Die Lage stabilisieren

Mein letzter Blog hat an der Schießlinie meines Vereins ein paar Diskussionen ausgelöst: Kann man durch leichte Veränderungen an der (ohnehin schon hochwertigen) Stabilisation deutliche Verbesserungen der Trefferlage erzielen oder nicht? – Nach einigem Testen, Lesen und Nachdenken meine ich: ja und nein. Die Frage hat meiner Meinung nach drei Dimensionen: eine physikalische, eine physiologische sowie eine psychologische.

Ich fange mit dem Einfacheren, der Physik an: Der Stabilisator soll (wie der Name sagt) den Bogen stabilisieren. Dies tut er an zwei entscheidenden Punkten des Schussablaufs, beim Ankern und beim Abschuss.

Beim Ankern sorgt ein gut ausbalancierter Stabi dafür, dass das Visier trotz kleiner Wackler oder eines leichten Muskeltremolos möglichst ruhig im Gold liegt. In dieser Situation sind es also leichte, wiederkehrende Schwingungen oder Impulse im unteren Hertz-Bereich, die gedämpft werden müssen. Hier wirken insbesondere die Dämpfungseigenschaften des Monostabilisators sowie die des vorderen, zumeist auf Gummidämpfern montierten Gewichts.

Beim Abschuss wiederum soll die Stabilisation den Bogen solange in konstanter Lage halten, bis der Pfeil frei in der Luft ist. Dabei ist wichtig zu wissen, dass der Bogen in diesem Moment nicht statisch ruht, sondern er soll bei jedem Abschuss dasselbe Bewegungsverhalten zeigen. Denn beim Abschuss treten naturgemäß starke Bewegungsimpuse auf: beim Lösen ein explosionsartig starker Stoß durch die sich entlastenden Wurfarme und der harte Stopp der Sehne beim Werfen des Pfeils, wodurch ein Impuls zur Längsverschiebung des Bogens entsteht. Der Bogen springt nach vorne, wird von der Bogen- bzw. Fingerschlinge gestoppt und kippt dann nach vorne weg, was durch den Druck der Bogenhand unterstützt wird. Der Bogen soll dann im nachhaltenden Bogenarm nachpendeln bzw. stoppt am vorderen Bein des Schützen.

Entsprechend aufwändig sind die Anforderungen an die Konstruktion einer guten Stabilisation. Es geht um die Dämpfung der Wackler beim Ankern sowie die Dämpfung des Löse- und des Abschussschocks. Zusätzlich soll der Verdrehung des Bogens nach allen drei Dimensionen entgegen gewirkt werden (vertikal-/horizontal: Monostabilisator; links-/rechts: Seitenstabilisation). Die Dämpfungsfähigkeit der Stäbe und des Gesamtsystems sollte bei guten Markenstabilisationen vorausgesetzt werden können. Bei der Frage der Verdrehung ist wichtig, wie groß das Trägheitsmoment gegenüber dem jeweils erzeugten Drehimpuls ist. Da hier die Entfernung der Masse zum Drehmittelpunkt quadratisch eingeht, sollten die Stabilisatoren möglichst lang sein. Weiterhin wird die Lage des Bogens desto stärker stabilisiert, je größer das Eigengewicht des Bogens oder je höher die Masse der Dämpfergewichte ist. Sind Massen an Dämpfern schwingungsfähig aufgehängt, kann sich eine zu hohe oder zu geringe Masse negativ auswirken, wenn die Eigenfrequenz des Dämpfungssystems z.B. nahe der Frequenz des Muskeltremolos davon liegt (Resonanz). Eine zu hohe Masse am Dämpfer oder ein zu weiches Dämpfergummi können unter unglücklichen Umständen daher auch eine beim Abschuss entstehende Schwingung verstärken.

Jedoch, und hier komme ich zur physiologischen Seite des Problems: Wieviel Gewichtskraft mit welcher Dämpfung am Bogen der einzelne Schütze nutzen kann, ist auch eine Sache der Kraft im Bogenarm und des Gefühls beim Halten des Bogens und beim Abschuss. Hinzu kommen der Komfort und die Funktionalität beim Auf- und Abbau des Bogens sowie beim Verstauen in der Bogentasche. All das muss passen. Ein zu schwerer Bogen geht sehr schnell auf die Kondition und ist schwer zu halten, aber auch ein zu kopflastiger Bogen belastet Gelenke, Sehnen und Muskel im Bogenarm sehr stark.

Ergänzend noch eine Beobachtung aus dem Finale der kürzlichen deutschen Meisterschaft: Alle vier Endfinalisten der Schützenklasse haben sehr lange Beiter Centralizer Stabilisatoren geschossen. Doch muss diese zufällige Konstellation nicht gleich bedeuten, dass dies auch für alle Recurvebogenschützen die beste und einzige Lösung sein muss. Wer sich auf Youtube Videos von internationalen Meisterschaften anschaut, findet viele Marken und Typen vertreten. Dennoch: Beiter Stabilisatoren haben kein allzu hohes Kopfgewicht, bei ihnen scheint die Güte aus einer besonderen Kombination von Dämpfung und Gewicht der Tuner auf Carbonstäben zu bestehen. – Was aber fast alle Spitzenschützen eint, ist die Verwendung sehr langer Monostabilisatoren.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich für mich diese Grundsätze zur Stabilisation:

  • Nimm eine hochwertige Markenstabilisation, probiere aus bzw. lass dich vom Händler deines Vertrauens beraten, oder frage Vereinsmitglieder, ob sie dir ihre Stabilisation einmal probeweise leihen.
  • Strebe einen möglichst langen Monostabilisator an, damit die Massen möglichst weit weg vom Drehpunkt des Bogens liegen.
  • Beobachte im Training das Verhalten deines Bogens beim Ankern und beim Schuss bzw. lass dich von erfahrenen Schützen beobachen. Je ruhiger der Bogen in beiden Momenten liegt, desto besser.
  • Variiere ggf. mit der Länge des Vorbaus und (falls möglich) mit der des Monostabilisators und den an den Dämpfern montierten Gewichten.
  • Eine Möglichkeit, die Eigenschwingung und -dämpfung des zusammengebauten Bogens zu testen, ist auch, den Bogen mit der Stabilisation nach unten locker zu halten und einen Wurfarm leicht mit der Hand anzuschlagen.

Ich habe dies jetzt gemacht und bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Mein Fuse Carbon Connexion CX 30″ wirkt sehr schwer und kopflastig, wenn ich ihn auf meinen 4″-Vorbau montiere. Daher schieße ich nun wieder ohne Vorbau und montiere die Spinne direkt am Bogen. Auf den Monostabilisator setze ich die Fuse VFR 5″ Verlängerung, so dass ich auf eine Gesamtlänge von 35″ komme. Bei den Kopfgewichten nehme ich jeweils nur eines, denn hier habe ich ein gut handhabbares Gesamtgewicht des Bogens, das beste Anker- und Schussgefühl sowie auch die ausgeglichenste Trefferlage. Das Negative an dieser Lösung ist jedoch, dass die Seitenstabilisatoren am Anfang des Schusszyklusses recht dicht am Körper liegen und so die Bewegungsfreiheit beim Aufnocken und beim Schussaufbau beeinträchtigen. Ggf. kann ich mit einem kurzen Vorbau (3″-Extender) später noch einen besseren Kompromiss erzielen.

Nach diesen Beobachtungen, Versuchen und Überlegungen bestätigt sich meine Ansicht, dass man die Trefferlage beim Bogenschießen durchaus durch Tuning an der Stabilisation graduell steigern kann. Dies ist das „Ja“ zur Ausgangsfrage. Doch ich betone hier das Wort „graduell“. Ein hoher Teil des Erfolgs beim Bogenschießen, vielleicht sogar der höchste, entstehen im Kopf des Schützen.

Dem schwierigsten Teil des Gesamtproblems also, nämlich der Psyche, widme ich mich beim nächsten Mal.


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