Die Empörten, die man satt hat, weil man satt ist

Der oberste Hirte und Feldherr mobilisiert das deutsche Gemüt, aber seine Kritiker müssen mit juristischer Verfolgung rechnen. Unter anderem erging es auch dem Parlamentarier Norbert Müller von »Die Linke« so, der Gauck einen »widerlichen Kriegshetzer« nannte.
Die Empörten, die man satt hat, weil man satt istDass eine solche Äußerung schon reicht, um die Staatsanwaltschaft auf den Plan zu rufen, ist ohnehin schon schlimm genug. Dass die Genossen seiner Partei jedoch nicht Partei für ihn ergreifen, sich wieder mal »distanzieren«, wie schon im Falle von Sevim Dağdelen, die Göring-Eckardts Ansichten zur Ukraine mit einem Brechtzitat beantwortete, ist vielleicht noch viel schlimmer. Denn wenn die Partei, die man mit gewisser Berechtigung als die einzige Alternative zur derzeitigen Politik ansieht, nun beginnt, Freunde des offenen Wortes in den eigenen Reihen zu bremsen, dann macht sie sich beliebig.

In meinem ersten Buch »Unzugehörig« gibt es gleich auf den ersten Seiten einen Text, der »Wo es stinkt, herrscht Wahrheit« heißt. Im Grunde ist es ein Plädoyer für eine Sprache, die nicht verkappt und tarnt, sondern Scheiße auch Scheiße nennen darf. Das sehe ich heute noch genauso. Wenn der Kriegshetzer kein Kriegshetzer mehr sein darf, dann wird alles alternativlos. »Drastische Worte gibt es nicht«, schrieb ich damals, »es gibt nur wahre Worte, die freilich drastisch werden, wenn sie Besitz- und Machtverhältnisse antasten.« Und wenn eben einer »Kriegshetzer« zu diesem Bundespräsident sagt, dann tastet er diese Besitzverhältnisse an. Denn dieser Bundespräsident gehört den Eliten. Und das soll man bitte auch sprachlich honorieren.
Von einer Partei wie »Die Linke« fordere ich Solidarität mit Abgeordneten, die sich nicht hinter falscher Schicklichkeit verstecken. Distanziert euch nicht! Seid froh, dass ihr noch solche Leute in euren Reihen habt. Es kommen auch andere Zeiten, wenn ihr euch parlamentarisch verbraucht habt. Dann habt ihr so gut wie nur noch Konformisten in euren Reihen, die so glatt und glitschig sind wie ein Aal. Schaut euch die Grünen an! Aber solange es noch Leute bei euch gibt, die noch nicht völlig vom Plenumsduktus eingelullt sind, solltet ihr jeden Tag laut »Danke!« rufen. Denn genau so lange besteht die Möglichkeit auf Alternative. Und wenn ihr das alles nicht wollt, wenn ihr euch distanziert, weil euch das so schrecklich unangenehm ist, solchen »Verbalpöbel« in eurer Partei zu haben, dann muss ich feststellen, dass ihr auf einem ganz falschen Dampfer seid.
Denn wer seine Empörung verliert oder seine Empörten maßregelt, der gibt die Kraft aus der Hand, die Dinge auch anders zu sehen als es das etablierte Weltbild tut. Oder habt ihr solche Leute satt, weil ihr etwa selbst so satt seid? Ich verlange, dass Leute, die einen Kriegshetzer ganz berechtigt als solchen bezeichnen, nicht von der Parteispitze auf Distanz gehalten werden, sondern begrüßt und unterstützt werden. Distanziert euch doch lieber mal vor einer Gesetzgebung, die dem Bundespräsidenten erlaubt jemanden als »Spinner« zu bezeichnen, die dem Bürger aber einen Maulkorb verpassen will, wenn man die Spinnereien dieses Mannes mit drastischen, aber wohl wahren Worten ahndet.
Mir hallen da immer Ditfurths Worte über die Grünen nach. »Vielleicht acht bis 15 Jahre spekulierten wir, bevor die Anpassungsmechanismen dieser Gesellschaft das Projekt verschluckt haben würde«, schrieb sie in »Das waren die Grünen«. »Die Linke« wurde 2007 gegründet. Vor sieben Jahren. Verdammt nochmal, langsam wird es echt eng. Am pikierten »Sichdistanzieren« merkt man es besonders.
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