Córdoba (III)

Am Nachmittag stehe ich von den Toten auf. Dani’s Kater leckt mir die Achseln. Immerhin etwas. Ich bekomme Mitleid. Mit mir. Ich schlurfe zum Bad. Ein ängstlicher Blick in den Spiegel lässt mich mit dem Gedanken zurück, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe.

Pola
Erinnerungen verherrlichen – sie ergänzen dass, was die geblendeten irregeführten Sinne im Augenblick nicht erkennen konnten. Ich schaue in den Sternenhimmel, ich bin ergriffen von ihrer Vielzahl und Komposition, und ich sage mir, dass ich das nie vergessen werde. Aber das einzige was ich nie vergesse werde, ist das Gefühl, und dieses Gefühl wird mich immer im Glauben lassen, das Bild noch immer zu sehen. Erinnerungen machen die Dinge schöner. Die Erinnerung ist ein Lügner.

An das, worüber ich und Pola sprachen, kann ich mich kaum erinnern. Denn diese Stadt, die wir aus Worten schufen und in der wir uns einrichteten, stürzte jäh zusammen. Ich kann mich lediglich nur daran erinnern, als es zu beben begann …

Die Worte gingen uns aus.

Also, erzähl was, Du bist doch Schriftsteller.‹
Ich schwieg, blickte zur Wand, aber da hing kein Bild, an das sich die Gedanken hängen konnten, dann blickte ich in ihr Gesicht, das wusste, was ich verschwieg, dann schaute ich wieder zur Wand, und dort war nicht einmal ein Fenster, und schließlich verharrte ich doch wieder in ihrem Funkeln. Sie lächelte. Ihre Augen: ein schwarzer Himmel, voller Sterne, wie sonst nur in der Einsamkeit der Wildnis. Sie zerriss einen Heftchen, schob die Schnipsel von einer Seite zur anderen. Sie äußerte Müdigkeit.
Was denkst Du?‹
hm, nichts.‹
Antwortete sie lächelnd.
Nein, du denkst etwas.‹
Haha, überschätze dich mal nicht.‹
Mach’ ich nicht, in sehe etwas anderes‹
Ich blickte sie weiter an, mir wurde warm.
Das ist nicht nett, Leute anzustarren.‹
Als ich klein war, habe ich mit meiner Cousine immer ›wer zuerst lacht, verliert‹ gespielt, dazu haben wir uns aber immer angucken müssen, ohne Grinsen oder Lächeln.
Ich schaute sie an. Mein Herz – ein Hund im Zwinger. Sie erwiderte mein Blick, zwinkerte, lächelte verschmitzt. Wenn ich Eiscreme wäre, hätte ich jetzt einen anderen Aggregatzustand angenommen. Sie lachte auf.
Du musst an etwas ernstes denken‹
Ihr langes braunes Haar schimmerte. Wenn sie und ihre Augen lachten, schob die Oberlippe sich immer langsam über die Vorderzähne nach oben, und ließ einen Blick auf das Zahnfleisch zu. Wir hörten auf.
Also, was willst Du heute machen?‹
Sie erregte mich.
Hm.‹
Mein Schweigen war kein Ausdruck der Suche nach Worten. Die Worte waren da, nur nicht die ›richtigen‹. Sie senkte das Kinn ein wenig nach unten, zog die Augenbrauen hoch. Sie wollte Zeit mit mir verbringen, das war offensichtlich. Die Frage war nur wie. Wir gingen raus, eine rauchen. Es war bereits dunkel. Ein Gruppe Jugendlicher tanzte zu Techno aus dem Gettoblaster. Ein alter Mann stand rauchend vor dem Kiosk. Wir amüsierten uns. Ich mochte das wirklich, wie ihr Lächeln das Zahnfleisch freilegte, das Funkeln diese dunklen Augen. Wir setzte uns wieder rein, mir war kalt. Ich bat sie mir ihre Hand zu reichen, aber nicht weil mir kalt war. Es war vielmehr eine Frage ohne Worte.
Du solltest weniger trinken hahaha …‹
Ich nahm ihre andere Hand, fühlte sie. Dann legte sie beide Hände auf den Schoss, unter den Tisch. Meine blieben auf dem Tisch. Wir schwiegen, denn das was mir miteinander wechselten, konnte man nicht als Gespräch bezeichnen.
Ich will Zeit mit Dir verbringen.‹
Ich auch, hm … lass uns doch später treffen.‹
Ich wollte Gewissheit – jetzt, denn im Laufe unseres Treffens überkam mich ein Gefühl, dass nicht mit dem übereinstimmte, was ich erwartete. Ich hatte sie anders in Erinnerung. Ich hätte sie mitnehmen können, auf eine Feier, zu der ich und Dani von Francesco erneut geladen waren. Aber wenn es zwei Dinge gibt, die in meinem Leben bislang immer schief gegangen sind, dann waren dies Alkohol und Frauen.
Also, was ist los?‹
Schweigen. Sie erriet – meine Seele, ein offener Hosenstahl.
Was ist so schwer, zu sagen, was man denkt?‹
Ich habe kein Problem mit Ehrlichkeit – die Meisten haben ein Problem mit der Wahrheit. Man lügt nicht weil man schlecht ist, man lügt, weil man sich nicht anders zu helfen weiß.
Du bist wunderschön‹
Sie wurde rot, lächelte. Ihr Augen waren feucht. Aber das war nicht, was ich sagen wollte. Sie wusste, dass sie attraktiv war, und das ich bereit wäre, für sie mich zu verraten.
Danke.‹
Sie schaute verlegen. Schweigen. Worte wie Mäuse, meine Zunge, ihre Zunge – Katzen. Die Atmosphäre war aufgeladen, irgendwie kam ich mir so fremd vor: Ich verhielt mich wie ein Mann mit zwanzig Jahren. Vielleicht war dieser Fremder auch einfach nur ehrlich. Um das, was ich nun sagen würde, fehlte, um es einfach zu tun, die Nähe – der Tisch war zu weit.
Ich möchte dich küssen.‹
Sie war geschmeichelt, sehr, sie machte die Augen klein. Ich entspannte, endlich.
Ich bin nicht sicher.‹
Mein Herz verkrampfte sich für einen Wimpernschlag.
Wir sind nie sicher.‹
Ich glaube es ist besser, so wie es ist.‹
Mein Ahnung hat mich nicht getäuscht, trotzdem hofft man insgeheim doch immer. Ich fühlte meine Mimik verhärten, Druck in den Augen.
Was ist los?‹
Augen lügen nicht.‹
Wie?‹
Nein, nichts, nicht wichtig.‹
Bist Du enttäuscht?
Ehrlich gesagt, ja.‹
Es ist nicht wenigen dir.‹
Dazu sagte ich nichts.
Ich hab meine Gründe.‹
Ich dachte an den Iren mit dem sie in Bariloche anbändelte, und außerdem Tel Aviv … was zum Henker erhoffte ich mir schon wieder? Ich machte eine Geste zum Aufbruch, und rief die Kellnerin. Pola war irritiert. Wir schauten uns an. Sie gab mir einen langen Kuss auf die Wange, umfasste mit ihrer Linken meine Wange. Trost ist des Hungernden Wasser.

Wir standen draußen, an einer Ampel, sie wollte mich abends sehen. Ich war unsicher. Ich müsste ihre Gründe respektieren, aber ich würde es nicht, denn ich würde immer weiter gehen. Ich dachte an Elisa – nein, daraus habe ich gelernt. Wir verabredeten, dass ich ihr schreibe, wenn ich sie wiedersehen möchte. Dann umarmten wir uns. ›Also, bis später.‹ Dann verschwand sie zwischen den Lichtern der Großstadt. Für immer.

Im Grunde war mein Gefühl übertrieben, fast lächerlich. Aber es war, wie es war. Und bald erweichte mein Herz und der Stachel glitt heraus.


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