Frage: Wofür steht der Name Basinga, den Sie Ihrer Artisten-Truppe gegeben haben?
Bongonga: Basinga bedeutet in meiner Muttersprache Lingala so viel wie Seile bzw. Verbindungen, Brücken. Lingala wird unter anderem in der Demokratischen Republik Kongo gesprochen. Der Name passt also gut zur Identität und zum Willen des Unternehmens, Menschen zu treffen und zu versammeln, die sich für die besondere Aktivität des Balancierens auf dem Hochseil interessieren.Frage: Wo ist der Sitz Ihres Unternehmens in Frankreich?
Bongonga: Wir kommen aus einem Ort namens Sauve am Fuße der Cevennen-Berge zwischen Nimes und Montpellier in Südfrankreich. Einige von uns leben dort oder in der Nähe, aber andere kommen aus anderen Teilen Frankreichs, von der Atlantikküste bis zu den Alpen, vom Norden bis zum SüdenFrage: Waren Sie schon einmal beruflich in Portugal?
Bongonga: Ja, unsere Basinga-Compagnie trat 2016 in Lissabon beim Festival "Todos" auf. Und im vergangenen Jahr nahmen wir an einem Festival teil, das in Porto von der Fundação Serralves organisiert wurde. Einige unserer Künstler und Techniker haben bereits mit anderen Unternehmen in Portugal zusammengearbeitet, und alle scheinen glücklich zu sein, wieder hierhin ins Land zukommen.Frage: Haben Sie in Portugal auch schonmal einen Urlaub verbracht?
Bongonga: Natürlich, das haben einige von uns bereits getan, vor Kurzem oder auch länger zurückliegend.Frage: Kennen Sie eigentlich so etwas wie Angst, wenn Sie übers Hochseil laufen? Die Bilder von Ihrem Aufstieg auf den Montmartre-Hügel in Paris waren ja atemberaubend...
Sie kennt keine Angst beim Drahtseilakt
Bongonga: Angst wäre nicht die richtige Voraussetzung fürs Balancieren übers Hochseil. Wenn ich Angst hätte, würde ich nicht rausgehen. Natürlich gibt es ein Bewusstsein dafür, wie hoch man läuft, aber genau das hilft, sichere Schritte zu tun. Hochseilartistik ist mein Beruf und meine Leidenschaft, deshalb habe ich jahrelang trainiert. Ich gehe ein Risiko ein, aber kein größeres als beim Autofahren. Abgesehen davon, dass beim Fahren eines Autos die Aufmerksamkeit nachlassen kann. Auf dem Seil jedoch konzentriert sich der Körper, der sich so hoch über dem Boden befindet, automatisch auf die gesamte Umgebung und auf alles, was ihm hilft, sicher auf die andere Seite zu kommen.Frage: Warum benutzen Sie kein Sicherheitskabel?
Bongonga: Ich träge in meinem Kostüm eine Rettungsleine, die mir die Möglichkeit gibt, mich am Hochseil festzumachen, wenn sich die Bedingungen während des Laufs drastisch ändern. Aber wenn ich aufs Seil gehe, sind immer drei Bedingungen erfüllt: Das Setup ist getestet und gut, die Wetterbedingungen sind in Ordnung und auch meine mentale und physische Verfassung sind gut. Dann kann ich beginnen, übers Hochseil zu balancieren, ohne mich irgendwo fest zu machen. Ich vergleiche das oft mit Menschen, die Schwimmen gelernt haben. Wenn die Bedingungen gut sind und sich nicht ändern, wird wohl niemand mit einer Schwimmhilfe ins Wasser gehen."Beim Drahtseilakt lässt mich nichts die Kontrolle verlieren"
Frage: Wie kamen Sie mit Hochseil-Artistik in Kontakt? Was ist ihr beruflicher Hintergrund?
Bongonga: Ich habe in meiner Heimatstadt mit dem Balancieren auf dem Hochseil begonnen. Ich habe jemanden gesehen, der auf einem Kabel trainiert hat, das zwischen zwei Gebäuden gespannt war. Und ich wollte das Gleiche tun. Es war belebend und wichtig für mich. Ich war damals sieben Jahre alt, als ich eine Frau sah, die in der Nähe meines Wohnortes in der Normandie einen Drahtseilakt vollführte. Da wollte ich auch unbedingt über solch ein Kabel laufen. In meiner Stadt gab es eine Schule, die auf Hochseilartistik spezialisiert ist. Als ich acht Jahre alt war, habe ich dort mit Unterricht begonnen. Später, als Jugendliche, begann ich Psychologie zu studieren. Meine Vorstellung war, dass ich mit Menschen arbeiten wollte. Aber das Hochseil aus Draht hat mich zu sich zurückgerufen. Ich beendete mein Studium und ging an professionelle Zirkus-Schulen in Montpellier und Chalons en Champagne. Dort machte ich 2008 meinen Abschluss. Seitdem arbeitete ich als professionelle Hochseilartistin in verschiedenen Unternehmen. Im Jahr 2014 haben wir dann Cie Basinga gegründet. Und was ist, wenn eine Fliege Sie mal stören sollte?Frage: Was wäre, wenn eine Fliege oder ein anderes Insekt sie bei einem Ihrer Spaziergänge übers Hochseil stören würde? Ist das schon passiert?
Bongonga: Nichts stört mich. Ich habe überhaupt kein Problem mit Insekten oder etwas anderem, wenn ich übers Hochseil balanciere. Ich behalte die Kontrolle und ich bleibe entspannt.Frage: Wie wichtig ist für Sie die Musik? Welche Rolle spielt sie während der Shows?
Bongonga: Musik ist während meiner Shows sehr wichtig. Es gibt einen echten Austausch zwischen den Musikern und dem, was auf dem Hochseil passiert. Musik bringt mich dazu, mich auf dem Kabel vorwärts zu bewegen und meine Bewegungen verändern wiedrum die Musik, die von unten kommt. In manchen Momenten bin ich es, die zum Tanzen animiert, in anderen Momenten sind es die Musiker unten am Boden. Die Präsenz und die Standorte der Musiker geben mir oft die Möglichkeit, den Raum, durch den ich mich bewege, anders zu sehen und zu hören.Frage: Wie schafft man es, ein Orchester, eine Band hauptsächlich aus Einheimischen zusammenzustellen?
Beim Drahtseilakt in Aljezur machen Zuschauer die Musik
Bongonga: Unser Projekt "Traversée" in Aljezur und Monchique ist eins, bei dem wir uns als Compagnie so oft wie möglich mit der örtlichen Bevölkerung treffen und austauschen wollen. Um dies zu erreichen, versuchen wir, durch Workshops in Aljezur und Monchique und unsere Präsenz vor Ort Gelegenheit zu geben, an einem Abenteuer teilzunehmen. Wir laden die Menschen - zum Beispiel auch Feuerwehrleute und Schülerinnen und Schüler - ein, auf Seilen zu gehen, mit uns zu musizieren, sich Kostüme auszudenken, das Kabel für den "Spaziergang" aufzubauen und zu stabilisieren. Einer unserer vier Musiker, Adrien, ist nicht nur Saxophonist, sondern auch Maestro und eine Art Koch. Durch die offene Ausschreibung des Projekts "Lavrar o Mar", gefördert vom Kulturprogramm 365 Algarve, konnten wir etwa 15 Musikerinnen und Musiker unterschiedlichen Alters und Hintergrunds zusammenzubringen. Sie haben während mehrerer Proben mit Rémi, einem Musiker aus dem Lavrar o Mar-Team, mit Adrien und den anderen Basinga-Musikern daran gearbeitet, sich auf ihre Rolle innerhalb der originellen Musikdarbietungen der Show vorzubereiten. Video zum Drahtseilakt von Tatiana-Mosio Bongonga am 21. Juli 2018 am Montmartre in der französischen Hauptstadt ParisFrage: Worin besteht für Sie der Unterschied zwischen einem Gang auf den Montmartre-Hügel in Paris und einem an der Algarve?
Bongonga: Ich weiß es, offen gesagt, nicht. Alles oder nichts ändert sich. Es ist immer die gleiche Verbindung zwischen zwei Punkten, aber die Landschaft, die Menschen, die Musik sind unterschiedlich. Also: Es ist anders, aber auch gleich...Frage: Wie wichtig sind die Reaktionen des Publikums für Sie und das gesamte Team?
Bongonga: Für uns alle ist es wichtig, diese Momente gemeinsam zu erleben.Drahtseilakt in Aljezur: 150 Meter langes Kabel in 27 Metern Höhe
Frage: Wie viele Meter über dem Boden werden Sie das Seil in Aljezur installieren?
Bongonga: In Aljezur wird das Laufseil etwa 150 Meter lang sein und in einer maximalen Höhe von rund 27 bis 30 Metern gespannt sein. Die Strecke führt von Hügel zu Hügel über ein Tal in der Nähe des Strandes, von wo aus das Publikum die Performance verfolgen kann.Frage: Wie wird das Seil befestigt? An Felsen oder Bäumen? Es ist eine sandige Gegend.....
Bongonga: Wir arbeiten in einem Nationalpark. Also müssen wir noch auf die Genehmigung unseres Stellplans warten. Die Idee ist, den Draht am Berg zu befestigen, indem wir Metallpfähle, also längere Nägel, wie sie für große Zelte verwendet werden, mit der Hand in den Boden treiben. Wegen der sandigen Bedingungen werden wir wahrscheinlich viele davon benötigen. Aber wir werden nicht den Strand selbst oder die Dünen nützen, denn die sind ein stark geschütztes Gebiet.Frage: Was können Sie uns über die Kostüme verraten, die jeder mithelfen kann, für die Veranstaltung in Aljezur vorzubereiten - vom 8. bis 20. April täglich im Espaço + in Aljezur und vom 10. bis 12. April im Casa dos Avós in Monchique?
Bongonga: Die zu "Traversée" gehörenden Kostüme werden von der Designerin Solenne Capmas entworfen. Sie führt zwei Wochen vor dem Auftritt am 21. April einen offenen Workshop in Aljezur durch. Die Kostüme befinden sich immer in einer fortwährenden Weiterentwicklung, da die Workshop-Teilnehmer ihre persönliche oder regionale Note hinzufügen können, indem sie Teile kreieren, die hinzugefügt werden. Dafür haben wir viel Wolle, Stoffe, Farbe und - vor allem - Zeit... Traversée wurde erst dreimal veranstaltet, so dass jeder Ort eine Spur in unserem Kleiderschrank hinterlassen hat. Wir sind gespannt, was hier in Portugal passieren wird!