Deutschlandfunk spielt “Hochschulquartett” mit Bertelsmann – Desinformation mit Ziel Bildungsprivatisierung?

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Bildungsrevolution 2014 – Foto: © Dirk Pollzien / pixelio.de

Der Staatssender Deutschlandfunk (DLF) bot am 25.4.2014 diversen
Bertelsmann-Lobbyisten und -Akteuren ein Forum zur Debatte von Bertelsmanns Lieblingsthema “Bildungsprivatisierung”. Es ging darum, das klägliche Scheitern der deutschen Privat-Unis zu erklären. Die Sendung hieß:
Hochschulquartett – Private Hochschulen in Finanznot (1)

Drei Dinge interessierten bei der Diskussion überhaupt nicht:
1.Bildung, 2.Wissenschaft und 3. die Belange der Studierenden.

Dafür interessierten diese Themen umsomehr:
Bildungsvermarktung, -finanzierung und sonstige Bildungs-Konzerninteressen sowie profilneurotische Selbstdarstellung.

Liz Mohn und ihre Rollenspiele
DLF-Thema war: „Von der Elite-Uni zum Auslaufmodell“. Bertelsmann stellte dabei sowohl die Befürworter, die Bedenkenträger als auch die Kritiker der Privat-Unis und zeigte damit eindrucksvoll, was totale Medienhegemonie bedeutet.

Die Milliardärsfamilie Mohn mit der Firmenpatriarchin Liz Mohn an der Spitze verstand sich schon immer auf Tarnen und Täuschen. Kaum ein Medienkonsument weiß heute, wer sich hinter Ufa, RTL, STERN, SPIEGEL usw. verbirgt. Ihr Einfluss reicht tief hinein in viele Medienbereiche, inklusive der öffentlich-rechtlichen Sender.
Der gebührenfinanzierte, angeblich ausgewogene Staatssender DLF (Markenzeichen: Im Rundfunkrat 50% Parteienvertreter) bot fast eine Stunde kostbarer Sendezeit für Akteure seiner privaten Konkurrenz auf. Bertelsmann konnte lang und breit darstellen lassen, was dem Medienimperium und Bildungskonzern am Thema Uni wichtig ist. Hierbei konnte alles verschwiegen werden, was für Bertelsmann bei diesem Thema peinlich gewesen wäre:
Die Drahtzieher-Rolle der Bertelsmann-Stiftung beim sog. „Bologna-Prozess“, auch „Bologna-Desaster“ genannt: die Bachelor/Master-Einführung, also Bildungs-Plattmache nach US-Modell.

Etwas Drive bekam die Altherrenrunde nur durch die Dramaturgie der verteilten Rollen.  Man debattierte also Pro- und Kontra der Privat-Unis, aber immer ganz im Sinne Bertelsmanns.
Da der Konzern die Machtstrukturen der meisten staatlichen Unis nach Industriewünschen umgekrempelt hatte, fiel der Abschied vom Traum der Milliarden-Profite durch Privat-Unis weniger schwer. Von der Wirtschaft dominierte sog. „Hochschulräte“ beherrschen heute die staatlichen Unis, die stramm hierarchisch von wirtschaftsfreundlichen Dekanen und Präsidenten geführt werden.

Die ehemals Bildungs- nun nur noch Ausbildungs-Inhalte orientieren sich an Vermarktbarkeit im praktischen Bachelor/Master-Modulsystem: Jedem Konzern seinen passenden Studiengang. Oder auch: Geld regiert die Welt, vergesst Kultur, Soziales, Wissenschaft und alles andere, wofür staatliche Universitäten eigentlich da sind. Wer braucht Privat-Unis, wenn die staatlichen Unis qua korrumpierter Bildungspolitik de facto privaten Wirtschaftsinteressen unterworfen sind? Diese Bertelsmann-kritischen Fragen wurden natürlich nicht aufgeworfen.

Insbesondere verschwieg die Runde auch Bertelsmann-Ambitionen bei den in Deutschland lobby-gesteuert eingeführten Studiengebühren. Die Abzocke für das Grundrecht auf Bildung wurde maßgeblich von der Bertelsmann-Konzernstiftung und ihrer Tarnorganisation CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) propagiert und durchgesetzt. Stiftung und CHE hatten dafür eigens ein munteres Personalkarusell mit SPD-, Gewerkschafts- und Grünen-Stiftungen betrieben –bei Parteien würde man von Unterwanderung sprechen.

Der DLF verschwieg Sieg der Studenten über Bertelsmann.

Erst die Aufdeckung dieser Machenschaften und ihre Verbindung zu Bertelsmann-Plänen zur Privatisierung des „Bildungsmarktes“ konnte den durch Bertelsmann-Medien von RTL bis SPIEGEL lautstark propagierten Siegeszug des Bezahl-Studiums in der deutschen Hochschul-Landschaft stoppen. Nachfolgende jahrelange Studierendenproteste brachten die von Bertelsmann-Lobbyisten gleichgeschalteten Politiker von SPD und Grünen zum Einknicken und damit die Studiengebühren als Eckstein der Bildungs-Privatisierung zum Einsturz. Nachdem die staatlichen Hochschulen wieder ohne Bildungs-Maut besucht werden konnten, erstickte das Geschäftsmodell der Ausbildungs-Industrie im Keim. Von diesem Hintergrund erfuhr der DLF-Hörer aber nichts, und eigentlich überhaupt sehr wenig.

Statistik des Grauens

Es gab nur ein paar statistische Daten zur Lage, die für DLF-Reporter und diskutierenden Bildungs-Bonzen wohl irgendwie vom Himmel gefallen war:
Von 300 deutschen Hochschulen sind heute 129 Private, also knapp 45%, die aber nur 5% der Studierenden ausbilden und dabei am Rande der Pleite stehen, weshalb sie immer lauter nach Staatsknete jammern. Nur 30 der 129 Privat-Unis könnten ohne auf Honorarbasis angeheuerte Lehrkräfte der staatlichen Unis existieren, die mithin überwiegen parasitär betrieben werden, Doktortitel dürfen (glücklicherweise) nur 12 vergeben.

Stelldichein der Bertelsmänner
Prof.Karsten Schmidt, Ex-Boss der Bucerius Law School, die von der  ZEIT-Stiftung gesponsert wird. Die „ZEIT“ ist Bertelsmanns engster Propaganda-Partner beim sog. „Hochschul-Ranking“ des CHE, dessen Ziel: Den „Wettbewerbs-Gedanken“ in der Bildungslandschaft durchsetzen, Druck auf Hochschulen ausüben, sich Bertelsmann-konform zu verhalten.
Schmidt hatte beim DLF den Part, Privat-Unis zu verteidigen: Die Bucerius Law School setzt auf Exzellenz, Autonomie und Nachhaltigkeit, finanziert sich zu 50% von der ZEIT-Stiftung, zu 25% aus Studiengebühren und sie setzte Maßstäbe.
Dr. Jörg Dräger, Ex-Bildungssenator von Hamburg, heute im Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, war der einzige, dessen Bertelsmann-Beziehung offen zugegeben wurde. Dass er als Hamburger Amtsträger die Bertelsmann-Linie gnadenlos durchdrückte, erwähnte er natürlich nicht, sondern gab sich als abwägender Bedenkenträger.
Prof. Dieter Lenzen, amtierender Boss der Uni Hamburg, vom CHE und der Financial Times Deutschland (ebenfalls Bertelsmann, inzwischen pleite) 2008 zum „Hochschul-Manager des Jahres“ gekrönt und so von Berlin nach Hamburg hoch gelobt, hatte dort das Werk Jörg Drägers weitergetrieben. Er spielte den Kritiker der Privat-Unis und profilierte sich eloquent, indem er seinen Kollegen Schmidt dreist fragte, welche Maßstäbe seine Law School denn gesetzt haben wolle. Der kam, darauf offenbar nicht vorbereitet, schwer ins Stottern und konnte nichts Konkretes nennen (den DLF-Reportern fiel nicht ein, einem der Würdenträger drängende Fragen zu stellen).
Der vierte vom DLF Eingeladene war ein TU-Prof aus Braunschweig, dessen ungelenke Diskussionsbeiträge sich im Wesentlichen darauf beschränkten, auf den höheren Geldbedarf Technischer Unis hinzuweisen („Das MIT kriegt eine Milliarde jährlich, ich weiß jetzt nicht ob Dollar oder Euro, aber für nur 10.000
Studierende“).

Entlarvend
Alles in allem bot der DLF eine unfreiwillig selbstentlarvende Vorstellung von Bildungsbonzen, die nicht geeignet war, die These zu widerlegen, dass sich in Machtinstitutionen meist Psychopathen und Profilneurotiker an die Spitze drängeln. Unterhaltungswert hatte durchaus das gegenseitige Platzenlassen rhetorischer Luftblasen, doch den Auftrag einer ausgewogenen Information seiner Hörer konnte der DLF -einmal mehr- nicht erfüllen.

Bildung beim DLF: „Campus und Karriere“
Kein Wunder, hatte der Sender doch die Bildungs-Kommerzialisierung von CHE und Bertelsmann in den letzten zehn Jahren durch ein eigens eingeführtes Hörfunk-Magazin für Studierende unterstützt. Dort erklingen bis heute täglich unhinterfragt die neuesten Verlautbarungen des CHE, abgemischt mit O-Tönen stromlinienförmiger Studenten und dem, was der DLF für angesagte Musik hält.

Der Titel des Magazins legte gleich fest, worum es im Studium zu gehen habe: Um „Campus und Karriere“. Nicht etwa um Wissen, Kultur, Politik, universelle Bildung, gesellschaftliche Einsicht, soziale Verantwortung. Dahinter steht die wirtschaftsnahe, aber demokratieferne Denke des Neoliberalismus.
Einer der Bertelsmänner argumentierte in diesem Ungeist recht absonderlich, aber ohne Einwände der Anwesenden: Da es keine Pflicht zum Studium gebe, sei der Staat auch nicht verpflichtet, für alle einen Studienplatz zu garantieren.
Kosten-Nutzen-Kalkulation statt Grundrecht auf Bildung? Aber da könnte man auch argumentieren, weil es keine Wahlpflicht gebe, brauche der Staat auch keine Wahlzettel für alle zu drucken.

von Daniela Lobmueh


DanielaLobmuehRetropicDie Autorin ist Jahrgang1989, studiert Lehramt, in der Fächerkombination Politik/Informatik in Hamburg


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Quellen – weiterführende Links

(1) Deutschlandfunk: Hochschulquartett Private Hochschulen in Finanznot:
Von der Eliteuniversität zum Auslaufmodell?

Böckelmann, Frank und Hersch Fischler: Bertelsmann: hinter der Fassade des
Medienimperiums, Frankfurt 2004
Fischler, Hersch: Bertelsmann –Konzerngeschichte, in: T.Barth (Hg.):
Bertelsmann: Ein Medienimperium macht Politik. Mit Beiträgen von Hersch
Fischler, Eckart Spoo, Martin Bennhold u.a., Hamburg 2006


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