Der Weckvogel

Der Weckvogel

Der Vogel neigte den Kopf zur Seite und sah mich schräg an. Seine Augen blickten klug und hatten fast etwas Menschliches.

„Du und ich, wir haben im Lotto gewonnen. Genauso wie alle andern Leute.“

Ich schaute ihn erschreckt an. Nicht dass ich irritiert gewesen wäre wegen des Vogels. In Träumen konnten auch Steine oder Büsche sprechen. Auch nicht, dass er in Rätseln sprach, auch das war normal in der Welt der Träume. Nein, es war die Art und Weise wie er mich musterte. Je länger ich ihm in die Augen sah, desto mehr glaubte ich, darin das Spiegelbild der Wirklichkeit zu sehen – Szenen aus meiner Realität. Kam der Vogel gar von drüben? Ich meine natürlich nicht die Wirklichkeit – irgendeine Wirklichkeit. Ich meine mit „drüben“ die Welt hinter den Träumen, den großen Traum, aus dem noch nie jemand zurückgekehrt ist. All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, als ich ihn fragte:

„In welchem Lotto haben wir den gespielt, du und ich und all die anderen?“

„Im großen Sternenlotto, bei dem Gott die Zahlen zieht.“

„Da muss er aber eine ganz große Zahl gezogen haben“, scherzte ich.

Der Vogel blinzelte und meinte: „Unendlich, um genau zu sein.“

Dass „unendlich“ nicht genau war, wusste ich, aber es störte mich ebenso wenig wie der Umstand, dass sich der Vogel zu „den Leuten“ zählte. Ich wusste, was er sagen wollte. Die Wahrscheinlichkeit unserer Existenz strebte gegen unendlich klein, wenn man alle Faktoren berücksichtigte und beim Urknall oder noch weiter „vorn“ begann. Doch wieso kam hier in meinem Lieblingstraum ein Vogel geflogen und erzählte mir dies?

Ich winkte ab. „Vogel, was willst du in Wirklichkeit von mir?“

„In der Wirklichkeit will ich nichts von dir, nur im Traum. Ich möchte, dass du endlich aufwachst.“

„Kein Problem“, antwortete ich, „wenn ich ausgeschlafen habe, geschieht dies automatisch.“

„Das meine ich nicht. Ich möchte, dass du wirklich aufwachst. Es ist höchste Zeit.“

Als ich dann aufwachte – wohl nicht im Sinne des Vogels – blieb ein Gefühl von Dringlichkeit. Es lässt mich Grübeln. Euer Traumperlentaucher.



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