Die Zeichen stehen auf Markenzeichen

Kürzlich ließ ich mich zu einer Fiktion hinreißen - im Angesicht von ACTA malt sich jeder so sein Szenario aus. Nun bin ich erstaunt darüber, dass es mir an Phantasie mangelt, denn mein Szenario ist so szenisch und phantastisch gar nicht. Worte sind schon heute käuflich, auch wenn dahinter nichts steckt, was eigentlich eine Marke ausmachte. Occupy Germany ist keine Bewegung mehr, es ist eine eingetragene Marke. Und all das geschah schon bevor Rechtspopulisten dort hineinfühlten.

Ich kam bislang nicht auf die abgefeimte Idee, mir mein ad sinistram schützen zu lassen, es zur Marke zu machen. Kostet das eigentlich was? Ad sinistram ist aber auch kein wahlloser Name. Es stammt aus der Militärsprache - Links um! eben. Das hat mir mancher schon zum Vorwurf gemacht. Pazifisten, die das ärgerte oder Dreiviertel-Nazis, die damit untermauern wollten, dass der Linke ein ganz militaristischer Grobian ist. Leute halt, die nicht einsehen wollen oder aus ideolgischen Gründen können, dass eine Zigarre manchmal auch nur eine Zigarre sein kann.

Ich begreife es ja. Man muß seine Marke schützen - Schaden vom Projekt abwenden und so. Kann ich schon nachvollziehen. Man male sich mal aus, Marken würden keinen Schutz erfahren, beispielsweise RTL wäre schutzlos der Markenpiraterie ausgeliefert. Nicht, dass ich mich hernach via Piratensender als RTL-Beirat ausgebe und eine große Bildungsoffensive verkünde. Das könnten die Konsumenten des Senders, liebevoll Zuschauer genannt, falsch verstehen. Das Image der Marke würde leiden. Man hat schließlich einen Ruf, den es zu verteidigen gilt. Vielleicht war das ja Ihre Denke, Frau Anwältin Jakobs - ich erlaube mir mal, Sie direkt anzusprechen. Nachvollziehbar, dass Sie Occupy Germany vor solchen Spaßvögeln bewahren wollten. Wobei Henkel auf mich nicht wie ein humoriger Kerl wirkt...

Darf ich eigentlich Occupy Germany schreiben und als Begriff verwenden? Oder wäre das Product Placement? Oder ist schon die Nennung tabu, so wie im alten Ägypten zeitweilig der Name des amtierenden Pharao? Occupy Germany, darf ich das schreiben?

Der Unterschied zu RTL und Occupy Germany ist aber, dass ich als Mitglied oder Angestellter der ersteren Marke etwas habe, womit ich mich ausweisen kann - sei es nur der Firmenausweis oder ein Arbeitsvertrag. Welchen Beleg erhalte ich als Demonstrant bei Occupy Germany? Eine Protestbewegung ist doch kein Unternehmen - höchstens für viele eine Unternehmung für das Wochenende. Anders gefragt: Wenn ich bei einer Veranstaltung von Occupy Germany teilnehme, hernach hier ein wenig davon berichte, unterlegt mit meiner eigenen Meinung, schade ich dann der eingetragenen Marke Occupy Germany?

Ich meine, um freie Meinung ging es doch dieser Bewegung ursprünglich, bevor sie in ein einschnürendes Markenkorsett gezwängt wurde. Es ist doch die Meinungsfreiheit, die Occupy Germany erst möglich machte. Seien wir froh, dass es sie noch gibt. Schön eingeschränkt durch die Medienallmacht, aber immerhin: sie gilt praktisch theoretisch noch. Problem ist nur, dass eingetragene Marken freie Meinung als etwas Feindliches wahrnehmen. Zwangsläufig, denn die Marke gibt das typisch Korsetthafte, in Wespentaille Zwängende vor - und die freie Meinung weicht gerne mal ab.

Kann ich an einer Kundgebung teilnehmen und ein Schild hochhalten, auf dem steht Wir sind Occupy Germany! und kann ich mich ganz offen als Teil des Ganzen fühlen? Ich meine, ich würde mir damit eine Marke aneignen, die nicht mir gehört. Letztlich, Frau Anwältin Jakobs, könnten Sie auch Mitgliedsbeiträge erheben, sodass man sich in die Marke hineinkaufen kann und ein Mitmachrecht bekommt.

Ich wundere mich nur... oder ich sage es so: ich bin enttäuscht. Denn ich hegte die Hoffnung, dass Occupy Germany etwas wird, dass nicht nur sektiererisch gegen die Bankenwillkür aufsteht, sondern gegen das ganze verruchte System, das alles verwurstet, was nur zur Wurst taugt. Ich hoffte, mit der Kritik an den Bankstern, an der Spekulativwirtschaft und so weiter, würde auch endlich diese haarsträubend protestantische Arbeitsmoral, der alltäglich erzeugte Druck, der Konsumterror, die Durchgläserung des Bürgers für wirtschaftliche Zwecke und so weiter auf den Prüfstand gehoben. Über Bankster-Parolen ging es bis dato aber nicht hinaus - und dann wird auch noch die Bewegung um ihre Beweglichkeit gebracht und zur starren Marke patentiert. Alles wogegen man auflief, wogegen man auf die Straßen pilgerte, schlägt sich jetzt kontrapunktisch in der Patentierung des Begriffes Occupy Germany nieder.

Ist Occupy Germany jetzt eine Art Lifestyle-Vermarktungsunternehmen? Ist die Marke ein Lebensgefühl? Wo bleiben die Inhalte? Eine Marke orientiert sich an der Kundschaft. Bleibt die aus, muß sie reagieren, sich verändern, um der Klientel (wieder) zu gefallen. Droht das auch der Marke Occupy Germany? Bedeutet das, dass der Inhalt der Marke variabel ist, wenn nur das Markenlogo weiterhin präsent bleibt? Wenn die Laufkundschaft ausbleibt, dann muß man seinen Laden eben so modernisiern, dass er ansprechender aussieht und zum Betreten einlädt. Marken handhaben das so. Inhalt ist nichts, die Marke alles. Droht das? Berechtigte Fragen, finde ich.

No Logo! würde ich mir wünschen - ich halte den Markenwahn, der schon auf Schulhöfen beginnt, für die Basis der kapitalistisch-konsumistischen Welt. In den Schulpausen spottet die zukünftige Kundschaft über diejenigen, die nicht dasselbe Faible für markenorientierte Lebensart pflegen. Dort werden Grundsteine für den Konsum gelegt. Und dann soll ich einer Marke nachlaufen? Das irritiert mich schon - genau diese Haltung wollte ich nicht mehr; ich hoffte, Occupy Germany würde diese Haltung auch einnehmen. Und siehe da, jetzt ist es selbst Marke. Marken sind nicht tolerant, sie wollen ausschließlich, wollen Hegemon sein - das macht sie so unsympathisch. Ich hoffte, Occupy Germany würde etwas Bescheidenheit ins Feld führen. Demütig gegen die Ökonomisierung streiten - und nicht selbst ökonomisch werden. Als Marke ist Occupy Germany nun das geworden, wogegen unter anderem auch gestritten werden sollte: gegen das Markenkartell, gegen die Omnipräsenz der Konzerne...


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