Das Smartphone gehört dazu – zum Alltag, zu besonderen Aktivitäten, zur Gesellschaft und nun auch zur Kunst. Mit einer ausdrucksstarken und auf vielen Ebenen der Realität funktionierenden Ausstellung bereitet die aus Spanien stammende Künstlerin Silvia Grav die Themen VR und AR vermittels einer Ausstellung in Porto, Portugal auf. Ich war bei der Eröffnung dabei und berichte an dieser Stelle über die Möglichkeiten, die sich durch die neuen Technologien bieten.
Print-, VR- und AR-Ausstellung „this is not here.“ von Silvia Grav
Den Löwenanteil der Werke bei dieser am 14. Mai 2016 eröffneten Ausstellung machen immer noch gedruckte Werke aus. Einige davon lassen sich aber auch mit einem Utensil erleben, das eh jeder Zweite in der Hand hält: mit dem Smartphone. Wer die App Aurasma installiert, sie ausführt und die Kamera des Mobilfunkgeräts auf eines der Bilder hält, der bekommt die originale Fotografie angezeigt, die der Drucksache als Vorlage diente. Wer in die Ausstellung der Galeria Red Nankim (zwischen Touristenbüro und „Ponte de Dom Luís I“-Brücke) geht und noch nicht mit der App bewaffnet ist, der kann das dortige WLAN zum Download nutzen.
Zudem gibt es zwei Installationen mit VR-Brillen, Kopfhörern und einer Nutzungsanleitung in Englisch. Hier kann man sein Smartphone in die Brille einsetzen und mit der in360Tube-App von YouTube 360°-Videos schauen. Wie man jene von Silvia Grav findet, die zu den jeweiligen Installationen gehören, das liest man auch vor Ort. Gezeigt wird unter anderem eine schon viel gelobte Collage von menschlichen Emotionen der Künstlerin. Diese setzt sich im Verlauf des Videos zusammen, sodass am Ende das Ganze im dreidimensionalen Raum sichtbar wird.
Eine junge Künstlerin als Vertreterin ihrer Generation
Gerade der jungen Generation wird immer nachgesagt, dass sie sehr technikaffin sei und eh den ganzen Tag an Laptop und Smartphone hängt. Bei vielen stimmt das auch; und so ist es nicht verwunderlich, dass gerade Silvia Grav eine der ersten Künstlerinnen ist, welche diese Technik aktiv und professionell in ihr Schaffen einbinden. Im Jahre 1993 geboren und mit einem abgebrochenen Kunst-Studium in der Tasche wurde Grav im Alter von 19 Jahren von der Foto-Plattform Flickr entdeckt und ausgezeichnet. Daraufhin folgten Zusammenarbeiten mit namhaften Firmen wie HBO, Lexus und weiteren. Heute kann sie als Vollzeitkünstlerin tätig sein.
Grav ist meist selbst ihr eigenes Model und stellt emotionale Gesten sowie unterschiedlichste Mimik dar. Hinzu kommt, dass fast jedes Kunstwerk monochrom sowie verfremdet bzw. bearbeitet daherkommt. Als Betrachter bekommt man also das zu sehen, was die Künstlerin sagen möchte. Wer mithilfe der Augmented Reality, also der erweiterten Realität, das originale Bild dahinter abruft, der sieht zudem wie dieses innere Empfinden von außen gesehen ausschaut. Und hier verbirgt sich die nächste Ebene bzw. eine Aussage dieser Kunst: So sieht ein Mensch aus (Original) und das fühlt er in diesem Moment (Bild an der Wand).
Interview mit Silvia Grav zu ihrer neuen Ausstellung „this is not here.“
Ich kenne dich vor allem aufgrund deiner Fotografien. Was war deine Intention als du mit Augmented und Virtual Reality angefangen hast? Hattest du die Grenzen des Machbaren in der Fotografie erreicht?
Ich werde schnell von allem gelangweilt, vor allem wenn ich die Grenzen davon sehen kann. Das Gute an der Fotografie ist, dass es sehr schwer ist, die Grenzen zu finden. Wahrscheinlich weil sie sich schneller ändert als wir die Kapazität haben, sie komplett zu beherrschen, und das ist es, was mich nun schon seit fünf Jahren an ihr gehalten hat. Meine Intention mit der VR war, zwei Sprachen zu mischen. Und jetzt sehe ich die VR wie einen neuen Arm oder eine Verlängerung der Fotografie und des Filmschaffens. Ich weiß noch nicht genau wie, aber ich ahne, dass sie alles verändern wird.
Denkst du, dass es in der Kunst einen allgemeinen Prozess hin zu neuen Technologien geben wird oder wird das nur etwas für wenige Künstler und eine kleine Zielgruppe sein?
Ich sehe die Kunst als die Repräsentation von Gedanken, Gefühlen und im Allgemeinen des menschlichen Gehirns, und das über die ganze Geschichte hinweg. Ich denke, sie [die Technologie] wird in der Kunst gewaltig werden, weil sie immer mehr Bereiche unseres Lebens berührt. Kunst ist einer davon.
Bitte beschreibe deine Ausstellung, die am 14. Mai 2016 in Porto, Portugal eröffnet wurde. Würdest du sie immer noch als etwas Experimentelles beschreiben – oder hast du VR und AR bereits komplett verstanden?
Die Ausstellung an sich war eine Art Spiel, um damit zu beginnen, mit den Möglichkeiten der VR zu spielen. Ich hatte sowas zuvor noch nie gemacht, also dauerte es schon eine Weile, darüber nachzudenken, wie man damit etwas ausdrücken kann. Also habe ich auch nichts davon erwartet, ich habe eine Ausstellung vorbereitet, die für sich selbst funktioniert (ohne die VR) und habe einfach ein paar Dinge hinzugefügt, die ich aktuell ausprobiert habe. Ich weiß, wie ich sie [die VR] steuern kann, aber ich brauche mehr Zeit, um diese neue Sprache zu lernen und um zu lernen, wie ich damit das sagen kann, was ich sagen will.
Welche Möglichkeiten bekommst du durch die VR und die AR, die du mit der herkömmlichen Kunst nicht hast?
Ich kann kraftvoller und eindringlicher sein und den Betrachter mehr fühlen lassen, drei Dinge, die ich an der Kunst sehr schätze. Vor allem aber das Eintauchen und die Konzentration. Die Schnelligkeit und Verrücktheit in der Art, wie wir unsere Leben jetzt leben, machen es manchmal richtig schwer, fähig dazu zu sein, sich auf etwas zu fokussieren. Und deshalb brauchen wir neue und interessantere Erfahrungen, die unsere Aufmerksamkeit behalten.
Was ist deine persönliche Vorhersage für diese Technologien? Wirst du dich weiterhin darauf konzentrieren oder wirst du sie „nur“ zu deinem Portfolio hinzufügen nebst Film und Fotografie?
Ich kann nicht anders als mich für neue Technologien, für Gefühle, Erfahrungen und Wissenschaften zu interessieren. Aber ich liebe trotzdem die „pure“ Fotografie und wie angenehm es ist, wenn ich exakt das bekomme, was ich mir vorher vorstelle. Also muss ich die Zeit finden, beides zu tun.
Hier findet ihr Silvia Grav auf Facebook
Es funktioniert alles auch mit Android-Geräten
Zugegeben: geschaffen wurde diese Kunst nicht mit Android-Geräten. Wer allerdings Android als Betriebssystem auf seinem Smartphone nutzt und demnächst in Porto verweilt, der kann die Kunst von Silvia Grav allerdings uneingeschränkt bewundern. Ich habe es selbst am Eröffnungstag mit einem Sony Xperia Z2 für Android-News.de getestet, und sowohl beide Apps als auch deren Anwendung waren damit möglich. Die Galeria Red Nankim versteckt sich in der Avenida Vímara Peres 50; zu finden ist sie also direkt auf der nördlichen Seite der berühmtesten Brücke der Stadt (obere Plattform), über die unter anderem die Metro fährt. Wer also demnächst in Porto Urlaub macht und nach 15:00 Uhr dort vorbeikommt, der sollte einen Abstecher in die Galerie machen – der Eintritt ist frei!