In Deutschland wächst die Empörung über die Überwachung der Bevölkerung durch den amerikanischen NSA, auf den Zug der Empörung sind auch etliche PolitikerInnen aufgesprungen, auch Mitglieder der regierenden Koalition. Ihre Empörung über die Überwachung von Anrufen, Emails und SMS bleibt scheinheilig, da sich die Praxis wenig von der Überwachung durch eigenen Institutionen unterscheidet.
Angela Merkel und Innenminister Friedrich wollen in den kommenden Wochen mit „aller Entschiedenheit“ bei den US-Behörden fragen wollen, warum und in welcher Form die Amerikaner die Internet-Kommunikation von Millionen Europäern ausspioniert haben. Empört sind sie beide über die Überwachung von BürgerInnen, Empörung die von der eigenen Überwachung von Menschen ablenken soll.
Keine Antwort auf eigene Überwachung
Auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Jan Korte, Andrej Hunko, Jan van Aken im Namen der Linksfraktion antwortete die Regierung:
Einzelheiten (der Überwachung) im übrigen können in diesem Zusammenhang nicht öffentlich dargestellt werden. Aus ihrem Bekanntwerden könnten sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure wiederum Rückschlüsse auf die Fähigkeiten und Methoden der Behörde ziehen. Im Ergebnis würde dadurch die Funktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörde und mithin die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
In der äußerst aufschlussreichen Kleinen Anfrage räumte die Bundesregierung die massive Überwachung in Deutschland ein:
Der Anteil der mittels Suchbegriffen auf den angeordneten Übertragungswegen zu überwachenden Übertragunskapazität (sic!) (§ 10 Abs. 4 S. 3 G10) liegt als Rohdatenstrom vor, nicht aber in Form einzelner Verkehre. Aus diesem qualifizierten sich im Jahr 2010 ca. 37 Mio. Emails anhand der Suchbegriffe. Diese wurden einer anschließenden SPAM-Filterung zugeführt. Die Größenordnung variiert abhängig von übertragungstechnischen Gegebenheiten und jeweils angeordnetem Suchbegriffsprofil. Bei den erfassten E-Mailverkehren lag der Anteil an SPAM bei etwa 90%.
Überwachung ist immer möglich
Die Bundesregierung gab in der kleinen Anfrage ebenfalls zu, dass die “Sicherheitsorgane” BND, der Militärische Abschirmdienst MAD, der Verfassungsschutz und das Zollkriminalamt (ZKA) alle technischen Möglichkeiten hätten, um sich jederzeit alle Daten, die von Interesse sind, zu beschaffen. In der Anfrage gibt die Bundesregierung zu, dass die Nachrichtendienste „grundsätzlich in der Lage“ ist, auch vermeintlich sichere Kommunikationswege wie PGP und Secure Shell zu kontrollieren.
Die beiden linken Abgeordneten Andrej Hunko und Jan Korte stellten anlässlich dieser kleinen Anfrage fest, dass„die vier Provider gegenüber dem Bundesnachrichtendienst zur vollständigen Übergabe aller Daten verpflichtet“ sind. Es handelt sich bei den Providern um Utimaco, Ipoque und Trovicor. Die Provider müssen alle Informationen bei der „Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestags“ hinterlegen. Auch Abgeordnete erhalten Einsicht nur nach dem Gutdünken der Regierung. Die Daten können weder von Anwälten, noch Netzaktivisten oder Datenschützern überprüft werden, da sie von der Bundesregierung keinen Zugang erhalten.
Diese können nicht öffentlich gemacht werden, da sie die Interessen und die Sicherheit der Bundesrepublik gefährden könnten, so die Aussage der Regierung, die sich nun in den USA gegen die Überwachung positionieren möchte.
Abgeordneten möchte „die Bundesregierung nach gründlicher Abwägung dem Informationsrecht des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen nachkommen.“ Dass diese auch nicht alle Informationen erhalten dürften macht die Bundesregierung dadurch deutlich, dass sie nicht garantieren will, „dass Abgeordnete, RechtsanwältInnen, JournalistInnen oder DiplomatInnen von den Spionagemaßnahmen ausgeschlossen werden“. Die Bundesregierung antwortet dazu:
Sofern im Rahmen der strategischen Fernmeldeaufklärung nach Abschnitt 3 des G10 Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Angehörige des entsprechend geschützten Personenkreises als Teilnehmer erfasst werden, wird durch zusätzliche Recherchemaßnahmen abgeklärt, ob ein materiell vergleichbarer Fall zu § 3b G10 vorliegt und die Erfassung gegebenenfalls rückstandslos gelöscht.
Die Linksfraktion hat schon etliche Erfahrung mit der Überwachung ihrer Abgeordneten durch Staatsorgane gemacht und dürfte daher über die Antwort nicht allzu verwundert gewesen sein.
In beiden Fällen wurde versucht die inländische Bevölkerung damit zu beruhigen, dass nur die Daten von “Ausländern” überprüft werden sollen, damit keine Staatsgeheimnisse aufgedeckt werden. Eine Beruhigung, die wenig realistisch erscheint bei 37 Millionen überwachten Emails alleine in Deutschland!