Die Königin der Kampf-Teenager

Als ich letztes Jahr mit einer Freundin in den Film “Die Tribute von Panem” (2012) ging, hatte ich überhaupt keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich kenne die Bücher bis heute nicht, auf denen die Hunger Games-Trilogie basiert. Ich wusste nur, dass es um tödliche Endzeitspiele, Teenager und irgendwie Medienkritik ging. Was ich dann gesehen habe, war der erste Horrorfilm mit einer FSK 12-Empfehlung, den ich kenne. Ein guter, aber dennoch echt brutaler Kinder-Slasher. So ein Film geht nur mit einer wirklich guten Hauptfigur. Wie kann die überlebende Protagonistin sympathisch bleiben, wenn doch für ihren Sieg so viele Kinder und Jugendliche sterben müssen?

Zum einen ist Katniss Everdeen, gespielt von der wunderbaren Jennifer Lawrece, die auch schon 2010 in Winter´s  Bone brillieren durfte, ein grundguter Mensch und ein liebenswerter Teenager. Sie ist für ihre kleine Schwester Primrose Mutter, Vater, beste Freundin und Lehrerin auf einmal, seitdem der Vater der Mädchen bei einem Minenunglück starb und die Mutter depressiv wurde. Sie übernimmt nicht nur die Verantwortung für Prim, sie versucht auch, die Mutter wieder auf die Beine zu bekommen und kümmert sich vor allem um Essen für die Familie. Und das ist in Distrikt 12, dem Ort, an dem sie lebt, überhaupt nicht einfach, vor allem nicht, wenn man so bitterarm ist wie Katniss´ Familie und alle Menschen, die sie kennt. Katniss und ihr bester Freund Gale, der in sie verliebt ist, gehen oft gemeinsam im verbotenen Wald jagen. Mit Pfeil und Bogen erlegt Katniss jedes Tier, vom Eichhörnchen bis zum Reh. Ihrem Jagdgeschick und ihrer Fähigkeit, sich im Wald wie Zuhause zu fühlen, verdankt ihre Familie das schiere Überleben. Sentimentalitäten kann Katniss sich nicht leisten und entsprechend selten ist sie zimperlich. Doch als Prim als Tribut des Distrikts ausgelost wird, meldet Katniss sich freiwillig, um das Leben ihrer Schwester zu schonen und statt ihr selbst an den tödlichen Spielen teilzunehmen. Als später Rue, ein junges Mädchen, dem Katniss sich schwesterlich verbunden fühlt, während des Spiels in Katniss´ Armen stirbt, ist ihre Trauer schier grenzenlos. Sie bestattet den Leichnam des Mädchens, in dem sie ihn mit Blumen schmückt. Dieser Akt der Liebe bewegt die ganze Nation, die die grausamen Spiele medial verfolgt.

Zum zweiten ist Katniss gänzlich uneitel. Natürlich sieht sie gut aus, allerdings entspricht Jennifer Lawrence nicht gerade den gängigsten Beauty-Standards – es gab tatsächlich sogar Häme, dass ihr Hintern im Film zu dick sei. Katniss trägt nur Make-up, wenn sie von ihrem Stylisten Cinna für die Shows aufgebrezelt wird, ansonsten sieht sie völlig ungeschminkt aus. Auch ihre Wirkung auf Männer ist ihr egal. Als Peeta, ihr Mitstreiter aus Distrikt 12, sich in sie verliebt und plötzlich eine groß aufgemachte Mediengeschichte um ihre angeblich unglückliche Liebe entsteht, lässt Katniss sich darauf ein – doch es ist offensichtlich, dass ihr diese Liebesgeschichte nicht ganz geheuer ist. Bis zum Ende des Films ist Gale für sie nicht vergessen und glücklich wirkt sie mit Peeta auch nicht. Würde sie diese Beziehung aber beenden, müsste einer von ihnen beiden sterben, und das will Katniss verhindern. Stattdessen pflegt sie ihn gesund und ist eher bereit, durch einen Doppel-Selbstmord zu sterben, als ihn zu töten.

Zum dritten tötet Katniss nicht aus Berechnung. Sie tötet nicht einmal, um ihr Leben zu retten. Den ersten Teenager erschießt Katniss reflexhaft in Notwehr. Und selbst Cato, ihr Erzfeind, der sie und Peeta gnadenlos jagt, bringt in ihr nicht das Böse hervor. Catniss schießt ihm im Showdown zuerst in die Hand, um Peeta zu retten, und als Cato daraufhin in die Tiefe fällt und von wilden Bestien zerfleischt wird, erschießt sie ihn, um sein Leiden zu beenden.

Katniss ist definitiv meine Teenager-Queen, keine ist so cool und menschlich wie sie. Was Katniss nicht kann, ist ehrlich mit ihren Gefühlen umgehen – wie sollte sie auch, wenn sie immer Verantwortung für andere trägt, die ihre eigenen Gefühle beiseite drängt? Wie so viele Frauenrollen ist Katniss vor allem eine “liebende Frau”. Sie nimmt den Kampf auf sich, um ihre Schwester zu retten, und sie kämpft bis zum Schluss, um Peeta zu retten. Doch macht sie diese Liebe nicht zu einer Getriebenen? Ist sie passiv, weil sie sich nicht gegen die mediale Liebe mit Peeta wehrt?

Wer von Euch kennt die Bücher? Wer hat wie ich nur den Film gesehen? Was denkt Ihr?

Tribute2



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