Das Märchen der Märchen
5FantasyDas Märchen der Märchen (Originaltitel: Il raconto dei racconti) verspricht schon über den Titel viel. Märchen sind Teil aller Kulturen dieser Erde, also nimmt sich der italienische Regisseur Matteo Garrone viel vor, wenn er diesem literarischen Genre hiermit ein Denkmal setzen will.
Drei Geschichten Rund um märchenhafte Adelige werden in der Erzählung verwoben. Eine Königin (Salma Hayek) sehnt sich nach Nachwuchs, den sie mit ihrem Gemahl (John C. Reilly) nicht produzieren kann, und lässt sich von einem hageren Wahrsager beraten. Seine Instruktionen helfen ihr zwar schwanger zu werden, kosten jedoch ihrem Mann das Leben und verschaffen auch einer Magd auf magische Weise zu einem Sohn. Haben die Sprösslinge (Christian und Jonah Less) zwar verschiedene Mütter, so gleichen sie sich doch wie eineiige Zwillinge. Die Königin versucht sie zu trennen, mit tragischen Folgen. In einem anderen Reich spielt Vincent Cassel den Herrscher und verfällt einer alten Färberin (Shirley Henderson) ohne ihr Antlitz je zu Gesicht bekommen zu haben, welche ihm vorgaukelt eine junge Schönheit zu sein. In der dritten Geschichte mimt Toby Jones den royalen Vater, der einen Floh zur riesenhaften Größe heranzüchtet, und nach dessen Ableben seine Überreste benutzt um ein Ratespiel auszurichten, welches darauf ausgelegt ist für seine Tochter (Bebe Cave) ja keinen Ehemann zu finden, was ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg erzielt.
Zuerst zu den Schwächen des Films: die Schauspieler haben in ihren Rollen wenig Raum, um wirklich etwas herausragendes zu schaffen, auch da durch die erzähltechnische Dreiteilung die Zeit der Schauspieler auf der Bühnen begrenzt ist. Innerhalb des Genres der Märchen und Sagen sind zwar stereotype Darstellungen Usus, jedoch muss es denn auch nicht immer so sein. Hier bleibt der Film einfach „ein“ Märchen und nicht „das“ Märchen – was jedoch bei der teilweise mit recht bekannten Schauspielern ausgestatteten Besetzung etwas überrascht. Trotz oder vor allem wegen der Starbesetzung werden einprägsame Charaktere ausgetauscht mit der traurigen Königin Hayek, dem lüsternen König Cassel und dem flohliebenden König Jones.
Was jedoch zu überzeugen weiß ist die Ausstattung und die Drehorte, da alles in und um italienischen Schlössern und dazugehörigen Landschaften in authentisch wirkenden mittelalterlichen Kostümen abgedreht wurde. So werden die Bilder gleichzeitig malerisch und trotzdem historisch und geographisch greifbar – und zur größten Stärke von Matteo Garrones englischsprachigen Erstlingswerk.
Die Erzählungen entfalten sich langsam, so dass man die Einstellungen trotz etwas platter schauspielerischer Leistungen genießen kann. Vor allem bei Sagen werden ja oft einzelne Schritte der Handlung sehr schnell abgehandelt, da die Strukturen und Themen allseits bekannt sind und wenig neues etabliert werden muss. In Das Märchen der Märchen herrschen jedoch langatmige und elegische Einstellungen, die selten durch wirklich dramatische oder unberechenbare Action durchbrochen werden. So wird die Aufmerksamkeit des Zuschauers zeitweise recht strapaziert – wieso sollte man auch am Rande des Kinosessels fingernägelkauend festgenagelt sein, wenn man eine Minute die Augen schließen könnte und noch immer die beinahe selbe Einstellung oder Szene vorfände, beziehungsweise noch im Schlaf den weiteren Verlauf der Geschichte vorhersagen kann.
Das vom Titel vorgegebene Ziel wird so wohl zumindest in Teilen verfehlt, sofern es nicht sowieso von vornherein mit einem Augenzwinkern versehen sein sollte. Zwar kann man Garrones Machwerk nicht streitig machen märchenhaft zu sein, aber exemplarisch für diese Erzählform oder gar innovativ und einprägsam ist das Endprodukt wohl nicht. Wer jedoch genug hat von durch Hollywood aufbereitete Sagen könnte jedoch mit Das Märchen der Märchen trotzdem einen nicht groß fordernden und entspannenden Kinoabend finden.
Regie: Matteo Garrone, Drehbuch: Edoardo Albinati, Ugo Chiti, Matteo Garrone, Massimo Gaudioso, Darsteller: Salma Hayek, Vincent Cassel, Toby Jones, John C. Reilly, Shirley Henderson, Filmlänge: 125 Minuten, Kinostart: 28.08.2015, www.märchendermärchen-film.de
Autor
Axel SabitzerAufgabenbereich selbst definiert als: Blockbuster-Kritisierer. Findet “When you want to know how things really work, study them when they’re coming apart.” (Gibson) schon richtig, ärgert sich aber trotzdem oft über schlechte Filme.
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