Die Frisur einer Mutter

„Ich bin Mutter“ das sagte mal eine kluge Frau zu mir, die wohl sonst nichts anderes mehr hatte. Sehr diplomatisch, an der Stelle hätte sie auch sagen können „Deine Raster sehen scheiße aus“. Damals hatte ich welche, nur zur Erklärung. Kurz bevor ich sie nicht mehr hatte, hatte ich die Idee, mich bei einer Bank zu bewerben. Und außerdem war ich von ihnen enttäuscht, weil sie irgendwann anfingen zu verfilzen, ich wollte sie glatt und das sah nicht gut und kontrolliert aus. Es hatte eher was von eingewebten Teppichfransen.

Ich mag es ungewöhnlich und doch klassisch. Ich hätte gerne Raster gehabt, mit denen ich sonst jegliche klassischen Frisuren machen könnte. Aber zumindest habe ich eine Erfahrung gemacht. Ich glaube die Idee sich zu verändern, kam mit der Idee sich die Haare verfilzen zu lassen. Scheint wohl zu stimmen, dass wenn ein neuer Lebensabschnitt beginnt, man seinen Haaren einen neuen Trend verpasst. Und ich habe eine sehr große Veränderung gebraucht. Ich hatte sie schon früher kurz, sehr kurz. So kurz, dass die Mütter auf der Straße zu ihren Kindern meinten „Lass den Jungen mal vorbei.“ Als Teenager konnte oder wollte ich mich nicht schminken, vielleicht wäre es mit Mascara besser gewesen. Trotz der kurzen Haare war mein Leben da nicht anders. Dauerwelle war auch schon drin. Einfacher wurde es dadurch nicht. Lang hatte ich sie meistens. Aber mit über 30 war die Assipalme nicht mehr so angebracht. Und irgendwie war sie mehr als durch. Wo sich schon einzelne Fältchen unter den Augen abzeichneten. Und Pferdeschwanz erinnerte mich zu sehr an meine Kindheit. Diese Frisur, die die Mutti immer gemacht hat und die im Laufe des Tages immer weiter nach unten rutschte.

Vielleicht bin ich einfach so ein Typ oder ich muss was nachhholen, was normalerweise in der Teenagerzeit ausprobiert sein sollte. Aber nur weil ich jetzt selber ein Kind habe, heißt das nicht, dass ich tot bin. Vielleicht sind Raster zu alternativ. Zu alternativ für eine Mutter. Aber ehrlich gesagt bei diesem Kommentar mochte ich meine Raster noch lieber als die Idee, sie reinmachen zu lassen. Wenn mir diese Frau nicht wichtig genug ist, mein Kind abzugeben, um wirklich nichts mehr gemeinsam mit ihr zu haben, dann sind ölige eingedrehte filzige Haare das Richtige. Ich wäre froh gewesen, wenn meine Mutter so ausgesehen hätte, wie diese Frau, dass sie sich so angezogen und ihre Haare so getragen hätte. Aber leider war diese Frau nur 3 Jahre älter als ich und es fehlten ihr immer noch 20 Jahre zu meiner Mutter. Gruselig, aber wahr.

Was zeichnet eine Mutter denn aus? Das, dass sie nicht nur ihren Uterus zur Verfügung stellt? Oder muss sie sich selbst schon aufgeben, ein Leben für das Kind? Die Frau jedenfalls trug wohl auch nicht die Kurzhaarfrisur, weil sie es schön fand, oder weil das Haar zu fein war und auf dieser absoluten Länge abbrach. Nein, es ist so viel praktischer wenn man nur 1-2 Sekunden im Badezimmer für das Haar braucht und dann zur Verfügung steht, falls der Prinz etwas braucht. Und ihr Sohn wuchs auf wie ein kleiner Prinz. Irgendwann erzählte sie mir, oder besser gesagt vielleicht war ich nur dabei, als sie es anderen erzählte, denn sie merkte schon früh, dass man mit mir über bestimmte Dinge wie Kindererziehung nicht diskutieren sollte, dass sogar der Kindertherapeut meinte, sie führen beide eine gleichberechtigte Beziehung. Noch gruseliger, dass die Frau nicht alleinstehend war. Irgendwo gab es noch einen Ehemann. Aber dieser kam nicht zu Wort. Und wie wird es da aussehen, wenn ihr Sohn jemals das Haus verlässt, falls er je in der Lage sein wird, alleine zu leben? Falls doch, was wird ihr dann geblieben sein? Traurigerweise darauf angesprochen war sie sich dessen bewusst, dass sie keine Dankbarkeit zu erwarten hätte. Und ich? Ich weiß noch nicht, was aus meinem Sohn wird. Verlassen dürfen sollte er mich auf jeden Fall. Und ich bin sicher, dass mir mehr geblieben sein wird, als meine Haare. Ob die andere Frau ihre Frisur ihrer Vorstellung einer Großmutter anpasst?


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