Denunzianten! Verräter! Nieder mit ihnen! Der Aufschrei, als die falsche Dokumentation mit einem selbstbewussten Breitmaulgrinsen ausgezeichnet wurde, hallte durch die Heimkinowohnzimmer. Ein geistiger Protestmob geiferte. Wie konnte "20 Feet from Stardom" nach dem Oscar greifen? Und nicht etwa "The Act of Killing"? Weil man sich nach Musik gut fühlt, aber nach dem Töten schlecht. Schlichte Antwort. Tatsächlich schimmert in Morgan Nevilles formidabel montiertem und engagiert gemeintem Backgroundsänger-Traktat eine uramerikanische Selbstverständlichkeit durch: Wenn du nichts zu erzählen weißt, erzähle das, was du erzählst, immer und immer wieder – und unterstehe dich, die blumigen Lobattacken deiner Worte kritisch zu schwächen. Das Ergebnis sind repetitive Interviews, in denen verrückt aufgelegte Entertainment-Prediger wie Bruce Springsteen, Stevie Wonder, Sting und Mick Jagger jenen großspurig huldigen (Lieblingswort: "incredible"), die sie zu dem gemacht haben, was sie heute sind: Botschafter einer Musik aus dem Zusammenhalt, die noch Musik, die noch Energie, befreiend und spirituell war und familiärer Halt. "20 Feet from Stardom" ist eine Außenseitergeschichte von aus dem Bühnenschatten heraustretendem Dekor, die den erfolgreichen Traum vom Aufstieg propagiert. Unter der Voraussetzung, seine Talente zu nutzen. So schmierig wie propagandistisch, so hartnäckig wie haftend. Ob man sich danach gut fühlt, sei dahingestellt. Man hat wenigstens pure, unverwüstliche Musik gehört.
4.5 | 10