Ausverkauft. Bis auf den letzten Platz. Das Publikum sieht würdig aus. Dunkle Anzüge, schicke Roben, gesetzte Minen. Erwartungshaltung – Vorfreude. „Mittendrin statt nur dabei“, denke ich. Stellen wir uns also einer inhaltlichen Geduldsprobe. Denn klar ist: Wo Tolstoi drauf ist, da ist auch Tolstoi drin. Sein Meisterwerk „Krieg und Frieden“ ist ja auch nicht gerade durch eine stringenten Handlungsbogen berühmt geworden, sondern eher durch die Intensität und Komplexität. Das Licht verdunkelt sich. Los geht´s.
Inhalt: Die Handlung spiel im ausgehenden 19. Jahrhundert. Der russische Fürst Nechliudow (großartig gespielt von Wolfgang Vogler) ist der Charakter, um den es im Wesentlichen während der folgenden drei Stunden gehen wird. Seine Mutation vom bemerkenswerten Ekel hin zum selbstlosen Systemkritiker, verbunden mit allen daraus resultierenden Handlungen und Konsequenzen, bildet inhaltlich das Gerüst dieses weniger bekannten Tolstoi Stückes.
Fürst Dmitrij Iwanowitsch Nechliudow wird als Geschworener zu Gericht berufen um in einem Giftmord über Schuld und Unschuld mit zu richten. Die Angeklagte ist ausgerechnet seine heimliche Jugendliebe und jetzige Prostituierte Katjuscha (Meike Fink).Und damit beginnt der Schlamassel für den Hauptdarsteller. Denn erstens stellt sich sehr schnell heraus, dass die Anklage fälschlicherweise erfolgte und nun aufgrund des starren russischen Systems unabdingbar ist. Und zweitens erkennt Nechliudow, dass seine Verführung von Katjuscha vor vielen Jahren der Beginn des gesellschaftlichen Abstiegs seiner Jugendliebe war. Dies ereignete sich übrigens zur Osterzeit, daher der Titel „die Auferstehung“.
Die Verhandlung
Die unschuldige Prostituierte wird zu zehn Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Der nun geläuterte Hauptdarsteller lässt das keinesfalls auf sich beruhen und legt sich mit dem Establishment an. Umzingelt von den Idealen seiner Jugend macht er sich seine ehemaligen Weggefährten zu Gegnern, die ihn schließlich ebenfalls rechtskräftig verurteilen und zur Zwangsarbeit in eine sibirisches Lager schicken. Dort trifft er (Überraschung!) seine Katjuscha wieder.
Bis es soweit ist lässt Leo Tolstoi aber keine Gelegenheit aus, um die Ungerechtigkeit dieser Epoche immer und immer wieder anzuprangern. Dabei hat es dem Autor insbesondere das damals geltende Rechtssystem besonders angetan. Es reiht sich quasi eine Moralpredigt an die nächste, ohne dass der Handlungsstrang spürbar fortschreitet. Wer das Buch gelesen hat, weiss dies alles natürlich vorher.
Inszenierung: Es ist erstaunlich wie es dem Ensemble des Hans-Otto Theater spielerisch gelingt diese inhaltlich bedingten „Auszeiten“ gefühlt zu verkürzen. Chapeau. Überhaupt ist die Inszenierung beeindruckend. Die Bühne erscheint riesig. 14 Darsteller reichen aus, um die immerhin 54 Charaktere des Bühnenstücks zum Leben zu erwecken. Allein Franziska Hafner ist in sieben Rollen zu sehen.
Ein goldener Käfig?
Wirkt die Dekoration im ersten Augenblick auch etwas zurückhaltend (3 Straßenlaternen zur Beleuchtung), so reibt sich der Zuschauer spätestens an dem Punkt die erstaunenden Augen, als ein handelsüblicher Schiffs-Container von der Decke schwebt um Gefangene abzuladen. Spannend ist auch der Augenblick, als die Bodenplanken der Bühne von den Schauspielern entfernt werden um in dem darunter befindlichen Sand zu buddeln. Am Ende finden die Akteure dort eine sehr lebendige Leiche (Wir erinnern uns: Giftmord!), die fortan am Prozess aufrecht sitzend teilnimmt. Dem Regisseur Tobias Wellemeyer gelingt es ausgezeichnet mit solchen Highlights, und liebevollen Ausstattungsdetails, sein blendend aufgelegtes Ensemble in Szene zu setzen.
Das Gefängnis – Beeindruckendes Bühnenbild
Ende gut? Das literarische Bekannte bekommt an diesem Abend eine völlig neuen Ausdruck. Und das tut den etwas staubigen und langatmigen Inhalten mehr als gut. Mich freut das, denn ich habe heute eine Auferstehung von Tolstoi´s „Die Auferstehung“ sehen dürfen. Für alle, die das auch einmal live erleben möchten: Das Stück wird erneut am Ostersonntag und am Ostermontag aufgeführt. Zudem an folgenden Terminen 2015:
- Freitag 17.4.
- Freitag 8.5.
- Samstag 16.5.
- Sonntag 17.5.
Karten gibt es hier: Hans Otto Theater Potsdam