Der durchschnittliche Grünenwähler

Nach all dem, was man über den durchschnittlichen Grünenwähler so hört, scheint er ziemlich...

... asozial zu sein, weil er die ursprüngliche Vision der Grünengründer, wonach soziale Gerechtigkeit und Ökologie zwangsläufig eine Symbiose eingehen müssen, wenn sie jeweilig zum Erfolg kommen wollen, aufgegeben hat. Ökologisches Wirtschaften birgt soziale Teilhabe - überall dort, wo nicht ökologisch gewirtschaftet wird, liegt auch schnell die soziale Partizipation darnieder (beispielsweise in der Massentierhaltung, die neben nicht artgerechter Haltung auch noch Arbeitsplätze abbaut und die verbliebenen Stellen zu Niedriglohn anbietet). Der durchschnittliche Grünenwähler hat den ökologischen Gedanken von sozialen Aspekten gelöst. Er glaubt, dass seine zögerliche Bereitschaft zum Umweltschutz (nicht zum Ökologismus!) völlig ausreichend ist, um die Gesellschaft zu verbessern. Soziale Blickpunkte kümmern ihn wenig - er ist ohnehin meistens finanziell bessergestellt, weshalb ihm der Sozialstaat als Auffangbecken gescheiterter Existenzen gilt. Daher ist er in besonderem Maße...

... elitär. Der Sozialabbau wird von ihm getragen und gefordert - zur Aktivierung der Faulpelze, versteht sich. Denn das grüne Menschenbild ist ein optimistisches: entzieht man den Bedürftigen die Hilfe, so erkennt er es als Akt der Belebung eingeschlafener Lebensgeister. Der Sozialstaat ist für ihn eine soziale Hängematte, die ihm viel Geld kostet, sich für ihn allerdings wenig rechnet. Leider unterstützt der Staat die Falschen, ereifert sich der durchschnittliche Grünenwähler. Es sei ja letztlich im Namen Malthus eine Sünde, Hilfebedürftigen unter die Arme zu greifen - denn somit vermehre sich die Hilfsbedürftigkeit über Generationen. Ihm selbst müsste man helfen; Elterngeld, Kindergeld und steuerliche Vorteile sind für ihn die wirklichen Legitimitätsgründe des Sozialstaates. Dabei denkt er freilich auch ganz...

... klassistisch, denn er wähnt es als gelebten Sozialstaat, dass ihm der Staat einen Kindergarten in seinen Vorort baut, in dem er seine Kinder abgeschieden von Prekariatskindern einquartieren kann. Dort unterhält er sich auf Augenhöhe mit anderen durchschnittlichen Grünenwählern, die die Nase rümpfen, weil der Bodensatz der Gesellschaft nicht umweltbewusst frisst, sondern sich an Discounterware schadlos hält, die ja ökologisch bedenklich sei. Die Unterschicht denke einfach nicht nach und wolle es nur immer billiger, noch billiger und fresse jeden Dreck, wird nachher rund und fett und verursacht Unkosten bei den Krankenkassen, die dann wiederum ihre Beiträge erhöhen, die man dann für die Unterschicht stemmen müsse. Selbst kauft man nur biologisch Angebautes, Fair Trade sowieso - das sei zwar teuer, aber man gönne einer fleißigen Kinderhand, die schon mit neun Jahren Kaffee pflücke, doch ein wenig Auskommen. Bei all der Diskussion wird offenbar, wie...

... heuchlerisch der durchschnittliche Grünenwähler ist. Denn von der alten Losung, dass im radikalen Umdenken, der ökologischen Wende, eine Verbesserung der globalen Lebensqualität liege, weiß er heute nichts mehr. Er denkt nicht ökologistisch, er denkt in ganz kleinen Kategorien. Umweltschutz nennt er das dann. Anstatt an die kranke Wurzel zu gehen, will er ein wenig am Blattwerk schnippeln. Müll sortieren - nicht Müll vermeiden; man sei schließlich realpolitisch geworden und habe erkannt, dass der Markt selbst dazu neige, ökologistischen Ansätzen Raum zu geben, wenn sie sich nur rentieren. Man könne als Partei nicht ein Produktionssystem einfordern, das im Einklang mit der Natur und dem Menschen stehe. Das müsse der Markt schon selbst tun - und er tut es ja teilweise auch. Der durchschnittliche Grünenwähler ist im Laufe der Jahrzehnte...

... marktradikal geworden. Reformen wie Hartz IV waren unter grüner Mitwirkung nicht nur deshalb denkbar, weil der soziale Aspekt eine unwesentliche Nebenrolle im Weltbild des durchschnittlichen Grünenwählers spielt. Sie waren machbar, weil das grüne savoir vivre davon überzeugt ist, dass der heutige Markt endlich dem Menschen diene. Der Kapitalismus ist für ihn keine zu überwindende Zwischenstufe mehr, denn er glaubt, dass der Kapitalismus, wie wir ihn heute haben, bereits sozialer, gerechter und ökologischer geworden ist. Hartz IV, das den Hilfebedürftigen auf Gedeih und Verderb den perversen Mechanismen eines rein profitorientierten Arbeitsmarktes ausliefert, ist auch deshalb geschehen, weil Grüne inbrünstig glauben, dass der Mensch im Markt blendend aufgehoben ist und zwangsläufig seinen Platz finden wird. Dass der Markt funktioniere, so denkt der durchschnittliche Grünenwähler, erkenne man auch daran, dass McDonalds seinen Big Mac nicht mehr in Boxen aus Polystyrol, sondern in umweltverträgliche Kartons packt. Er hält das für die natürliche Selektion auf dem Markt. Wo die nicht greift, da tritt er dann schon gerne mal...

... kolonialistisch auf. Da ist er der dringlichen Ansicht, dass man dieser natürlichen Selektion in die Schuhe helfen muß, wenn geostrategisch wichtige Weltregionen abhanden kommen. Der durchschnittliche Grünenwähler von heute kennt den ursprünglichen Pazifismus der frühen Grünen nicht - er glaubt den Parolen, die aus Krieg Friedensmissionen machen. Ja, er prägt solche Chiffren sogar mit, streut sie in gutgläubiger Naivität unter die Menschen. Einem rückständigen Volk, so glaubt der durchschnittliche Grünenwähler, dürfe man die Aufklärung und die Menschenrechte auch mit Gewalt auferlegen. Man tue das ja für einen hehren Zweck - Krieg sei zwar ultima ratio, aber wenn es nicht anders geht, dann sollte man ihn kaltschnäuzig befürworten - "mit Bauchschmerzen", wie einer der grünen Standardsprüche lautet. Die westliche Welt habe die Aufgabe, den Rest der Welt zu missionieren. Das grüne Sendungsbewusstsein will in Kriegen nicht wahllos Gegner töten - es will Gegner umerziehen, wenn nicht anders machbar, dann auch mit harten Erziehungsmethoden. Er ist ein sonderbarer Pazifist und damit nur...

... eine Karikatur von einem Konservativen oder einem Liberalen. Er sattelte im Laufe weniger Jahrzehnte zu einer Mischung aus snobistischem Konservativen und ignoranten Marktliberalen um. Nichts von dem, was einst zur Gründung dieser Partei inspirierte, ist heute im politischen Personal oder in deren Wählerschaft vorzufinden. Angepasste, wohlgenährte und wenig progressiv denkende Pharisäer, die manchmal laut Skandal! skandieren, um als Salon-Protestler wahrgenommen zu werden. Die soziale Frage ist gänzlich aus dem Parteiprogramm verschwunden - sie ist ja auch nicht die Frage der durchschnittlichen Grünenwähler. Sicherlich tut der gerne betroffen, aber letztlich erklärt er selbstsicher: dem Starken geschieht kein Unglück, der Schwache ist es aber...


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