Die Wilde Jagd
„Uhrwald Orange“
(Bureau B)
Was das nun wieder ist? Keine Ahnung. Egal, so lange es so gut klingt. Nun, ganz so einfach sollte man sich das vielleicht auch wieder nicht machen, denn wer in den letzten Jahren etwas aufgepasst hat, dem sind zumindest die folgenden beiden Namen ein Begriff. Sebastian Lee Philipp zunächst als studierter Songschreiber und Multiinstrumentalist, Hälfte des Elektropop-Duos Noblesse Oblige, der unter dem Pseudonym Die wilde Jagd 2015 das gleichnamige Debüt veröffentlichte. Und zwar gemeinsam mit dem kongenialen Partner Ralf Beck, Herr über tausendundeins Soundeffektgerätschaften und ausgestattet mit der Schlüsselgewalt über das Berliner Tonstudio Uhrwald Orange. Dorthin genau hatte sich Philipp vor einiger Zeit zurückgezogen, um seinen wilden und durchaus ungewöhnlichen Ideen Raum zu geben, zu basteln, zu schrauben – und fand wiederum in Beck den passenden, weil erfahrenen Produzenten, der nunmehr nicht als Mitstreiter fungierte, sondern dem Werk eher die Richtung, Tiefe und technische Brillanz verpaßte, mit dem es jetzt zu begeistern vermag.
Stilistisch läßt sich das Ganze sehr schwer eingrenzen, Goth-Trance, Urkrautrock, psychedelischer Synthpop, es gibt ja kaum ein Genre, daß Philipp nicht zu kreuzen bereit ist und selbst mit dem Fingerzeig des Labels, er habe sich zu gleichen Teilen von dem Gemälde „Tiere der Nacht“ des flämischen Malers Frans Snyders und dem spätmittelalterlichen, katalanischen Liederzyklus „Rotes Buch von Montsserat“ inspirieren lassen, läßt sich herzlich wenig anfangen. Es führt einen nun noch weiter in den labyrinthischen Kosmos des Künstlers hinein, bevölkert von sagenhaften Wesen, Weisen und Texten und vertont mit einer Vielzahl verschiedenster Klangfarben auf der reichhaltigen, dunkelbunt schillernden Arbeitspalette. Man möchte Begriffe wie „Mantra“, „Sog“ und „hypnotisch“ nicht über Gebühr strapazieren, hier aber sind sie so treffend wie selten angebracht, weil den acht Stücken des Albums genau das zuteil wurde, was anderswo oft fehlt: Zeit.
Philipp läßt ihnen tatsächlich sehr viel Raum zum Wachsen, schon der erste Track „Flederboy“, instrumental wie der Großteil des Albums, bekommt mehr als eine Viertelstunde, um sich einzuschwingen. Das Ergebnis ist, wie auch im weiteren Verlauf des knapp achtzigminütigen Werkes, schlicht und wortwörtlich berauschend, die Fülle an Geräuschen, komplexen Schichtungen, Instrumentierungen, die Dreingabe von Chorälen, rätselhaften, teils mytischen Rezitativen und Textfragmenten ist so kunstvoll geraten, daß man sich gern in diesen rhythmischen Malstrom hineinziehen läßt. Denn hier liegt die zweite Qualität von „Uhrwald Orange“ – der organisch anmutende Vibe, Groove, Beat (you name it) ist zwingend, verführerisch, ja ausweglos. Zuweilen erinnert das auch an den Erstling der Schwedin Karin Dreijer Andersson aka. Fever Ray (die ja mittlerweile eher in Richtung Tanzmusik unterwegs ist), wobei die Esoterik hier noch durch mittelalterliche oder auch alttestamentarische Bezüge ergänzt wurde.
Etwas düster ist das natürlich schon, wenn die „Säuregäule“ oder „2000 Elefanten“ durch eine „Fremde Welt“ stampfen, wo fahlen, zerbrechlichen Wesen das Blut durch des Ginsters Gift gefriert – aber es ist nicht die krankhaft irre Endzeitkulisse eines Hieronymus Bosch, die das Bild bestimmt. Eher ein Tagtraum, ein Trugbild, dem man übernächtigt und hochkonzentriert folgt, voller Neugierde, was sich bei all dem geheimnisvollen Raunen, Knirschen und Rauschen wohl hinter der nächsten Biegung erhebt. Philipp hat das Beck’sche Studio als Abenteuerspielplatz für seine Fantasie genutzt und mit dem vorauseilenden Schauder kindlicher Entdeckerfreude verknüpft: „Ich will die Studiogeräte zum Singen bringen und eine Klangwelt erschaffen, in der jeder Ton und Effekt eine Stimme bekommt. Eisenschellen werden zu Hufgetrappel, Synthesizerklänge zu Krähenrufen und der Plattenhall zu Donner. Alle Elemente wurden so zu den Einwohnern und Naturmächten des Uhrwalds Orange.“ Wir wären verrückt, wollten wir ihm nicht folgen.
12.06. Berlin, Berghain Kantine
13.06. Hamburg, Club!heim
14.07. Düsseldorf, Open Source
29.07. Wien, Creau
25.08. Schwabmünchen, Singoldsand Festival
„Uhrwald Orange“
(Bureau B)
Was das nun wieder ist? Keine Ahnung. Egal, so lange es so gut klingt. Nun, ganz so einfach sollte man sich das vielleicht auch wieder nicht machen, denn wer in den letzten Jahren etwas aufgepasst hat, dem sind zumindest die folgenden beiden Namen ein Begriff. Sebastian Lee Philipp zunächst als studierter Songschreiber und Multiinstrumentalist, Hälfte des Elektropop-Duos Noblesse Oblige, der unter dem Pseudonym Die wilde Jagd 2015 das gleichnamige Debüt veröffentlichte. Und zwar gemeinsam mit dem kongenialen Partner Ralf Beck, Herr über tausendundeins Soundeffektgerätschaften und ausgestattet mit der Schlüsselgewalt über das Berliner Tonstudio Uhrwald Orange. Dorthin genau hatte sich Philipp vor einiger Zeit zurückgezogen, um seinen wilden und durchaus ungewöhnlichen Ideen Raum zu geben, zu basteln, zu schrauben – und fand wiederum in Beck den passenden, weil erfahrenen Produzenten, der nunmehr nicht als Mitstreiter fungierte, sondern dem Werk eher die Richtung, Tiefe und technische Brillanz verpaßte, mit dem es jetzt zu begeistern vermag.
Stilistisch läßt sich das Ganze sehr schwer eingrenzen, Goth-Trance, Urkrautrock, psychedelischer Synthpop, es gibt ja kaum ein Genre, daß Philipp nicht zu kreuzen bereit ist und selbst mit dem Fingerzeig des Labels, er habe sich zu gleichen Teilen von dem Gemälde „Tiere der Nacht“ des flämischen Malers Frans Snyders und dem spätmittelalterlichen, katalanischen Liederzyklus „Rotes Buch von Montsserat“ inspirieren lassen, läßt sich herzlich wenig anfangen. Es führt einen nun noch weiter in den labyrinthischen Kosmos des Künstlers hinein, bevölkert von sagenhaften Wesen, Weisen und Texten und vertont mit einer Vielzahl verschiedenster Klangfarben auf der reichhaltigen, dunkelbunt schillernden Arbeitspalette. Man möchte Begriffe wie „Mantra“, „Sog“ und „hypnotisch“ nicht über Gebühr strapazieren, hier aber sind sie so treffend wie selten angebracht, weil den acht Stücken des Albums genau das zuteil wurde, was anderswo oft fehlt: Zeit.
Philipp läßt ihnen tatsächlich sehr viel Raum zum Wachsen, schon der erste Track „Flederboy“, instrumental wie der Großteil des Albums, bekommt mehr als eine Viertelstunde, um sich einzuschwingen. Das Ergebnis ist, wie auch im weiteren Verlauf des knapp achtzigminütigen Werkes, schlicht und wortwörtlich berauschend, die Fülle an Geräuschen, komplexen Schichtungen, Instrumentierungen, die Dreingabe von Chorälen, rätselhaften, teils mytischen Rezitativen und Textfragmenten ist so kunstvoll geraten, daß man sich gern in diesen rhythmischen Malstrom hineinziehen läßt. Denn hier liegt die zweite Qualität von „Uhrwald Orange“ – der organisch anmutende Vibe, Groove, Beat (you name it) ist zwingend, verführerisch, ja ausweglos. Zuweilen erinnert das auch an den Erstling der Schwedin Karin Dreijer Andersson aka. Fever Ray (die ja mittlerweile eher in Richtung Tanzmusik unterwegs ist), wobei die Esoterik hier noch durch mittelalterliche oder auch alttestamentarische Bezüge ergänzt wurde.
Etwas düster ist das natürlich schon, wenn die „Säuregäule“ oder „2000 Elefanten“ durch eine „Fremde Welt“ stampfen, wo fahlen, zerbrechlichen Wesen das Blut durch des Ginsters Gift gefriert – aber es ist nicht die krankhaft irre Endzeitkulisse eines Hieronymus Bosch, die das Bild bestimmt. Eher ein Tagtraum, ein Trugbild, dem man übernächtigt und hochkonzentriert folgt, voller Neugierde, was sich bei all dem geheimnisvollen Raunen, Knirschen und Rauschen wohl hinter der nächsten Biegung erhebt. Philipp hat das Beck’sche Studio als Abenteuerspielplatz für seine Fantasie genutzt und mit dem vorauseilenden Schauder kindlicher Entdeckerfreude verknüpft: „Ich will die Studiogeräte zum Singen bringen und eine Klangwelt erschaffen, in der jeder Ton und Effekt eine Stimme bekommt. Eisenschellen werden zu Hufgetrappel, Synthesizerklänge zu Krähenrufen und der Plattenhall zu Donner. Alle Elemente wurden so zu den Einwohnern und Naturmächten des Uhrwalds Orange.“ Wir wären verrückt, wollten wir ihm nicht folgen.
12.06. Berlin, Berghain Kantine
13.06. Hamburg, Club!heim
14.07. Düsseldorf, Open Source
29.07. Wien, Creau
25.08. Schwabmünchen, Singoldsand Festival