Für viele Uni-Absolventen ist der Karrierestart bei einer Unternehmensberatung verlockend. Es winken ein abwechslungsreiches Aufgabenfeld, eine steile Lernkurve und eine attraktive Vergütung. Doch was viele übersehen sind die oftmals sehr hohen Anforderungen, die an einen Unternehmensberater gestellt werden. Kein Wunder, viele der aufpolierten Webseiten von Consulting-Firmen gehen auf diese meist nur sehr grob und ausschließlich aus der Perspektive der Beratung ein. Welche Anforderungen ein (angehender) Berater aus Sicht des Kunden, Kollegen und Arbeitgebers kennen und erfüllen sollte, erfährst Du in diesem Beitrag.
Beratung sucht Berater
Stand April 2016 titelt eine große amerikanische Strategieberatung auf ihrer durchgestylten Karriere-Webseite:
„Sie wollen etwas bewegen und sind bereit, dabei Grenzen zu überwinden? Ihre Neugier treibt Sie genauso an wie der Wunsch, sich ständig weiterzuentwickeln? Dann sind Sie in der weltweit führenden Strategieberatung genau richtig."Bewegen, Grenzen überwinden, Neugier und Weiterentwicklung - das sind vier zentrale Anforderungen dieser Beratung. Doch was heißt das im Projektalltag des Beraters nun genau? Beim Weiterlesen auf der Seite werde ich etwas schlauer, lerne, dass ein Neueinsteiger mit Zahlen und Analysen umgehen muss, über einen Universitätsabschluss zu verfügen hat sowie etwas in der Welt bewegen möchte. Doch gelten diese Anforderungen für alle Beratungen? Und wo haben hier der Kunde bzw. die zukünftigen Kollegen ihren Platz?
Anforderungen an einen Unternehmensberater
Unternehmensberatungen unterscheiden sich. In einem vorangegangen Blogbeitrag bin ich bereits auf die verschiedenen Beratungstypen eingegangen. Consulting-Firmen differieren in ihrer Größe, dem Beratungssegment sowie Merkmalen wie z.B. Branche und Spezialisierung. Mit dem Beratungstyp unterscheidet sich auch die Rolle des angestellten Consultants. Beschäftigt beispielsweise eine auf Schulungen fokussierte Consultancy hauptsächlich Personen mit der Rolle eines Trainers, heuern bei einem Wirtschaftsprüfer vornehmlich Auditierungsexperten an. Die Rolle der Angestellten hingegen ist maßgebend für die Anforderungen die an den mitarbeitenden Berater als Person gestellt werden.
Wenn sich Beratungen, deren Mitarbeiter und Rollen so gravierend unterscheiden, gibt es dann überhaupt Basisanforderungen für einen Consultant? Aus meiner Sicht ja! Es existiert ein harter Kern an Must-Have Kriterien, bestehend aus sozialen, methodischen und fachlichen Fähigkeiten eines Consultants. Sowohl Neueinsteiger als auch alte Hasen sollten diese erfüllen. Als Lohn winken ein begeisterter Kunde, ein zufriedener Arbeitgeber und ein freundlicher Kollege.
Doch worin bestehen nun diese Anforderungen? Nachfolgend präsentiere ich Dir eine Übersicht über wichtige Anforderungen an einen Unternehmensberater aus Sicht des Kunden, Arbeitgebers und Kollegen. Einige der Kriterien sind sicherlich recht generisch, treffen auch für viele andere Berufsgruppen zu. Andere wiederum sind spezifisch für einen Consultant. Bewusst habe ich die Anforderungen nicht priorisiert. Je nach Unternehmensberatung, Projekt und Clienten liegen die Schwerpunkte verschieden bzw. entfallen einzelne Anforderungen ganz.
Der „Top-Berater" aus Sicht des Kunden
Es liest sich so einfach: die Problemstellung und die angestrebte Lösung des Kunden definieren die Anforderungen an den hinzugezogenen Berater. In der Praxis ist das leider nicht so simple. Auf der einen Seite sind die harten methodischen und fachlichen Anforderungen die mit den Projektaufgaben einhergehen. Auf der anderen die weichen zwischenmenschlichen Kriterien. Aus eigener Erfahrung gestaltet es sich manchmal diffizil herauszubekommen, was König Kunde aktuell von einem als Consultant erwartet. Einige wiederkehrende Anforderungen aus Sicht des Kunden lassen sich dennoch zusammenfassen:
- Für Projekt erforderliche fachliche, methodische und soziale Kompetenzen
- Integrationsfähigkeit im Unternehmen (Linie und Projekt)
- Ergebnisorientierung und Kreativität
- Motivation und Wille zu Entlastung („Dienende Berater")
- Offen bei Weitergabe von Wissen und Know-How
Mit reinen fachlichen Kompetenzen erfüllt ein Consultant die Basisanforderungen. Mit zunehmender Berufserfahrung wachsen methodische und die (für eine gute Kundenbeziehung essentiellen) sozialen Fähigkeiten.
Ein „Traumberater" aus Sicht des Arbeitgebers
Fakt ist: eine Unternehmensberatung möchte ihren Kunden exzellentes Personal zur Verfügung stellen. Dieses soll das aktuell beauftragte Projekt erfolgreich abwickeln und anschließend einen lukrativen Folgeauftrag sichern. Losgelöst vom genauen Consulting-Kontext sollte ein Berater aus Perspektive des Arbeitgebers folgende Anforderungen erfüllen:
- Guter bis sehr guter Hochschulabschluss
- Fachliches und technisches Knowhow (z.B. Branche, Domäne, Technologie)
- Methodische und soziale Kompetenzen
- Geistige Flexibilität und schnelle Auffassungsgabe
- Teamfähigkeit und Kundenorientierung
- Leistungsbereitschaft und Fokussierung
- Professionelles Auftreten und Verhaltensregeln
- Auslandserfahrung gepaart mit verhandlungssicherem Business-Englisch
- Reisebereitschaft und Belastbarkeit
- Microsoft Office Kenntnisse
Je nach Einstiegszeitpunkt in eine Unternehmensberatung und die damit übernommene Karrierestufe verschieben sich die Gewichte der Anforderungen. Fordert die Beratung von einem Uniabgänger beispielsweise eine hohe Reisebereitschaft, dafür aber weniger Branchenwissen ein, sollte ein erfahrener Senior Consultant über detailliertes Domänenwissen und ausgeprägte soziale Kundenkompetenzen verfügen.
Nicht unbedingt erforderlich aber durchaus geschätzt vom Arbeitgeber sind die Erfüllung folgender Anforderungen durch den zukünftigen Beraterkollegen.
- Mitarbeit in einer studentischen Unternehmensberatung
- Weiterführende Qualifikationen, z.B. in Form einer Promotion oder eines Master of Business Administration (MBA)
- Praktika- und Werksstudententätigkeiten
- Zusätzliche Fremdsprachen
Obwohl die Bewerbungsprozesse für die Neuanstellung eines Consultants lang und umfassend sind, kann ein Beratung nicht jede Anforderung bis ins letzte Detail überprüfen. Genau deshalb setzen die verantwortlichen Personaler verstärkt Recruiting-Werkzeuge ein. Consulting Cases, Brainteaser, Assessment Center, usw. testen eine Mehrzahl der Anforderungen zu einen gewissen Grad ab, helfen den Beratungen somit das Risiko einer Fehlbesetzung zu senken.
Der „Wunschberater" aus Sicht des Kollegen
Die Anforderungen von Kollegen an einen Consultant decken sich größtenteils mit denen des Arbeitgebers. Aufgrund der direkten Zusammenarbeit in Kundenprojekten und internen Vorgaben sind folgende Kriterien aus meiner Erfahrung für Kollegen besonders wichtig:
- Kreativität und Motivation im Projekt
- Team- und Führungsfähigkeit
- Offenheit und Kommunikationsfreude
- Strukturierte Arbeitsorganisation und Selbstmanagement
- Motivation und Spaß bei der Projektarbeit
Kein Berater mag gerne eine trübe Tasse als Kollegen haben. Auf der anderen Seite der Skala möchte sich auch niemand mit einem Consulting-Neuanfänger beim vertrauten Stammkunden blamieren. Ein gesundes Mittelmaß ist wichtig.
Fazit
Als Unternehmensberater erfüllst Du nicht nur die Anforderungen Deines Arbeitgebers und den Kollegen. Mindestens ebenso wichtig (bzw. noch bedeutender) sind die Anforderungen Deines Kunden. Das diese nicht immer Deckungsgleich sind, manchmal gar im Konflikt stehen, ist eine der Herausforderungen, welche Du beim Unterzeichnen Deines Arbeitsvertrages implizit annimmst.
> Welche Anforderung sollte ein Berater unbedingt erfüllen? Und welche kann er getrost unter den Tisch fallen lassen? Nutze die Kommentarfunktion!