Die traurige Geschichte der Victoria B. – junge Mutter und geistig behindert

Dies ist die Geschichte einer sogenannt geistig behinderten jungen Frau, die schwanger wurde und ein Kind zur Welt brachte. Es ist eine ebenso wahre wie traurige Geschichte, die nicht in einer fernen Vergangenheit spielt, sondern heute mitten unter uns – genauer in Oberbayern.

Was mag in deinem Herzen vorgegangen sein an jenem 2. März 2011, als du einen Sohn gebarst und er dir von Amtes wegen weggenommen wurde? Es war nicht der erste amtliche Eingriff in dein Leben, aber wohl der heftigste. Einige Monate zuvor, kurz nachdem deine Schwangerschaft ärztlich bestätigt wurde, hatte man dich deiner Familie entrissen – und deinem Verlobten. Dein Arzt hatte ihn angezeigt wegen Verdachts auf «Missbrauch bei einer Widerstandsunfähigen». Und von deiner Mutter wurdest du getrennt, weil der Verdächtigte im selben Haushalt lebt und sie dann fast schon automatisch unter den Verdacht der Komplizenschaft geriet.

Tabubrüche, aber keine Gesetzesbrüche
Das alles könnte die Folge eines tragischen Missverständnisses sein – und behördlicher Willkür, genährt von katholisch geprägten Moralvorstellungen und Vorurteilen. Anlass zu Fragen gibt es durchaus, ist doch der Vater des Kindes selbst nicht geistig behindert. Allein dies – dass sich also ein sogenannt nicht Behinderter mit einer Frau mit kognitiver Behinderung sexuell einlässt und auch noch dazu steht – ist schon ein Tabubruch. Hinzu kommt, dass er fast fünfzig Jahre älter ist und früher mit deiner Mutter in einem Liebesverhältnis stand. Es sind also grad ein paar Tabus, die den Behörden zu beissen geben mussten. Doch Tabubrüche sind grundsätzlich noch keine Gesetzesbrüche, die ein richterliches Einschreiten rechtfertigten. Der Verdacht des Missbrauchs ist inzwischen juristisch ausgeräumt, das Verfahren eingestellt und die Vaterschaft anerkannt.  Trotzdem wächst das Kind bei einer dir unbekannten Pflegefamilie auf, und der Vater darf es nur unter behördlicher Aufsicht jeweils für eine Stunde monatlich sehen. Er steht voll und ganz zu dir und eurem Kind und kämpft mit rechtlichen Mitteln, mit euch beiden zusammenleben zu können. Wann hast du dein Kind das letzte Mal gesehen?

Du lebst gegen deinen deutlichen Willen im Wohn- und Pflegeheim «Barmherzige Brüder», ziemlich abgeschirmt von deiner Familie und deinem Verlobten. Du willst nichts lieber, als nach Hause gehen. Auch nach über zwei Jahren Aufenthalt bei den «barmherzigen» Brüdern hast du dich nicht eingelebt. Und wenn du aufbegehrst, bekommst du Medikamente …

Ist Oberbayern ein sozialpädagogisches Entwicklungsland?
Natürlich kämpft auch deine Mutter mit (fast) allen Mitteln darum, dass deine Zwangseinweisung ins Wohn- und Pflegeheim aufgehoben wird und die Familie wieder zusammen sein kann. Auch eure Liebesbeziehung unterstützt sie von ganzem Herzen. «Es steckt so viel  Poesie und Magie in dieser Liebe, fernab von dieser  Welt», wie sie schreibt. Wer kann dir verdenken, dass du dich auf einen so viel älteren Mann eingelassen hast? Endlich war da jemand, der dich nicht zuvorderst als Behinderte wahrgenommen hat, sondern als Mensch – und dann als Frau. Doch musste es gleich ein Kind sein? Das, ich weiss, lag nicht in deiner Entscheidungsgewalt. Doch in seiner hätte es gelegen.

Was mag in deinem Herzen vorgehen, Victoria? Und hat dich schon jemand von den Ämtern und den «barmherzigen» Brüdern danach gefragt? Wurde je dein Wille und dein Empfinden in die behördlichen Überlegungen einbezogen? Statt mit dem juristischen Stahlbesen einzufahren, hätte es einen sozialpädagogischen Dialog gebraucht, wo deine und deines Kindes Interesse im Zentrum stünden. Was, wenn solch Naheliegendes, das vielenorts zur Grundausstattung eines professionellen Umgangs mit Behinderten gehört – auch mit geistig Behinderten –, in Oberbayern schlicht jenseits des Begriffshorizontes mancher Behörden und offenbar auch Betreuenden gehört? Man müsste Oberbayern zum sozialpädagogischen Entwicklungsland erklären.

Doch das nützt dir nichts. Zunächst muss, so fürchte ich, die Rechtslage geklärt werden. Erst dann kann die verfahrene Situation vom menschlichen – und sozialpädagogischen – Gesichtspunkt her neu gefasst und hoffentlich sachbezogener gelöst werden. Ich wünsche dir und deinem Kind, dass das möglichst bald der Fall sein wird.

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Quelle und nähere Angaben: «Freiheit für Victoria»

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