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Niedersachsen ist ja bekannt für seine feschen Politiker: nach dem Brioni-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem Schwiegersohn-Ideal Christian Wulff (CDU) hätten wir jetzt den Bilderbuch-Familienvater David McAllister (CDU) im Angebot; und natürlich Hartmut Möllring (CDU), seines Zeichens Finanzminister in unserem Bundesland.
Nun glänzt Herr Möllring derzeit nicht nur mit Hochglanzbildern direkt aus der Fielmann-Werbung, sondern auch mit einem anscheinend genialen Trick zur Ausgabenminimierung und Einnahmenmaximierung des chronischen klammen Landeshaushalts: die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft (HanBG) als Gesellschaft des Landes mit derzeitigem Sitz in …. richtig: Hannover …. verlegt selbigen nach Groß Berßen – wobei allerdings wohl eine Umbenennung in GroßBerßenerBeteiligungsgesellschaft noch nicht ins Auge gefasst worden ist.
Warum verlegt man den Sitz von der Landeshauptstadt in die emsländische Tiefebene irgendwo im Niemandsland zwischen Dörpen, Meppen, Lingen und Löningen? Jawohl, wegen der Einsparung an Gewerbesteuer in Höhe von rund einer Million Euro im Jahr. Groß Berßen liegt nämlich nicht nur im direkten Einzugsgebiet der Wahlkreise von Justizminister Bernd Busemann (CDU), Staatssekretär Hermann Kues (CDU) und Vize-Fraktionschef der CDU im Landtag Heinz Rolfes, sondern hat auch noch den niedrigsten Gewerbesteuersatz in ganz Niedersachsen.
Das klingt logisch, wenn man dort als Gesellschaft seinen neuen Sitz nimmt, jedenfalls auf den ersten Blick. Doch auch auf den zweiten?
Fangen wir mal ganz klein an: wenn eine staatliche Gesellschaft Steuern zahlt, dann ist dies ja erst einmal nur eine Zahlung von der linken in die rechte Hosentasche, denn nicht an den Staat abgeführte Steuern führen zu einem höheren Gewinn für den Gesellschafter: den Staat. Das macht jetzt also erst einmal nicht so den rechten Sinn, was unser Finanzminister da anschiebt.
Doch halt, die eingesparten Steuern werden ja nicht in Form der Gewerbesteuer an die von Stephan Weil (SPD) geführte Landeshauptstadt Hannover (520.000 Einwohner) gezahlt, sondern fliessen in den Landeshaushalt, und die restliche Gewerbesteuer erhält die von Reinhard Kurlemann (CDU) regierte Gemeinde Groß Berßen mit 680 Einwohnern.
Insgesamt führt dies – bei allen Segnungen für die knapp 700 Emsländer – zu einer Verringerung der Einkünfte der niedersächsischen Gemeinden in einer Grössenordnung der angegebenen 1 Million Euro – und wenn man damit auch die rote Landeshauptstadt treffen wollte, die ja erst einmal zu Lasten ihrer Einwohner (wir haben ja hier immerhin ein Verhältnis von 1:743zwischen den beiden betroffenen Kommunen, was die Einwohnerzahl betrifft), nun leiden alle Gemeinden darunter: Hannover wird diese Mindereinnahme nämlich beim nächsten kommunalen Lastenausgleich geltend machen; und so hat völlig zu Recht der Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetags, Christian Geiger, diese Verlegung der Gesellschaft schon scharf kritisiert und auf die finanzielle Kettenreaktion zu Lasten aller Gemeinden hingewiesen – mit Ausnahme natürlich von Groß Berßen, dort wird man einen prima Schnitt machen. Insgesamt fehlen aber den Kommunen in Niedersachsen immerhin 1 Million Euro…
Aber die weitere Ausblutung der sowieso unterfinanzierten Kommunen hat natürlich neben den konkreten Auswirkungen für die Bürger noch eine ganz andere Dimension, denn da gibt es ja die durch Art. 28 GG verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung, und die setzt natürlich voraus, dass die anderen Staatsorgane – und insbesondere die Länder – auch die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen erhalten; und das verträgt sich mit einem solchen Steuerspartrick ganz und gar nicht. Bei allen medienwirksamen Auftritten sollte Herr Möllring sich mit einigen wesentlichen Aufgaben seines Amtes auseinander setzen, zB. mit dem ihm von Herrn Professor Hans-Peter Schneider ins Stammbuch geschriebenen Satz: „Ein Finanzminister ist eben nicht nur ein Minister des Landes, sondern er hat auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Städten und Gemeinden.“ Gut gebrüllt, Professor! Und unter Umständen dumm gelaufen, Herr Möllring, weil das Land seinen gerade mühsam ertricksten Steuervorteil voraussichtlich wieder als zusätzlichen Lastenausgleich an die teilweise von der Insolvenz bedrohten Kommunen ausschütten muss.
Aber dies ist ja noch nicht alles: nicht nur ich frage mich verzweifelt, wie eine von der CDU geführte Bundesregierung anderen Staaten wie zB Irland zukünftig noch den Abzug von Wirtschaftskraft aufgrund Steuerdumping vorwerfen oder Unternehmen den Abzug ihrer Produktion aufgrund günstigerer staatlicher Rahmenbedingungen übel nehmen will, wenn ein Parteifreund in seiner Eigenschaft als Landesfinanzminister genau eine solche „Optimierung der Steuerlasten“ durch staatliche Ortsflucht bei Landesgesellschaften durchführt? Man sollte Entscheidungen schon einmal zu Ende denken…
Zu Ende gedacht hat aber offensichtlich der Bürgermeister von Groß Berßen: er hat nämlich schon angekündigt, die zukünftig sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen nicht in langfristig zu finanzierende Grossprojekte stecken; und warum? Na klar: „Wer weiss schon, was in ein paar Jahren ist. Dann ist die HanBG wieder weg und wir sitzen da mit der Finanzierung.“
Und da sind wir dann schon beim nächsten Haken dieser Provinzposse unseres schneidig daherkommenden Finanzministers: wenn alles mit rechten Dingen zugehen soll, dann wird ja jetzt die gesamte HanBG nach Groß Berßen verlegt – und jeder, der schon mal mit einer Gesellschaft verzogen ist, weiss, dass das nicht zum Nulltarif zu haben sein wird – naja, vielleicht kostet es ja mit allen Ausgleichszahlungen an Mitarbeiter sowie dem Ab- und Aufbau der Infrastruktur nicht ganz eine Million Euro, und ausserdem kann man diese Kosten ja wieder steuermindernd geltend machen. Und wenn dann aller Umzugsstress bewältigt und bezahlt ist, dann reibt man sich bei der HanBG (und nicht nur da) die Augen, wo man gelandet ist: denn dann befindet sich diese Gesellschaft, deren Alleingesellschafter seinen „Sitz“ in Hannover hat und deren Aufgabe die Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen ist, deren Firmenzentralen in und um Hannover liegen, direkt an der holländischen Grenze – mir nimmt es sicher kein Groß Berßener übel, wenn ich das mal als „weit vom Schuss“ bezeichne. Mal sehen, wie lange das dann so bleibt und dann alles – natürlich mit erneuten Kosten – rückabgewickelt wird. Der Herr Bürgermeister hat da ja schon so seine durchaus berechtigten Vorahnungen.
Am Ende stellt sich die Frage, ob es einen nachvollziehbaren Sinn hat, dass der niedersächsische Finanzminister zu Lasten der Kommunen und zu Gunsten des Landes Gewerbesteuern einspart, dafür aber Kosten produziert und auch noch eine feine moralische Rechtfertigung für Unternehmen liefert, die demnächst ihren Sitz aus ähnlichen Gründen weg aus Niedersachsen oder sogar weg aus Deutschland verlegen.
Und ein parteipolitisches „Geschmäckle“ (wie man im Lande des sich in aller Munde befindlichen Bahnprojekts „Stuttgart 21″ sagen würde) hat die Sache sowieso – bösartigere Menschen als ich könnten Parteienkungelei vermuten.