De dicto

"Das heißt aber auch: Proteste, Bürgerbegehren und Widerstand gegen neue Anlagen und Stromtrassen darf es nicht mehr geben!
Denn eines funktioniert nicht: an der Wahlurne die Atomwende zu erzwingen - und die Alternativen dann zu blockieren.
"
- Jan-W. Schäfer, BILD-Zeitung vom 2. April 2011 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Dass es Murren gibt, weil saubere Energie genutzt wird, um die Einnahmen der Energiekonzerne zu erhöhen, damit kann mit Jan-W. Schäfer konform gehen. Natürlich wird der Verbraucher seine Unzufriedenheit kundtun - und ohne dass es die Mehrheit der Unzufriedenen weiß, weil es der zunächst nur um die eigene Geldbörse geht, trifft das wahrscheinlich sogar eine legitime Ursache: denn sauberer Strom ist nicht teurer, man bedenke nur die Folgekosten, die Atomenergie verursacht; Kosten, die heute vielleicht nur ein Bruchteil dessen sind, was später noch auf uns zukommen kann - die Endlager sind ja nicht aus der Welt, sie sind da und werden irgendwann eine Rolle spielen; und Reaktoren strahlen nach einer Stilllegung auch weiter. Außerdem kann saubere Energie aus Wind und Sonne durchaus relativ kostengünstig erzeugt werden, wenn sie dezentralisiert entsteht - viele kleine Solaranlagen, Photovoltaik auf Hausdächern, statt gigantische Solarfelder, die von Energiekonzernen verwaltet werden. Und dass die Energiepolitik in staatliche Hand gehört, damit diese Energie zum Selbstkostenpreis herstellt, ist keine kommunistische Losung, sondern einzig annehmbare Alternative und logischer Denkansatz.

Dass Jan-W. Schäfer sich jedoch dafür ausspricht, dass es zukünftig keine "Proteste, Bürgerbegehren und Widerstand gegen neue Anlagen und Stromtrassen" geben darf, damit sollte man nicht nur nicht konform gehen - man muß es gezielt als antidemokratischen Akt begreifen. Man mag das Begehren derer, die pro Atomenergie und damit für eine vermeintlich billigere Lösung wären, ja nicht teilen. (Diejenigen, die protestieren würden, weil sie billigen Solar- oder Windstrom haben möchten, fände man freilich sympathischer.) Aber ihnen das Recht aberkennen zu wollen, ihre Ansichten öffentlich zu vertreten, das ist eine Aufforderung von geradezu faschistoidem Verständnis. Denn was Schäfer hier postuliert ist die Einheitsfront. "Der Wähler" habe entschieden - wobei nicht mal klar ist, ob mit der Installierung der Grünen auch wirklich eine solche Entscheidung getroffen wurde! - und weil er das hat, so muß "der Wähler" nun auch einheitlich hinter seiner Entscheidung stehen. "Proteste, Bürgerbegehren und Widerstand gegen neue Anlagen und Stromtrassen darf es nicht mehr geben!" - nicht mehr geben! Da schwingt Verachtung mit, es liest sich so als wolle Schäfer damit sagen: genug geschwätzt, genug queruliert, Ende mit dem Debattierklub namens Demokratie. Jetzt gibt es kein Querulantentum mehr!
Für Schäfer und seine Postille ist das fürwahr alltägliches Denken. Proteste begleiten sie stets mit dem verächtlichen Ton solcher, die "den Staat" mit einer Einheitsfront der Interessen gleichsetzen. Es dünkt ihnen seltsam, dass in einer Demokratie verschiedene Interessen gegeneinander abgewogen werden - das ist freilich nicht immer einfach, zeitigt oft ärgerliche Resultate, ist aber unumgänglich. Demokratische Partizipation und das Recht auf Äußerung der Meinung anzufeinden: das galt auch dem braunen Zirkel in den Zwanzigerjahren als selbstverständlich. Die Demokratie koste Zeit, Nerven und es kehre nie Ruhe ein - eine Ruhe, die Schäfer nun auch fordert. Man ist freilich flexibler geworden, ist nicht starr ideologisch; jedenfalls nicht in kleinen Sparten, die Ideologie ist universeller, denn sie lautet: Profitmaximierung! Ob die mit Solarenergie oder mit Atomstrom geschieht, das ist nicht so wichtig - die Ideologie ist ein Ziel, kein Weg dorthin. Man arrangiert sich damit, dass möglicherweise viele Menschen saubereren Strom möchten. Aber dann bitte Ruhe, damit der Betrieb nicht gestört wird. Keine Gegenmeinung mehr, kein Aufbäumen, kein Protest gegen hohe Kosten, die nicht sein müssten, betriebe man eine zielgerichtete Energiepolitik und würde diese obendrauf auch noch vergesellschaften. Demokratie soll sein, wenn alle an einem Strang ziehen - die Wiederbelebung des Bonapartismus!

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