Rechtzeitig zum Start der sechsten Staffel hab ich es also doch noch geschafft, meine Besprechung der fünften Staffel fertig zu schreiben. Die bekanntlich ein großer Umbruch war: Neuer Doctor mit Matt Smith, neue Companions mit Karen Gillan und Arthur Darvill und vor allem ein neues Produktions- und Autorenteam um Showrunner Steven Moffat. Weil es deswegen eben viel zu besprechen (und auch zu kritisieren) gibt, mach ich für diese Staffel zwei Beiträge: Diese allgemeinen Besprechungseintrag und später noch einen mit Reviews der einzelnen Episoden, wie es bisher für alle Doctor-Who-Staffeln gab.
REVIEW
Die sehr lange Zeitspanne zwischen Ausstrahlung der Staffel und dieser Review jetzt hatte durchaus was gutes: Ich mag die fünfte Staffel nun, nach dem inzwischen vierten kompletten Durchgang, deutlich lieber als nach dem ersten Gucken. Trotzdem: Es bleiben Probleme. Die überraschenderweise fast alle von dem Mann verschuldet sind, dessen Talent ich vor der Ausstrahlung uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht hab: Steven Moffat. Früher regelmäßig verantwortlich für die besten Episoden jeder Staffel, und nun mit der Aufgabe des Chefautors in meinen Augen weniger erfolgreich.
Da wäre der übergreifende Staffelhandlungsbogen, der eben nur teilweise funktioniert. Auf der einen Seite werden so einige Vorbereitungen auf die Ereignisse des Finales gut eingebunden – sie fallen während den einzelnen Folgen nicht allzu stark auf, beim Finale hat man aber schließlich das Gefühl, dass für bestimmte Dinge schon lange der Weg bereitet wurde. Auf der anderen Seite haben wir die ganze Sache mit den Rissen in Zeit und Raum – die ist prinzipiell ziemlich schick, hat aber auch enorme Probleme: Dieser Handlungsbogen wird uns wirklich mit dem Zaunpfahl eingetrichtert. Da gibt es die ausführliche Erklärung in der ersten Folge und darauf folgend immer wieder Auftritte des Cracks ohne jegliche Subtilität. Dieser stärkere Handlungsbogen wäre an sich kein Problem – wenn die ganze Riss-Sache besser zu den einzelnen Episodenhandlungen passen würde und nicht nur wie laute Hinweise auf das Finale wirken würden. So wie es ist stehen sie aber meist isoliert neben der eigentlichen Handlung und stören diese. Es funktioniert nicht, einen so deutlichen Handlungsbogen zu haben, aber den Doctor nicht ordentlich darauf reagieren zu lassen: Da stellt er selbst nach „Flesh and Stone“ fest, dass es das „single most important thing in the history of the entire universe“ ist, dass er ihrem Rätsel auf den Grund geht – und was tut er als nächstes? Urlaub in Venedig machen. Interessiert gucken, wenn er auf das Crack-Problem stößt, aber nichts unternehmen. Und diese Diskrepanz irritiert.
Zweites großes Problem ist Amy. Amy ist nicht schlechter als die Companions der Classic Series, deren Hauptaufgaben Stolpern und Kreischen waren, aber nach den sehr gut geschriebenen, runden Companions der RTD-Zeit ist es schon ein deutlicher Abstieg – gerade, wo wir doch erst mit fantastischen Figuren wie Donna und Wilf verwöhnt wurden.
Amy bleibt einfach eine leere Hülle, die rund um die Uhr forsche Kommentare loslässt, aber keine Emotionen zeigt. Gewitzte One-Liner sind ihre Reaktion auf praktisch alle Situationen. Sei es die erste Reise in die Vergangenheit, der erste fremde Planet, Amy in Todesgefahr oder ehrliche und berechtigte Sorge von ihrem Verlobten. Das ist zum Teil die Schuld von Karen Gillan, die so manche Dialogzeile anders sprechen können hätte um ihre Figur glaubwürdig zu machen, aber es ist vor allem die Schuld der Autoren – sowohl Moffat als auch den meisten anderen.
Es mag Gründe dafür geben, warum Amy so handelt wie sie es tut – doch die sind eher mager, kommen zum Teil erst zu spät und vor allem ändert das nichts daran, dass Amy fürchterlich unsympathisch wirkt. Hoffen wir, dass die nächste Staffel da besseres bringt: Weniger forsche One-Liner und mehr echte Persönlichkeit.
Mit diesen beiden Punkten hängt ein weiterer zusammen, der aber auch noch darüber hinaus geht: Im Vergleich zu den RTD-Staffeln ist diese fünfte Staffel deutlich weniger emotional, was man zwar auch einfach als anderen Stil sehen kann, aber sich für mich doch einfach negativ auswirkt. RTD-Staffeln waren voller Wärme und besiedelt mit Figuren, mit denen man mitfühlen und mitleiden konnte, weil sie einem einfach sympathisch waren. Praktisch jede dieser Episoden bot irgendeine Szene, bei denen mir die Tränen kommen – sowohl aus Trauer oder aus Freude.
Ja, ich bin eine elendige Heulsuse bei Filmen und Serien, aber ich mag das so. Völlig anders eben diese fünfte Staffel, die sich kälter und distanzierter anfühlt. Auch hier gibt es interessante Figuren, aber keine zum richtig mitleiden. Erst gegen Ende der Staffel tut sich in der Hinsicht mehr: „Vincent and the Doctor“ ist wunderbar emotional und am Ende vom Staffelfinale bekommt das auch endlich Moffat wieder hin mit ein paar sentimentalen Szenen.
So wie es zur RTD-Zeit immer wieder so klassisch-alberne Momente gab, bei denen man immer etwas aufstöhnen musste, gibt es auch bei Moffat diverse Zutaten, die er liebend gern einsetzt und die doch ziemlich nerven. Beispielsweise der inflationäre Einsatz von “Charakter X stirbt, dramatische Sterbeszene – oh, ist ja doch nicht tot, dank herbeigezauberter Lösung”-Szenen. Oder der extrem freie Umgang mit den Gesetzen der Zeitreisen, die Doctor Who etabliert hat. Ich will hier nicht auf irgendwelchen Prinzipien herumreiten und beharren, dass immer alles befolgt wird, was in irgendeiner Episode behauptet wurde (bei so einer langen Serie völlig unmöglich) – aber der Grundsatz, dass man nicht in der Zeit zurückreisen kann, wenn man Teil der Ereignisse geworden ist, ist einfach sehr, sehr wichtig.
Ohne dieses Prinzip wären alle Doctor-Who-Folgen sinnlos, denn warum reist der Doctor nicht einfach zurück und verhindert, dass Bösewicht XY irgendwas anstellt? Es ist jetzt kein Weltuntergang, wenn Moffat diesen Grundsatz hin und wieder fallen lässt – aber es tut der Serie auch nicht gut. Lieber etwas weniger “cleveres” timey-wimey und dafür bessere Charaktere.
Natürlich gibt es aber auch vieles gutes an dieser fünften Staffel. Allen voran Matt Smith als elfter Doctor. Schon im Verlauf der ersten Folge dürfte er den vielen Zweiflern gezeigt haben, dass er ein wunderbarer Doctor ist – sehr schrullig und „außerirdisch“, sehr witzig und aufgedreht, aber auch mit der nötigen Tiefe und einem sehr schönen Gespür für das hohe Alter des Doctors. So gilt auch weiterhin das schöne Prinzip, dass auch mittelmäßige Doctor-Who-Folgen sehr schön anzusehen sind, weil einfach der Protagonist immer eine Freude ist und praktisch alle Szenen mit ihm automatisch gut sind.
Auch auf der Companion-Seite ist trotz meinen Problemen mit Amy nicht alles verloren. Zum Glück gibt es da nämlich auch Amys Verlobten Rory, der in einigen Folgen mit dabei ist, und der all die Menschlichkeit abbekommen hat, die Amy fehlt. Er zeigt, wie wohl jeder von uns würde, Unsicherheit und manchmal Unbeholfenheit gegenüber Aliens, gleichzeitig hat Rory aber auch den Mut, sich gegen den Doctor zu stellen und diesem seine Fehler vorzuwerfen, und vor allem auch um Amy um jeden Preis zu schützen. Ein Charakter also, mit dem wir uns identifizieren können, und den wir genauso als ordentlichen Held bewundern können. Und es macht Amy nur noch unsympathischer, wenn sie ihn häufig herablassend behandelt.
Daneben treffen wir auch River Song wieder in ein paar Folgen, die Moffat ja schon in der vierten Staffel eingeführt hat. Ich mag River auch sehr gern und find die sie umgebenden Geheimnisse spannend, und sie hat auch mit dem elften Doctor eine sehr gute Chemie und einige sehr schöne Szenen. Und ich freu mich darauf, in der kommenden Staffel mehr von ihr zu sehen, wenn ihr Geheimnis gelüftet werden soll.
Und auch wenn ich jetzt oben viele Probleme aufgezählt habe, sind doch die allermeisten der Episoden der fünften Staffel gut und sehr unterhaltsam. Man hätte nur von Steven Moffat mehr erwartet, und diese Enttäuschung wiegt schon schwer.
Aber die Aussichten auf die sechste Staffel sind gut: Die Erwartungen an Moffat sind deutlich heruntergeschraubt, vom Doctor wird man weiterhin wunderbare Szenen bekommen und ein wenig Hoffnung auf eine besser geschriebene Amy besteht ja auch.