Die Russen kommen(1)

Haben Sie das Gefühl, dass Sie derzeit ausreichend über den sogenannten Krim-Konflikt informiert werden? Ich meine damit die Qualität, nicht die Quantität. Ich habe jedenfalls echte Probleme. Die hatte ich schon im Dezember, als das noch ein oppositionelles Aufbegehren in der Ukraine war. Über Monate hatte ich das Gefühl, nur die Hälfte der Geschichte zu hören; die andere Hälfte kommt jetzt gerade, quasi in Verkleidung, durch die Hintertür hereinspaziert.

Seit satten drei Monaten lesen wir faktisch nicht einen Satz über die Menschen in der Ukraine, die gerne ihre alte Regierung behalten hätten. Das war übrigens zu Beginn der Krise noch eine Minderheit, sofern man 46 Prozent als eine Minderheit bezeichnen möchte. Mittlerweile ist das keine Minderheit mehr, sondern bezeichnenderweise ein Gleichstand von 49 zu 49 Prozent. Was wissen wir von den 49 Prozent, die Janukowitsch gerne weiter als Präsidenten hätten und die sich schönere Dinge vorstellen können als sich der EU anzunähern? Wenn wir deutsche Medien lesen, sehr wenig. Wir können aber mutmaßen, dass sie nicht so wahnsinnig glücklich sind.

Auf der Krim handelt es sich bei denen, die Putin lieb haben, um eine deutliche Mehrheit, aber selbst dort verweigern sich die deutschen Medien bemerkenswert diszipliniert einer Auseinandersetzung. Stattdessen jagt ein Artikel den anderen, der internationale Isolation und krachende Verurteilung zum Gegenstand hat, heute morgen erst ist der Live-Ticker von Zeit-Online bei einem kreischenden "Rußland isoliert sich immer mehr" stehengeblieben- moment, ich sehe gerade, die Redaktion ist mittlerweile wach und hat das nach "Westen boykottiert Vorbereitung für G-8-Gipfel in Sotschi" geändert.

In einer wohlgemerkt amerikanischen Erklärung - da ist man nämlich in den letzten Stunden wach gewesen, im Gegensatz zu Europa - erklärt unter anderem auch Deutschland also gerade, dass wir an der Vorbereitung des Gipfels nicht teilnehmen. Nun ist es lange her, dass auf diesen Gipfeln irgendwas von Wert beschlossen wurde, ausser halt eine Milliarde Euro zu verballern für eine Foto-Session und zu bestimmen, wer den Arsch geben darf, der sich einer gemeinsamen Lösung von was-auch-immer verschließt, so dass man ohne jegliche Verbindlichkeiten wieder nach Hause fährt. Das ist also weit entfernt vom Weltuntergang, aber eben doch ein diplomatisches oder eben vielmehr undiplomatisches Signal.

Und ich komme überhaupt nicht dazu, zu sagen, was ich eigentlich sagen wollte.
Ich halte also erstmal fest: Von den Kräften in der Ukraine, aber jetzt auch im Krim-Konflikt, die sich mehr russischen Einfluß wünschen oder die zumindest gerne nicht zur Vorzimmerdame der NATO werden wollen, liest man nichts, und Versuche, Verständnis für die russische Position aufzubringen, hat man in den letzten Monaten nicht gesehen. Sollte man aber.
Wenn man diesen Konflikt beenden will, und das nach Möglichkeit ohne einen Bürgerkrieg, dann geht das gar nicht anders. Der Lesbarkeit wegen mache ich dazu jetzt einen zweiten Eintrag.

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