Die Königinnen des Striptease – Viva Maria!

Achtung, Spoiler!

Wer diesen Film noch nicht gesehen hat, sollte sofort aufhören zu lesen (hier spoilert es ja in jedem Artikel) und sich stattdessen so schnell wie möglich diesen wunderbar coolen Film aus dem Jahr 1965 anschauen. Es ist der Regie von Louis Malle und dem tollen Drehbuch von ihm und Jean-Claude Carrière zu verdanken, dass hier ein Film entstanden ist, der überdeutlich zeigt, wie viel Spaß Feminismus machen kann – auch, und sogar: vor allem, Männern.

Das liegt unter anderem daran, dass mit Brigitte Bardot und Jeanne Moreau Frankreichs Sexbomben und Superstars die beiden Titelheldinnen Maria I und Maria II spielen. Aber sie sind nicht nur schön, weil das Zuschauer lockt, Malle inszeniert das hormongeschwängerte Getanze um beide Marias selbstironisch und lässt es beiden Marias so egal sein, dass daraus ein echtes Stilmittel wird, was schließlich zur Erfindung des Striptease führt. Und wenn Maria und Maria strippen, dann strippt das männliche Publikum solidarisch mit. Hier entblößen sich Frauen nicht, hier werden sie respektvoll angebetet für ihre Körper, die sie gnädigerweise und nur dann, wenn sie wollen, zur Schau stellen. Sexuelle Attraktivität ist hier keine passive Sache, der die Heldinnen ausgeliefert sind, hier ist es der Ausdruck für Selbstbestimmung, den beide Frauen nutzen, um Spaß zu haben. Entsprechend kursieren am Ende des Films nicht nur Heiligenfiguren von den beiden Marias, sie werden auch mit eigenen Altären verehrt: von Männern, aber vor allem von Frauen und Kindern. Die Marias rutschen nie in die Schmuddelecke, sie sind Heldinnen für´s gesamte Volk.

Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass die beiden auch Revolutionärinnen sind. Der Film spielt im Jahr 1907 in Mittelamerika und erzählt ein humorvolles Westernmärchen: Maria I, gespielt von Frau Bardot, war mitnichten immer Stripperin, sie war hauptberuflich Zeit ihres Lebens die Tochter eines irischen Terroristen und hat seit frühester Kindheit Sprengstoffanschläge auf Engländer begangen. Unzählige Tote gehen auf ihr Konto, ihr Hass auf Engländer und ihr unbedingter Freiheitswille sind nicht zu brechen. Nachdem sie ihren Vater bei einem der Anschläge verliert, zieht sie, gekleidet wie ein Mann, ziellos durch Mittelamerika. Zufällig landet sie bei einem Zirkus und sieht mit an, wie sich eine der Tingeltangel-Sängerinnen aus verschmähter Liebe erschießt. Unbeeindruckt macht Maria I ein Nickerchen auf dem Dach des Zirkuswagens. Am nächsten Tag trifft sie während der Weiterfahrt auf Maria II, gespielt von Frau Moreau, die übrig gebliebene Tingeltangel-Sängerin, die nun eine neue Partnerin braucht. Unbeeindruckt vom wilden Gebaren der Terroristin macht Maria II ihr erstmal was zu essen. Sie freunden sich an und Maria II bringt Maria I zunächst das Singen, das Schminken und das Wichtigste über die Liebe bei: sie ist flüchtig, Herzschmerz lohnt sich nicht.

Frau Bardots Maria I nimmt diese Lektionen sehr ernst und vernascht alle Männer, die ihr unter die Augen kommen. Die erste Liebesnacht ihres Lebens verbringt sie mit gleich drei Männern auf einmal, dann verabschiedet sie die drei zärtlich, aber bestimmt für immer. Keine Lust auf Herzschmerz! Und den gibt es auch während des ganzen Films nicht. Maria I vögelt sich die wilde Seele aus dem Leib, die Strichliste ihrer Eroberungen an der Wand ihres Zirkuswagens wird länger und länger. Maria II, die sich vornehmlich langweilt, ist weder eifersüchtig, noch sucht sie nach der wahren Liebe: Sie schlägt diese ganz konkret aus, als sie in Form des Revolutionärs Flores vor sie tritt. Erst sehr viel später wird sie eine einzige Liebesnacht mit Flores haben, in der sie den aktiven Part übernimmt: Flores ist Jesus-gleich in einer Schandgeige gefesselt und kann nichts weiter tun, als seufzend an der Wand zu lehnen, während Maria II alles weitere in die Hand nimmt.

Nachdem Flores nach dieser einen, kurzen Nacht stirbt, beerbt Maria II ihn als Revolutionärin. Sie übernimmt die Führung über die revolutionären Truppen und zieht in den Kampf gegen einen lokalen Diktator, der Flores auf dem Gewissen hat und beide Marias erst vergewaltigen und dann töten lassen wollte – was ihm natürlich nicht gelang, da die Marias ihn vorher mit ihren Reizen austricksen. Doch ohne die geübte Terroristin Maria I kann die Revolution nicht gelingen. Gemeinsam führen die beiden Marias die Truppen, trotz Folter im kirchlichen Folterkeller der machtkorrupten Geistlichen, zum Sieg. Zurück in Frankreich strippen sie wieder und besingen ihre Abenteuer in Mittelamerika.

Ich liebe an diesem Film, dass es beiden Heldinnen nicht um Liebe geht, dass sie Sex ohne Ende haben und trotzdem nicht geheiratet werden wollen, dass sie cool sind und gleichzeitig heiß und nicht zuletzt, dass es er ohne männliche Helden auskommt. Hier sind Frauen am Werk, die überaus weiblich sind und trotzdem mit Waffen umgehen und mutig kämpfen können, die nicht heulen und Angst haben, die von keinem Mann gerettet werden müssen, sondern selbstbestimmt auch in den ausweglosesten Situationen handeln. Echte Königinnen!

Wie findet Ihr den Film? Welche Maria mögt Ihr lieber? Findet Ihr auch, dass hier feministische Ansätze zu sehen sind (und Spaß machen)?

Film-Still aus Viva Maria!

Film-Still aus Viva Maria!



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