Das gute Buch: „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!“ von Patricia Cammarata (mit Verlosung)

Am 27. März ist „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss" von Patricia Cammarata erschienen. Das Timing hätte nicht besser sein können, traten doch circa zwei Wochen zuvor die umfangreichen Kontaktbeschränkungsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Epidemie inklusive Kita- und Schulschließungen in Kraft. Okay, aus Vertriebssicht war der Zeitpunkt eher ein Griff ins Klo. Aufgrund des conorabedingten Hamsterkonsumverhaltens hatte Amazon entschieden, lieber Klopapier als Bücher auszuliefern, und wegen der behördlichen Vorgaben blieben deutschlandweit nahezu alle Buchläden geschlossen. Keine guten Voraussetzungen, um eine Millionenauflage zu verkaufen.

Trotzdem war das Veröffentlichungsdatum ein absoluter Volltreffer. Normalerweise pflegen viele Eltern eine derart kritisch-ablehnende Haltung zu elektronischen Medien als seien sie Vorsteher einer Amish-Gemeinde. In Zeiten von Home Office bei gleichzeitigem Home Schooling oder Home Kindergardening kamen viele Eltern allerdings zu der Erkenntnis, dass zu rigide Mediennutzungsvorgaben eher weniger isolationsalltagstauglich sind. Wenn du bei einer wichtigen Telefonkonferenz nicht gestört werden willst, können eine bis achtzehn Folgen Peppa Wutz doch recht hilfreich sein.

Eltern, die der in Zeiten von Corona leicht aus dem Ruder gelaufene Medienkonsum ihrer Kinder mit Unbehagen erfüllt, können Trost in Patricia Cammaratas neuem Buch finden, dass ihnen zuruft: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkünde euch große Freude, die allem Volk widerfahren ist." Nein, das war ein anderes Buch. Das von Patricia Cammarata beruhigt die besorgten Eltern mit einem aufmunternden: „Keine Panik! Eure Kinder werden nicht sofort fett, dumm und aggro, nur weil sie mal etwas länger am Computer sitzen.

Disclosure

Aufgrund wettbewerbsrechtlicher Gründe habe ich den Beitrag mit „Werbung" überschrieben, möchte aber darauf hinweisen, dass mir weder vom Eichborn Verlag noch von der Autorin finanzielle oder anderweitige materielle Vorteile für die Veröffentlichung des Posts versprochen wurden. Auf subtile Hinweise meinerseits, dass ich solchen Angeboten nicht prinzipiell ablehnend gegenüberstünde, wurde nicht einmal reagiert. Um mich nicht dem Vorwurf der Korrumpierbarkeit auszusetzen, verlose ich das Rezensionsexemplar, das mir der Verlag zur Verfügung gestellt hat. Wie bei meinen Buchvorstellungen üblich, möchte ich vorab offenlegen, dass Patricia und ich uns nicht nur persönlich kennen, sondern uns auch nicht vollkommen unsympathisch sind. (Möglicherweise bin nur ich dieser Meinung.) Vor einigen Jahren habe ich bereits ihr erstes Buch „Sehr gerne, Mama, du Arschbombe" recht wohlwollend besprochen. Seitdem ist meine Verehrung für das Werk Patricias und ihre Person auf ein sozial fast nicht mehr akzeptables Ausmaß angestiegen. Dennoch kann ich Ihnen versichern, dass mein Blick auf „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss" weder durch freundschaftliche Bande noch durch euphorische Bewunderung getrübt sein wird.

Die Autorin

Patricia Cammarata, 1975 - im besten aller Geburtsjahrgänge - geboren, ist mehrfache Mutter und niemand ist prädestinierter, einen medienpädagogischen Ratgeber zu schreiben, als sie. Sie hat sich bereits mit Computern beschäftigt und im Internet herumgetrieben, als das noch (meist männlichen) Menschen mit unreiner Gesichtshaut, einer gewissen Indifferenz gegenüber der regelmäßigen Haarwäsche und einer Vorliebe für ästhetisch fragwürdige schwarze T-Shirts mit Wolfsabbildungen vorbehalten war. Außerdem ist ihr Blog „Das Nuf" schon so alt, dass es Zigaretten und Bier kaufen darf, was Patricia Cammarata nicht zur Oma, sondern Grande Dame der Familienblogosphäre macht. Darüber hinaus hat sie einen Twitter-Account mit rund 17.000 Mitlesenden sowie einen Instagram-Account mit über 11.000 Abonnent*innen. Schließlich betreibt Patricia Cammarata nicht nur einen Podcast - das macht ja jeder Dödel -, sondern gleich drei (#nur30min - dann ist aber Schluss, Mit Kindern leben und Der Weisheit). Während ich diesen Beitrag tippe, hat sie wahrscheinlich noch zwei weitere Podcasts aufgesetzt.

Falls Sie nun einwenden, Internetsucht alleine qualifiziere niemanden zur Medienpädagogin, kann ich Sie beruhigen, dass Patricia Cammarata Diplom-Psychologin mit einem 1er-Abschluss ist. Dies sollte ihr ausreichend Autorität verleihen, dass Sie ihren Empfehlungen im Sinne des Milgram-Experiments mit blindem Gehorsam folgen können. (Ein sozialpsychologischer Insider-Gag, bei dem die Hälfte der Leser*innen angeödet abspringt.)

Das gute Buch: „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!“ von Patricia Cammarata (mit Verlosung)Patricia „Das Nuf" Cammarata (Foto: M. Richter)

Das Cover

Etwas mehr als die obere Hälfte des Covers nimmt der Buchtitel „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!" ein. Die Schreibweise in Großbuchtstaben sowie das Ausrufezeichen deuten darauf hin, dass die Erlaubnis der Mediennutzung von den Eltern als klare Ansage und Ultimatum gebellt wird. Oder sie steht sinnbildlich und prophetisch dafür, dass es nach Ablauf der halben Stunde zu größerem Geschrei aller Beteiligten kommt, da das Kind partout nicht einsehen wird, nun den Computer oder die Konsole auszuschalten.

Unterhalb des Titels ist ein Kind nebst einem mobilen Endgerät - entweder einem großen Handy oder einem kleinen Tablet -, einem Controller sowie einem Fernseher abgebildet. Letzterer erinnert an einen Fernsehapparat der 60er Jahre. Möglicherweise ein subtiler Hinweis darauf, dass sich Kulturpessimisten zu allen Zeiten mit der Einführung neuer Medien schwergetan haben. (Ich möchte nicht wissen, was sich Gutenberg bei der Einführung des Buchdrucks alles anhören musste. „Früher haben die Kinder nicht immer gelesen, sondern sind noch auf Bäume geklettert!!11!Elf!!!") Auf dem TV-Bildschirm ist ein rotes Gesicht abgebildet, das breit grinst und zwei Vampirzähne präsentiert. Es steht sinnbildlich für die elterliche Angst, dass elektrische Medien nicht das Blut, aber das Gehirn aus ihren Kindern saugt.

Das Kind sitzt nicht ruhig vor dem Fernseher, sondern baumelt mit einem Bein von der Titel-Sprechblase hinunter und stützt sich mit einer Hand am Boden ab. Soll dies implizieren, die übermäßige mediale Reizüberflutung führe direkt zu ADHS und mache es Kindern unmöglich, sich konzentriert und ruhig vor den Fernseher zu setzen? Oder sollen Eltern beruhigt werden, dass ihr Kind trotz übermäßigem Medienkonsum nicht zwangsläufig übergewichtig und unsportlich werden muss, sondern trotzdem zu akrobatischen Höchstleistungen fähig sein kann?

Der Inhalt

In zwölf Kapiteln behandelt Patricia Cammarata die Themen, die Eltern bezüglich des Medienkonsums ihrer Kinder umtreiben: von YouTube über Cyber-Mobbing und Whats-App bis hin zu Internet-Pornos und Computerspielen und vielem mehr. Gleich mit dem ersten Satz im Vorwort geht die Autorin all-in und verspricht Antworten auf die drängendsten medienpädagogischen Fragen:

  • „Machen Computerspiele und soziale Medien süchtig?"
  • „Wie lange sollten Kinder digitale Medien pro Tag nutzen dürfen?"
  • „Wann ist der richtige Zeitpunkt, dem Kind ein Smartphone zu kaufen?"

Allerdings werden im Folgenden keine 08/15-Lösungen nach Schema F präsentiert, denn die gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Kinder, ihre Empfindungen oder die Familienkonstellationen. Wer von „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss" eine Art Deus-ex-machina der Medienerziehung erwartet hat, wird vielleicht enttäuscht sein, sollte aber trotzdem weiterlesen.

Patricia Cammarata rät von strikten Verboten oder starren Regeln ab, die oftmals Vermeidungsstrategien seien, um sich nicht mit den Online-Interessen der eigenen Kinder befassen zu müssen. Die Medienerziehung komplett über Bord zu werfen und das Kind einfach machen lassen, sei aber genauso falsch. Es gehe kein Weg daran vorbei, sich als Eltern Zeit zu nehmen und auch das ein oder andere Medien-Produkt auszuprobieren, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Eltern sollten sich auch intensiv über soziale Plattformen, auf denen die Kinder aktiv sein wollen, informieren, z. B. über AGBs oder die Verwendung der User*innen-Daten. Gleichermaßen sollten Computer-Spiele, die die Kinder gerne spielen möchten, nicht einfach verboten werden, sondern Eltern sollten über das Spiel umfangreiche Informationen einholen. Möglicherweise sprechen sie dann immer noch ein Verbot aus, dann aber mit guten Gründen, die das Kind - vielleicht - nachvollziehen kann.

Im Prinzip geht es in „30 Minuten, dann ist aber Schluss!" nicht um die Medienerziehung von Kindern, sondern der ganzen Familie. Eltern werden beispielsweise ermutigt, ihr eigenes Medienverhalten zu hinterfragen und die eigenen Ansichten zu reflektieren. Dazu gehört beispielsweise auch die Internet-Stars, die unsere Kinder unter Umständen anhimmeln, nicht per se als verblödete Nichtskönner abzutun. Zugegebenermaßen habe ich bei einigen YouTube-Stars, die meine Kinder gut fanden oder finden, auch mit pseudo-bildungsbürgerlichem Snobismus die Nase gerümpft. Wenn ich mich aber daran erinnere, dass ich im Alter zwischen 10 und 13 mein Kinderzimmer in eine Art begehbaren Boris-Becker-Schrein verwandelt hatte, indem ich alle Wände komplett mit Postern und Zeitungsausschnitten von ihm tapeziert hatte, dann geht es wieder. Jede Generation hat das Recht auf seine eigenen merkwürdigen Idole.

Erfrischend ist die grundsätzliche positive Sichtweise von Patricia Cammarata, mit der sie die Angst oder zumindest Skepsis vieler Eltern bezüglich der Mediennutzung ihrer Kinder abbauen will. (Fast) jedes Kapitel endet mit ein paar kulturoptimistischen Gedanken zu dem behandelten Themenbereich. Zum Beispiel das YouTube die größte Lernplattform der Welt ist, Sprachnachrichten bei Messenger-Diensten jüngeren Kindern die Möglichkeit zur Kommunikation bieten oder Vielnutzer*innen nicht gleicht internetsüchtig sind. Patricia Cammarata ist definitiv der Das-Glas-ist-halb-voll- bzw. der Die-Festplatte-ist-noch-halb-leer-Typ.

Generell empfiehlt Patricia Cammarata einen entspannten Umgang mit Medien, der auf Offenheit, Transparenz und Vertrauen setzt. Das ist ohnehin die beste Basis für eine gute Eltern-Kind-Beziehung.

Zu erwähnen ist noch, dass Patricia Cammarata das Buch konsequent mit dem Binnen-Sternchen durchgegendert habe, was ich gerne übernommen hat. Da manche Leser*innen davon getriggert werden, hat sie ab und an ein generisches Maskulinum eingeflochten. Man möchte seine Zielgruppe ja nicht unnötig verschrecken.

Der Preis

Bei einem Umfang von 320 Seiten fällt der Preis von 16,00 Euro recht moderat aus. Auf jeden Fall ist das Buch damit günstiger als eine Rolle Klopapier im Darkweb bei der nächsten Hamsterkaufwelle. Verwenden Sie das Buch trotzdem nicht, um sich den Hintern abzuwischen. Falls das aufgrund einer Notlage doch nötig sein sollte, erzählen Sie bitte Patricia Cammarata nichts davon. Und mir bitte auch nicht. Vielen Dank!

Das Fazit

Mit „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!" ist es Patricia Cammarata gelungen, ein Buch zu schreiben, dass der Digital-Apokalyptiker Manfred Spitzer („Digitale Demenz", „Cyberkrank", „Die Smartphone-Epidemie") sicherlich hasst. Ein besseres Kaufargument kann es nicht geben.

Das Gewinnspiel

Ich verlose mein vom Eichborn Verlag zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar unter den Leser*innen des Familienbetriebs. Obendrein hat Patricia Cammarata noch ein „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss"-Stickerset dazu gepackt. Ein Los gibt es für einen Kommentar unter dem Beitrag. (Ausschließlich unter dem Blog-Post, nicht bei Facebook oder bei Twitter.) Mehrere Kommentare einer Person führen nicht zu mehreren Losen. Teilnahmevoraussetzung ist lediglich eine gültige E-Mail-Adresse. (Diese wird nicht veröffentlicht und nur zum Zwecke der Gewinnbenachrichtigung verwendet. Im Sinne der DSGVO werden alle Adressen nach Beendigung der Verlosung gelöscht.) Die Verlosung endet am Donnerstag, den 21. Mai um 18 Uhr. Der Rechtsweg ist ebenso wie der Linksweg ausgeschlossen, eine Auszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Allen Teilnehmer*innen viel Glück!

Falls Sie das erste Mal auf dem Blog kommentieren, muss Ihr Kommentar manuell freigeschaltet werden. Aufgrund meiner Erwerbsarbeit im Bergwerk kann dies manchmal ein paar Stunden dauern. Geraten Sie daher nicht in Panik, wenn Ihr Kommentar nicht sofort unter dem Beitrag erscheint. Ich versichere Ihnen, dass kein Kommentar verloren gehen wird.

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Das gute Buch: „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!“ von Patricia Cammarata (mit Verlosung)

Patricia Cammarata: Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss! Mit Kindern tiefenentspannt durch den Mediendschungel. Eichborn Verlag 2020, 317 Seiten für 16,00 €.* *Affiliate Link, d.h. wenn Sie das Buch über diesen Link kaufen, erhalte ich eine kleine Provision (ohne Mehrkosten für Sie) und werde mir dafür Toilettenpapier auf dem Schwarzmarkt kaufen können.

Das gute Buch: „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!“ von Patricia Cammarata (mit Verlosung)

Das gute Buch: „Dreißig Minuten, dann ist aber Schluss!“ von Patricia Cammarata (mit Verlosung)

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