Letztes Jahr zum Beispiel entfiel eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf Hipp. Die vorherigen Preisträger waren Ferrero (2011), Zott (2010) und Danone (2009).
Mit der Kür der dreistesten Werbemasche bei Kinderprodukten möchte foodwatch auch dieses Jahr das Thema Kinderlebensmittel in den Fokus rücken. Während auf der einen Seite Fehlentwicklungen bei der Kinderernährung – insbesondere Übergewicht – beklagt werden, wird die Lebensmittelindustrie nicht zur Verantwortung gezogen. In einem Marktcheck mit mehr als 1.500 Kinderprodukten hatte foodwatch 2012 nachgewiesen, dass 3/4 der gezielt an Kinder vermarkteten Industrieprodukte süsse und fettige Snacks sind. Mit Werbung fast ausschliesslich für unausgewogene Produkte verstärkt die Lebensmittelindustrie diesen Trend – gleichzeitig setzt sie darauf, die Erziehungshoheit der Eltern zu umgehen, indem sie Kinder über Sportvereine, Schulen und Kindergärten oder digitale Medien anspricht.
Ein paar Beispiel gefällig?
Capri-Sonne von Wild/SiSi-Werke (s. oben), nominiert für Schul-Marketing und Sport-Schwindel: Für die Wasser-Zucker-Aroma-Mixtur mit ein bisschen Fruchtsaft setzt Hersteller Wild auf die Nähe zum Sport: Er spricht Kinder bei gesponserten Sport-Events an und vergibt sogar ein eigenes Schwimmabzeichen. Ausserdem verbreitet Capri-Sonne Unterrichtsmaterial mit Markenlogo und Lernaufgaben zum Produkt – alles indirekte Werbung an den Eltern vorbei.
Monster-Backe Knister von Ehrmann für die Vermarktung überzuckerter Produkte als Spielzeug: Der Hersteller setzt alles daran, überzuckerte Produkte als Spielzeug zu vermarkten. Bei all den Knister-, Blubber- oder Zunge-Färb-Applikationen gerät schnell in Vergessenheit, dass der “Fun- und Action-Joghurt” mit ganzen acht Stück Würfelzucker pro 135-Gramm-Becher einfach nur eine reine Süssigkeit ist.
Pom-Bär von Funnyfrisch für ein Paradebeispiel scheinheiliger Werbebeschränkungen: Der Hersteller hat sich eine Selbstbeschränkung für “verantwortungsvolles Marketing” auferlegt, die Werbung an Kinder unter 12 Jahren grundsätzlich ausschliesst. Ausser, wenn die Produkte besondere Nährwert-Eigenschaften erfüllen… Diese Hürde überspringt nach funnyfrischs kreativer Definition sogar selbst der fettig-salzige Pom-Bär-Snack (2,5% Salz, 28% Fett), der mehr als fünf Mal so salzig und doppelt so fettig wie Pommes frites von McDonald’s ist. Der Snack wird kurzerhand als “kindgerecht” umgedeutet und kräftig weiter direkt an Kinder beworben!
Nestlé Kosmostars für Zucker-Kleinrechen-Tricks: Laut Nestlé ein “vollwertiger Start in den Tag” mit “Vollkorngarantie” – in Wahrheit schlicht eine Süssigkeit. “Weniger als 9 Gramm Zucker pro Portion”, wirbt Nestlé für seine Kinder-Frühstücksflocken – rechnet die “Portion” aber auf gerade einmal 30 Gramm klein. Tatsächlich stecken 25% Zucker in den Kosmostars, mehr zum Beispiel als in Butterkeksen!
Paula von Dr. Oetker für digitalen Kinderfang: Für den “Kuhflecken”-Pudding (mit 13% Zucker – mehr als in Dr. Oetkers Schokopudding) schlägt der Hersteller eine wahre Materialschlacht: Von Klingeltönen über eine iPhone-App bis Online-Karaoke zum Auswendiglernen des Paula-Kinder-Raps aus dem Werbespot. Höhepunkt: Internetspiele wie die “Flecken-Jagd”, bei der virtuelle Paulas so viele Puddings wie möglich einsammeln sollen.
Na, wie findet Ihr das? Wie bewusst ist Euch das alles?
Übrigens: Die Wahl findet vier Wochen lang auf www.goldener-windbeutel.de statt – und auf zahlreichen anderen Websites und Blogs. Je mehr Verbraucher abstimmen, je mehr Öffentlichkeit es für dieses Thema gibt, umso grösser der Druck auf die Unternehmen, endlich etwas an ihren Werbestrategien und den unverantwortlichen Kinderprodukten zu ändern.
Quelle: foodwatch