Kleine Länder schützen ihre Traditionen. Das dürfte einem gerade in Österreich besonders bewusst sein. Es gibt aber Länder, bei denen die Folklore eine mindestens ebenso große Rolle spielt, besonders wenn es um Wein geht. Ein gutes Beispiel ist das Großherzogtum Luxemburg. Ein Gastbeitrag von Laurens Mauquoi.
Zur Illustration: In dem „kleinsten Anbaugebiet der Welt“ gibt es nicht nur eine, sondern gleich zwei Weinköniginnen. Am zweiten und dritten Sonntag im September werden die Weinkönigin in Grevenmacher und die Rieslingskönigin in Wormeldange gekrönt. Beide dürfen anschließend ein Jahr lang die luxemburgische Weinindustrie im In- und Ausland repräsentieren. Luxemburg scheint überhaupt das Land der Weinfeste zu sein. Nahezu jedes Dorf an der Mosel organisiert mindestens eine Bacchusfeier oder hat gleich das Dorffest in ein Trinkgelage umfunktioniert. Im Gegensatz zu Österreich, wo manche Menschen das Trinken von Alkohol in Filmen verbieten möchten, hat das Saufen Tradition im Großherzogtum.
Wenn man also mal nach so richtig „exotischen“ Flaschen sucht, muss man nicht direkt zumChâteau Ksara aus dem Libanon greifen. Luxemburg ist den meisten auch nicht wirklich geläufig (man findet die Weine so selten im Ausland) und die Tropfen unterscheiden sich doch stark von dem, was man in Österreich so trinkt. Wer luxemburgische Weine kennenlernen möchte, macht sich am besten im September ins Großherzogtum auf, da dann die meisten Feierlichkeiten stattfinden. Diese bieten dem Besucher die Gelegenheit, unbekannte und trotzdem interessante Weine kennenzulernen, ohne dabei direkt ans andere Ende der Welt reisen zu müssen.
Denn neben meinem persönlichen Faible für Folklore, muss ich sagen, dass die Qualität herausragend ist. Und das zu einem fairen Preis. Fragt man einen Luxemburger Winzer, ob seine Weine teuer sind, bejaht er das paradoxerweise fast immer. Hierin macht er aber einen kommerziellen Denkfehler, denn die Supermarktweine aus Chile sind kein fairer Vergleich. Stellt man zwei gleich gute Rieslinge, einen aus Deutschland, den anderen aus Luxemburg nebeneinander, dann kann man davon ausgehen, dass der Luxemburger günstiger ist. Und das in einem Land mit 2300 Euro Mindestlohn!
Der Wein hat in Luxemburg, wie in manch anderem Anbaugebiet, in den letzten 50 Jahren unglaubliche Qualitätssprünge gemacht. Zuerst entschied man sich, dem quantitätsorientierten Anbau den Rücken zu kehren und ein nach französischem Muster ausgelegtes Prädikatsystem einzuführen. Dann wurden die einfacheren Sorten, wie Elbling und Müller-Thürgau durch edle Reben ersetzt. Auch wenn der Rivaner heute noch 22 % der Fläche ausmacht, haben Riesling, Pinot Gris und Auxerrois ihren Aufstieg längst begonnen. In den letzten zehn Jahren setzten auch immer mehr Winzer auf Chardonnay (sowohl für den sortenreinen Ausbau als auch zur Verwendung im Crémant) und Pinot Noir. Für viele ist der Riesling wohl der beste Luxemburger Wein, doch ich möchte an dieser Stelle den Auxerrois besonders hervorheben.
Da der Auxerrois fast ausschließlich im Großherzogtum vorkommt, wird man nahezu gezwungen nach Luxemburg zu reisen, um ihn zu verkosten. Er gilt dann auch als typisch luxemburgisch! Lange Zeit ging man davon aus, dass er eine Spielart des Weißburgunders sei, bis Untersuchungen ergaben, dass es sich um eine Kreuzung zwischen einer Pinot-Art und dem Gouais Blanc handelt. Die Rebe bevorzugt fette, kalkhaltige Böden und ergibt körperreiche Weine, welche elegant fruchtig (Melone und Mirabelle) und von nicht zu starker Säure sind. Dadurch, dass die meisten Winzer ihre Erträge in den letzten Jahren bewusst verringert haben, hat sich auch die Lagerfähigkeit des Auxerrois deutlich verbessert. Manche Winzer bewahren ihn mittlerweile im privaten Keller bis zu 20 Jahre auf. Wenn man die Gelegenheit hat, einen solchen Auxerrois zu probieren, haut einen die ausgezeichnete Struktur regelrecht um.
Leider lässt das Format dieses Artikels es nicht zu, auf jedes Detail des Luxemburger Weinbaus einzugehen. Am besten man macht sich vor Ort selbst ein Bild. Als Österreicher sollte man keine Angst vor einer Reise ins Moseltal haben. Deutsch ist schließlich, neben dem Französischem und Luxemburgischen, eine der offiziellen Amtssprachen.
Über den Autor: Laurens Hubert Mauquoi arbeitet hauptberuflich für ein bekanntes deutsches Startup in Berlin und ist seit kurzer Zeit mit seinem eigenen Projekt LaCuenta als Unternehmer unterwegs. In seiner Freizeit verkostet er gern und viel Wein. Seine Meinung dazu kann man regelmäßig auf seinem Weinblog nachlesen. Da er in Luxemburg aufgewachsen ist, hat er einen besonderen Bezug zum kleinen Land. So brachte er letztes Jahr, zusammen mit seinem Vater, das erste Buch zum Thema Luxemburger Wein heraus.