Conny meets Wölli

Conny meets Wölli

Hallo, ihr Lieben!
Am letzten Mittwoch hatte ich die Gelegenheit "heilige Hallen" betreten zu dürfen. Ich habe den lieben Wölli in seinem Tonstudio besucht und mit ihm ein zweites Interview für unseren Blog geführt.
Wir sprechen u. a. über das kommende Album von "Wölli und die Band des Jahres", Musik im Allgemeinen, Rio Reiser und "Rock am Turm".
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und bedanke mich ganz herzlich bei Wölli für die Zeit!
Liebst,
Conny

Conny: „Im letzten Interview hast du für Herbst ein neues Album angekündigt. Wie weit seid ihr denn?“
Wölli: „Der Unterschied zwischen der ersten Platte und der kommenden ist, dass ich bei der ersten eben nur diese 12 Stücke hatte, die ich alle verwenden musste. Dieses Mal möchte ich mir ein wenig mehr Zeit lassen. Am Ende möchte ich sagen können, dass alles stimmig ist und ich ein komplettes Album habe, durch das sich ein roter Faden zieht. Die Zuhörer sollen nachvollziehen können, was in dem Kopf des alten Mannes los ist (lacht). Ich lasse mir aber ganz einfach Zeit. Es stimmt, der Plan war, das Album im Herbst rauszubringen, aber als kleine „Puperband“, gestaltet sich das Ganze sowieso etwas schwieriger. Ab November beginnt das Weihnachtsgeschäft und alle veröffentlichen auf einmal ihre „Best of“-Alben. Für mich ist da kein richtiger Platz. Ich denke, dass das Album dann im März/ April rauskommt. Das wäre doch super, für die Live-Saison dann noch ein gutes Album am Start zu haben.“
Conny: „Also plant ihr auch wieder eine kleinere oder größere Tour?“ 
Wölli: „Das bleibt abzuwarten. Im Moment beschäftige ich mich ausschließlich mit der Platte und schreibe neue Songs. Wenn es dann soweit ist, dass ich sagen kann, dass wir ins Studio gehen, müssen wir schauen, ob wir gleich im Anschluss an die Veröffentlichung eine Tour machen. Aber im Moment will ich einfach nur Songs schreiben… GUTE Songs (lacht).“ 
Conny: „Ich habe vorhin noch mal in ein paar eurer Lieder reingehört. Da scheint häufig der Spruch „Wir gucken nicht zurück. Wir leben jetzt!“ das Motto zu sein. Ist das beim zweiten Album auch so?“  
Wölli: „Nein, das glaube ich nicht. Beim ersten Album ging es im Wesentlichen darum, dass ich mich zurückmelde. Es geht um einen „alten Mann“, der zwar –wie gesagt- alt ist, aber noch eine Menge Spaß im Leben hat. Ein Mensch, der noch viel machen kann und machen will. Ich habe so viel zu erzählen und so viel im meinem Leben erlebt. Es wäre schade, wenn ich nicht einem größeren Publikum den Zugang dazu ermöglichen kann. Ich werde beim neuen Album weniger mit dem Alter kokettieren. Dieses Mal geht es mehr um die Dinge, die mich wirklich berühren, bewegen und von denen ich meine, dass ich sie zu sagen habe.“ 
Conny: „Kommen wir mal zu einem ernsteren Thema: Was hat denn die Fahndung in Bezug auf die Zerstörung deines Wohnmobils ergeben?“ 
Wölli: „Oh ja, das Wohnmobil ist abgebrannt. Ich war wirklich über ein paar Wochen hinweg einfach nur geschockt. Im Nachhinein bin ich ganz froh, dass sie den Typen erwischt haben. Viel passieren wird da nicht. Für mich ändert sich zumindest nichts. Nach einer Weile macht man sich aber schon so eine Gedanken. Nach dem Motto: „Was das gezielt gegen mich gerichtet?“. Das war es aber –Gott sei Dank- nicht. Ich muss also keine Angst haben, dass man mir nach dem Leben trachtet. Im Endeffekt war das ein Jugendlicher, der einfach nur Langeweile hatte. Er hat mehrere Autos angezündet und mein Wohnmobil war eben eines davon. Momentan fange ich damit an, ein paar Sachen zu verkaufen. Wie üblich haben die Versicherungen nicht den eigentlichen Wert gezahlt. Jetzt über den Winter werde ich mich aber wieder nach einem neuen Wohnmobil umsehen. Für mich ist das etwas Besonderes. Ich hatte auch mal ein Motorrad, aber aus dem Alter von Freiheit und Abenteuer bin ich raus. Das Wohnmobil hatte ich seit sieben Jahren, habe damit sehr schöne Fahrten gemacht und auch Konzerte meiner Bands besucht. Der Vorteil ist, dass ich dort eben nicht immer nur Wasser trinken musste (lacht), weil ich mein Zuhause ja immer vor der Türe stehen hatte. Das war praktisch. – Komm’ lass das Thema abschließen, sonst werde ich wehmütig (lacht). Ich hoffe aber, dass ich im nächsten Jahr wieder im Wohnmobil durch die Gegend fahren und viele Konzerte vieler Bands besuchen kann.“ 

Conny meets Wölli

Stephan Raithel Fotografie

Conny:“ Ihr hattet vor Kurzem einen Auftritt im „Pitcher“, ihr seid als Vorband der Toten Hosen aufgetreten… was macht dir eigentlich mehr Spaß?“ 
Wölli: „Ich bin kein großer Freund von Großveranstaltungen. Viele Zuschauer empfinden den Sound bei so was eher ungenügend. Außerdem fehlt mir dort ein wenig der Kontakt zum Publikum. Man kann zwar Blickkontakt mit den ersten acht oder zehn Reihen aufnehmen, aber mehr geht einfach nicht. Da ich klein anfange, möchte ich auch wieder klein spielen. Mir sind die Clubshows im Moment einfach lieber. Man kann direkt auf das Publikum und die Zwischenrufe reagieren. Ich sehe mich immer noch als Lehrling, der gerade vom Schlagzeuger zum Sänger umgeschult wurde. Ich denke, dass ich im Rahmen der kleinen Shows auch für mich selbst noch ein wenig herausfinden kann, wie ich mich auf der Bühne verhalte und reagiere. Klar, ich bin ein alter Hase. Rockmusik mache ich seit 45 Jahren. 15 Jahre davon war ich mit den Toten Hosen unterwegs. Trotzdem ist es immer wieder etwas neues für mich. (lacht) Naja, nach 2,5 Jahren, einer Tour und zwei Sommern, in denen wir auf schönen, großen Festivals gespielt haben vielleicht nicht mehr GANZ so neu.“ 
Conny: „Bist du bei „Willkommen in Deutschland“ dabei?“ 
Wölli: „Ich werde mir das sicherlich einen Tag anschauen. Das ganze Thema interessiert mich sehr und ich finde es supergeil von den Hosen, jetzt, nach einer so anstrengenden Tour, die über zwei Jahre ging, noch die Zeit zu finden, ein solches Projekt zu machen. Das machen die Jungs auch nicht „nur nebenbei“, sondern sind mit Herz, Arbeit und Verstand dabei. Das ist bewundernswert. Die Hosen spielen an den Abenden Lieder, die zur Zeit des Dritten Reiches verboten wurden. Das ist ein Thema, von dem ich es sehr gut finde, dass es aufgegriffen wird. Das Ganze war mir bisher nicht bekannt. Klar, man hat in der Schule und auch danach viel mitbekommen, wenn man sich für Politik interessiert, trotzdem ist das Ganze unglaublich interessiert. „Willkommen in Deutschland“ werde ich mir sicherlich einen Abend reinziehen.“ 
Conny: „Nochmal kurz ein Themenwechsel: Vom Elektriker über das Tonstudio zum Schlagzeuger. Wie kam es eigentlich dazu?“ 
Wölli: „Naja, ich habe die Schule mit der Mittleren Reife beendet. Mein Vater war der Meinung, ich wäre ein guter Handwerker. Er hatte damals einen Freund, der eine Elektrofirma führte. Da habe ich dann meine Lehre gemacht, weil ich sowieso nicht wusste, was ich eigentlich wollte. Nach der Lehre habe ich aber kaum noch als Elektriker gearbeitet. Zwei Jahre, nachdem ich ausgelernt hatte, bin ich schon nach Berlin gegangen. Damals bin ich wegen der Bundeswehr abgehauen. Damals war es noch möglich, nach Berlin zu gehen. Dort habe ich dann angefangen, mein Talent zu entdecken. Dort bin ich mit vielen Leuten zusammen gekommen, die wirklich großartige Musiker waren und mich aufgenommen haben, obwohl ich auf keinem Instrument richtig fit war. Ich konnte aber zuhören und war bei jeder Session gern gesehen. So hat sich das entwickelt. Ich habe festgestellt, dass Musik meine große Liebe ist. Daran führt kein Weg vorbei. Musik erfüllt mich mit Freude und füllt mich aus. Mit Musik kann ich meine Gefühle ausdrücken, auch wenn ich mal traurig oder nachdenklich bin. Dann setze ich mich hin, arbeite an Musikstücken, die wir schon vorbereitet haben und bringe meine Gedanken auf Papier. Dann entsteht ein Text daraus.“ Conny: „Seelentherapie?“ Wölli: „(lacht) Ja, da ist auch ein wenig Eigentherapie mit bei.“ 

Conny meets Wölli

Stephan Raithel Fotografie

Conny: „In Berlin hast du doch auch mit Rio Reiser gearbeitet, oder?“ 
Wölli: „Naja, ich habe „Ton Steine Scherben“ öfter besucht. Wir haben Haus aus Haus gewohnt. Rio wohnte mit einem Gitarristen ein Haus weiter, aber im gleichen Stockwerk. Später haben sie dann eine große Kommune mit 12 bis 15 Leuten aufgemacht. Die Jungs waren für mich eine Art Offenbarung. Sie waren für mich die erste deutschsprachige Rockband. Zu dieser Zeit haben eigentlich alle immer nur englisch gesungen. Udo Lindenberg tauchte auch langsam auf. Ich habe aber über all die Jahre fast nur in Bands gespielt, die deutschsprachige Musik gemacht haben. Rio Reiser und die Scherben haben damals mein ganzes Gefühl, was ich als 18 Jähriger hatte, ausgedrückt. Da war beispielsweise die Wut gegen die Staatsmacht und gegen die Verhältnisse in Deutschland, die mit Texten und Musik rübergebracht wurde. Das hat mich wirklich fasziniert. Ich finde heute noch, dass Rio Reiser einer der besten Songwriter und Sänger Deutschlands ist.“ 
Conny: „Deine Mutter hat als Beamte gearbeitet…“  
Wölli: „Ja, das stimmt. Meine Schwester, meine Mutter, mein Opa… irgendwie waren alle bei der Post. Der Weg ist mir aber –Gott sei Dank- erspart geblieben. Obwohl… vielleicht wäre ich heute ja auch Beamter und hätte schon für eine riesige Rente gesorgt…(lacht). Aber so wie es jetzt ist, ist es mir schon lieber.“ 
Conny: „Welche Musik hört eigentlich Wölli privat?“  
Wölli: „Weil ich selbst gerade neue Texte bzw. neue Songs mache, blockiere ich gerade Einflüsse von Jugendsendern und allem, was eben sonst noch so läuft. Zur Zeit höre ich sehr gerne „Radio Europa“ oder „Deutsche Welle“. Da läuft sehr viel Ethno-Musik, zum Beispiel aus Südamerika oder der Türkei. Ich will mir meine Ohren momentan nicht mir irgendwelchen Hits zukleistern, die zurzeit laufen. Ich weiß, dass das das Unterbewusstsein beeinflusst. Davon möchte ich mich frei machen. Ich will keinen Trends folgen und das machen, was im Moment alle machen. Da höre ich lieber keine Chartmusik, sondern mal etwas komplett anderes, was mich dann aber auch anregt. Von dem Gedudel aus dem Radio regt mich wenig an. Sorry. Da höre ich lieber türkische und südamerikanische oder asiatische oder afrikanische Musik. Da bleiben dann auch mal Fetzen hängen.“ 
Conny: „Du warst ja noch bis vor zwei Jahren für „Rock am Turm“ aktiv…“  
Wölli: „Das habe ich vor zwei Jahren still gelegt. Ich muss mich ganz einfach um meine Band kümmern. Ich will vorankommen. Meine Jungs in der Band leben von der Musik. Die meisten mehr schlecht als recht. Drei von ihnen schlagen sich zusätzlich noch als Musiklehrer durch. Heute ist es schwer, als Musiker zu überleben. Ich hatte immer mal das Glück, dass ich mir zu meiner Hosen-Zeit etwas auf die Seite legen konnte. Aber die Hälfte der Rente, die ich damals zur Seite gelegt hatte, ist schon weg. Mit meiner Plattenfirma „Goldene Zeiten“ habe ich 15 oder 16 Alben von verschiedenen Bands raus gebracht. Ich bin nie auf 0 dabei gekommen. Ich habe dabei eigentlich immer draufgezahlt. Aber es hat viel Spaß gemacht. Ich finde es auch schade, dass ich das momentan nicht mehr machen kann, aber ich musste mich entscheiden. Ich kann nicht mit einer Band arbeiten und dabei mein eigenes Projekt im Kopf haben. Das finde ich unfair. Das mache ich nicht. Daher habe ich mir ein paar Jahre als Veranstalter mit „Rock am Turm“ bzw. als Label mit „Goldene Zeiten Records“ ein paar Jahre Pause verordnet. Ich konnte nicht beiden Seiten gerecht werden. Da ist es besser, ehrlich zu sein und das Label erstmal auf Eis zu legen.“ 
Conny: „Es ist aber nur eine Pause?“ 
Wölli: „Ja, ich will das auf jeden Fall weiter machen, wenn es die Zeit wieder zulässt. Momentan hätte aber keiner was davon. Entweder ich mache das ganz oder gar nicht. Eine Band nebenher verwalten, ein paar Briefe an Plattenfirmen zu schicken usw. … das reicht heutzutage nicht. Man muss mehr machen, unterwegs sein, Sender, andere Label und Verlage besuchen, mit Leuten quatschen und so weiter.“ 

Conny meets Wölli

Stephan Raithel Fotografie

Conny: „Thema „nähere Zukunft“: Wir haben jetzt das Album, was demnächst kommt, eventuell eine Tour.. noch was?“ 
Wölli: „Ich denke mal, dass das reicht (lacht). Das hört sich nach 18 Stunden Arbeit am Tag an. Wenn ich wirklich bis April fertig sein möchte, ist das eine harte Nummer. Wir sitzen hier ja gerade in meinem kleinen Studio, meiner „Hitschmiede“. Hier sitze ich und bastele am Computer. Ich bin ja auch kein geschulter Sänger. Ein wenig Stimmt und Musikalität habe ich, aber ich muss mir alles erarbeiten. Campino singt seit 30 Jahren. Ich bin gerade mal seit ca. drei Jahren dabei. Ich sehe, dass das meisten noch vor mir liegt. Im Prinzip funktioniert das alles mit „learning by doing“. Ich bin aber ganz zuversichtlich. Die Freunde, die wir jetzt mit unserer Musik gewonnen haben, werden wir wieder beglücken und ich hoffe, dass wir noch ein paar andere dazu gewinnen. Es gibt immer Seitenprojekte. Für die „DEG“ habe ich einen Song von mir umgeschrieben, der jetzt zu einem Teil der Einlaufzeremonie im „ISS Dome“ geworden ist. 4:30 Min. vor Anpfiff kommt dann immer mein Song mit umgedichtetem Text, der sich ein wenig auf die „DEG“ bezieht. Das kommt super an. Für so was bin ich immer zu haben. Ich bin offen und wurde gefragt. Ich bin nicht so glücklich, wenn man ein Lied veröffentlicht, welches dann ein paar Jahre später noch einmal mit einem anderen Text gesungen wird. Aber die „DEG“ ist für mich eine Herzensangelegenheit. Als ich 1986 von Berlin nach Düsseldorf gekommen bin, war das das erste, was ich hier kennen gelernt habe. Breiti und Campino haben mich als erstes zur Brehmstraße mitgeschleppt. Als die „DEG“ mich gefragt hat, hat mich das natürlich schon ein wenig stolz gemacht. Beim ersten Heimspiel war ich dabei. Als das Lied dann lief… also, ich muss schon sagen, auch so einem alten Hasen wie mir, hat das eine Gänsehaut gemacht. Wenn die Menschen eine Identifikation mit dem Song und dem Verein finden ist das schön. Darauf bin ich stolz. Also: Falls mich jemand fragen sollte, das Ganze in meinem Sinne ist und ich das vertreten kann… gerne. Jederzeit.“


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