Die Russen kommen (4)

Seit einer guten Woche befindet sich die Welt in der Krim-Krise. Seit gut vier Tagen befindet sich eben diese Krise in der Krise.

Wir sind in die Phase des Konjunktivismus eingtreten, die Leserzahlen gehen zurück, die Kommentare flauen ab. Sie finden nur noch wenige Berichte über das, was wirklich passiert, aber werden dafür im Minutentakt mit Spekulationen eingedeckt. Und nachdem ausführlich geunkt und gemutmaßt und vermutet und "aus Kreisen" verlautet wurde, sortiert der nächste Artikel das dann ein in den weltpolitischen Kontext oder gleich eine historische Analyse ein. Es ist die Phase, in der die Experten bemüht werden, die es schon immer wußten, gefolgt von denen, die es vergleichen können, und denen, die ihre Kristallkugel schwenken. Woraufhin dann ausgiebig und, zumindest hier in Deutschland, ohne große Überraschungen, kommentiert und gemeint und aufgerufen wird. Und das alles hat mit dem, was wirklich passiert, nichts zu tun und bildet eine große Überschrift, die Sie aber nie lesen werden: Im Osten nichts Neues.

Leider sehen Journalisten aber ihre Aufgabe längst nicht mehr in der Berichterstattung, sondern in der Verkündung von Sensationen. Sie möchten Superstars sein oder eben später einmal Legenden und werden wohl in dieser Generation nicht mehr begreifen, dass die großen Journalisten sich durch Qualität und Beständigkeit ausgezeichnet haben, dass es ihre Arbeitsweise war und ihr handwerkliches Können, dass sie zu Namensgebern der Preise gemacht hat, nach denen jene gieren, die dieser Tage Putin mit Hitler vergleichen. Hitler, wirklich?

Wobei Hitlervergleiche derzeit vor allem in einem Land populär sind, dass in der Ukraine wie so oft wirklich nichts verloren hat, also den USA. Dort ist man mittlerweile auf einem Level angekommen, wo Obama entweder wild mit Atombomben um sich wirft oder ein Schwächling ist; wenn Sie also einen Hinweis wollen, wo Sie den Ausgangspunkt eines Krieges wirklich vermuten können, müssen Sie wohl mal ihren Globus drehen. Natürlich geben deutsche Medien auch diesen Quatsch ebenso ungefragt wie unreflektiert weiter, bis man mit Gerhard Schröder fragen möchte: „Also wenn das so ist, brechen wir das hier besser gleich ab, was wollen Sie denn, etwa eine militärische Konfrontation? Wollen Sie das?“

Wäre ich die deutschen Medien, ich würde eben diese zu Kriegstreibern erklären und damit genau auf das Niveau runterfallen, auf das sie sich alle längst herabgelassen haben. Immerhin vergleichen wir das hierzuland nicht dem zweiten Weltkrieg, wir machen uns endgültig lächerlich und ziehen Parallelen zum ersten Weltkrieg. Aber das grundliegende Problem ist nicht, dass sie alle dumm sterben werden, sondern dass der historissche Kontext für sie kaum mehr ist als ein Stilmittel. Wenn ich nicht von Bedeutung zu berichten habe, brauche ich als Journalist dieser Tage einen Verstärker, ein Megaphon, und kann es etwas lauteres, schrilleres geben als diese beiden Kriege?

Was sie nicht zu Kriegstreibern macht, aber zu einer verantwortunglosen Bande, denen man die Folgen ihres Treibens nur deswegen nicht an den Hals wünscht, weil man sie selbst auch mittragen müsste. Denn auch wenn eine süddeutsche Zeitung sich nicht zu schade ist, Umfragen zu verwerten, denen zufolge gerade die junge Generation gerne mehr über die Kriege wüßte (übrigens: Die junge Generation wüßte auch gerne mehr über die Europawahl, die haben wir jetzt allerdings erstmal vergessen) - heißt das leider nicht, dass sie sich auch darüber informieren würden. Nicht mal in der Rubrik "Geschichte" kommen die Gedenkartikel zum ersten Weltkrieg in die meistgelesenen oder meistkommentierten Berichte.

Und das führt dann zu Menschen, die bei Demonstrationen Schilder hochhalten, bei denen sie das Vorgehen Rußlands mit dem Einmarsch in das Sudentenland vergleichen und die Krim mit Georgien und Afghanistan in eine Linie stellen - Afghanistan! ausgerechnet! Menschen, die öffentlich erklären: Dummheit macht nicht glücklich, und die geistig Armen sind sowas von nicht seelig. Menschen, die wiederum Politiker inspirieren, ich warte eigentlich nur auf den ersten Kommentar von Horst Seehofer, ähnliches dummes Zeug von sich zu geben.

Und irgendwo dort beginnen sie dann wirklich, die Parallelen zum ersten Weltkrieg.

Gottseidank bin ich da mal nicht sonderlich optimistisch.

Kommentare


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