Die absolut stabile Idiotie

Die absolut stabile IdiotieDa ist sie wieder, die Forderung. Alle paar Jahre wird sie wieder ins Programm aufgenommen. Es ist ein bisschen so, als bekämen die Sicherheitspolitiker und solche, die sich für solche halten, gelegentlich einen fieberhaften Schub und dann muss sie raus, diese Forderung. Einige Jahre war nun Ruhe, nun geht es wieder mal um die Bundeswehr, die im Inneren endlich mal eine Einsatzberechtigung erhalten soll. Diesmal haben die Damen und Herren der nationalen Sicherheit den Herrn Herrmann aus dem Fränkischen vorgeschickt. »Wir leben nicht in Zeiten der Weimarer Republik. Wir haben eine absolut stabile Demokratie«, behauptete er in einem Interview. Da könne man also die Vorbehalte aufgeben. Soso, eine stabile Demokratie. Der Mann lebte immer schon in dieser parteipolitischen Parallelwelt, die von der Wirklichkeit da draußen eher so eine eingeschränkte Ahnung hat. Trotzdem darf man doch sicher mal nachfragen, was eine Bundeswehr gegen Äxte und/oder Amokläufe auszurichten vermag.

Es ist ja an sich überhaupt nicht so, dass wir kein Militär im Inlandseinsatz hätten. Man schaue sich doch bitte nur mal an, wie die heutige Polizei ausgestattet ist. Das sind doch keine Schupos mit zierendem Tschako auf den Kopf, das sind teils paramilitärische Beamte. Aus den Samtgrünen sind hochgerüstete Einheiten geworden, die wahrscheinlich besser mit Material ausgestattet sind als das, was die Bundeswehr so in ihren Waffenkammern lagern hat. Bundeswehr im Inland? Für was eigentlich. Oder anders und deswegen nicht gegenteilig beantwortet: Haben wir doch schon!
Trotzdem, die Frage muss man doch jetzt nochmal ganz konkret stellen, diese vermeintlich stabile Demokratie hin oder her: Für was denn der ganze Aufwand, für was eine Änderung des Grundgesetzes anstrengen, nur damit man eine zweite Armee neben der hiesigen dunkelblauen Armee aufstellen kann? Und was können bittesehr diese oder jene Armee eigentlich gegen Amokläufer tun? Ja, wie können sie denn im Augenblick eines Terroranschlages dienen, um eine Situation abzuwenden, die dann ja schon eingetreten ist? Armeen brauchen einen sichtbaren Gegner, eine Gegenarmee, dann greift das Prinzip. Aber gegen Unangekündigtes, gegen Überraschungsattacken, gegen Großstadtguerilla, da hilft doch keine Wehr. Herrmann sollte mal erklären, welchen Zweck es erfüllt, Soldatenreihen aufzubauen, wenn wieder mal einer mit einer Pistole überschnappt. Soll die Truppe neben der Polizei stehen und den darauf spezialisierten Sondereinsatzkommandos Kaffee kochen und das Salz von den Brezeln reiben? Oder glaubt der Mann einfach bloß, dass eine Übermacht an verschiedenen Armeezugehörigkeiten und Einsatzgruppen abschreckende Wirkung erzielt?
Was konkret hätte die Bundeswehr in München getan, was die Polizei nicht genauso, wahrscheinlich aber besser angestellt hat? Polizisten sind ja dauernd im Kriseneinsatz, die haben eine gewisse Routine. Was stellt denn so ein Division an, die die meiste Zeit des Jahres im Paralleluniversum des Heeres eine ruhige Kugel schiebt und plötzlich auf konkrete Probleme losgelassen wird? Man hätte zunächst mal aufmarschieren können vor dem Einkaufszentrum. Bis hierher schon mal in Ordnung. Und dann? Reingehen, wild um sich schießen, das Gebäude durchkämen? Was daran kann ein Sondereinsatzkommando nicht? Und was kann es nicht besser? Es sei denn man antwortet damit, dass die Bundeswehr über alle zivilen Verluste, die so ein Vorgehen mit sich bringen würde, gewissermaßen erhaben ist. Dann, ja dann ist so eine Bundeswehr im Inland natürlich schon eine neue Qualität im Einsatz gegen Amoktäter. Dem Amok mit Amok begegnen: Ist das die Quintessenz dieser Forderung? Oder geht es um Panzer, die einen Einzeltäter gezielt erschießen sollen? Je mehr man darüber nachdenkt, desto lächerlicher wird es.

Es scheint eher so, dass Herrmann - wie alle diese Sicherheitsfreaks in der Politik - überhaupt keinen Schimmer davon hat, wie man im Ausnahmezustand einer solchen Tat zu agieren hat. Truppe, Feldzugrhetorik, Schlachttaktiken und was alles dazugehört, sind jedenfalls keine Ansätze, um diese Tragödien einzuhegen. Die von ihm postulierte absolut stabile Demokratie hin oder her. Und klammern wir an dieser Stelle einfach mal freundlich aus, dass diese Demokratie zwischen rechten Rattenfängern und Marktkonformität in einer gewaltigen Zerreißprobe steckt. So absolut stabil, wie der Mann sagt ist sie also wahrscheinlich nicht mal, diese unsere Demokratie. Was allerdings stabil ist, dass ist die Idiotie, die annimmt, mit blindem Aktionismus, mit der Getriebenheit von der Öffentlichkeit und harter law-and-order-Sprache könne man die Gesellschaft zu einem sichereren Ort modeln.

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