Die Russen kommen (3)

Der Online-Ticker der Zeit ist jetzt zu Spekulationen übergegangen, was für den Kenner heißt: Nichts aufregendes passiert. Wir können also weiterschreiben.

In den ersten beiden Beiträgen habe ich festgestellt, dass zu wenig über die Menschen geredet wird, die nicht in die EU wollen und wie es sein kann, dass Menschen Putin super finden. Ich habe letzteres begonnen herzuleiten aus der Zeit der Sowjetunion, die den Menschen zwei Dinge gab: 1. Sicherheit und 2. Größe, wenn auch vielleicht nur gefühlte Größe. Und ich habe festgestellt, dass beides verloren ging mit dem Niedergang des Warschauer Paktes und ersetzt wurde durch Anarchie, Korruption, wirtschaftlichem Niedergang, sozialer Not und einem internationalen Ansehen, dass zwischen Ignoranz und Belustigung schwebte, vor allem zu Jelzins Zeiten.

Bleibt also noch festzustellen, was Putin dem Land gebracht hat, und da wären zu nennen:
1. Sicherheit und 2. Größe, wenn auch nur gefühlte Größe. Was immer man auch von den demokratischen Verhältnissen und der Pressefreiheit und den Menschenrechten schreiben könnte, ist ganz offensichtlich für die Russen wenig spannend. Aber der Zustand, der jetzt da ist, ist stabil. Wir, die wir diese Art von Stabilität ein ganzes Leben lang hatten und bereits den Streit zweier Koalitionspartner für eine Regierungskrise halten, haben da wenig Zugang. Fehlende Stabilität bei uns bedeutet, dass der Euro drei Cent an Wert verliert. Fehlende Stabilität in Rußland bedeutet: Rollende Panzer, Explosionen, tote Angehörige.

Und wo wir gerade dabei sind: Fehlende Stabilität in der Ukraine bedeutet das Gleiche. Fehlende Stabilität auf der Krim haben wir ebenfalls gesehen. Putin schafft klare Verhältnisse. Man hat vielleicht Pest statt Cholera, aber zumindest weiß man, was man hat. Bei der EU hat man mehr Meinungen als Staatschefs und so blühende Beispiele wie Zypern, Griechenland oder Spanien, um auch bloß keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, wer hier wirklich das Sagen hat. Wenn man dann historisch ohnehin immer mehr Rußland zugeneigt war, fällt die Entscheidung da nicht schwer, und es ist denkbar uninteressant, was jemand aus seiner deutschen Doppelhaushälfte dazu zu sagen hat.

Kurzum: Indem ich die Hälfte der Ukrainer, oder stellvertretend zwei Drittel der Einwohner der Krim schlichtweg nicht ernst nehme, komme ich nicht weiter. Ich kann mich nicht wie Frau Merkel hinstellen und als Vermittlerin meine diplomatische Spitzenleistung damit beginnen, dass ich einer Seite Recht gebe und die anderen zum Reich des Bösen erkläre. Umso weniger sollte ich das tun, wenn die rechtliche Situation wie in diesem Fall zumindest viel Raum für Diskussionen läßt, angefangen damit, dass man nicht mal mit Sicherheit sagen könnte, wer momentan Präsident der Ukraine ist. Es hat außerdem was zu tun mit einer Reihe von unkündbaren Verträgen, welche die Ukraine mit Rußland vor Jahrzehnten eingegangen ist und dem generellen Sonderstatus der Krim.

Als Kenner der Aufmerksamkeitspanne des durchschnittlichen Lesers mache ich hier erstmal wieder Pause. Vielleicht googeln Sie mal. Es läßt sich soviel finden, dass man leider überhaupt nicht in unseren Medien antrifft.

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