China und Deutschland in der Realwirtschaft

Nachfolgend der Redetext von Bundeskanzlerin Merkel, vorgetragen vor dem Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsforum, anlässlich der Hannover-Messe 2012.
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Sehr geehrter Herr Premierminister Wen, sehr geehrter Herr Minister Miao,sehr geehrter Herr Löscher,meine Damen und Herren dieses Business Summit,gestern zur Eröffnung habe ich es bereits anklingen lassen und heute haben wir alle es beim Rundgang gespürt: China ist ein außerordentlich geeignetes Partnerland für das, was die Hannover Messe als weltweit größte Industriemesse verkörpert. Deshalb war es aus meiner Sicht an der Zeit, dass sich China nach 25 Jahren hier wieder als Partnerland präsentiert.Viele deutsche Industriezweige behaupten sich schon lange an der internationalen Spitze. Der Maschinen- und Anlagenbau und die Elektrotechnik gehören dazu. Seit einigen Jahren steht natürlich auch die Energiewirtschaft sehr im Mittelpunkt. Deshalb ist es sehr schön, dass viele Weltmarktführer auch in diesem Jahr wieder in Hannover vertreten sind. Aber auch viele chinesische Unternehmen – davon konnten wir uns heute früh überzeugen – haben in verschiedenen Industriebereichen sehr beeindruckende technologische Kompetenzen aufgebaut.

Dies wird mit China als Partnerland auf dieser Messe natürlich in ganz besonderer Weise sichtbar. Deshalb sehen wir auf dieser Hannover Messe auch ein Kernstück deutsch-chinesischer Wirtschaftsbeziehungen.Der Warenfluss zwischen Deutschland und China hat sich sehr gut entwickelt; er ist heute schon ein breiter Strom. Das bilaterale Handelsvolumen ist in den letzten zehn Jahren um über 400 Prozent angewachsen. Die Unternehmen unserer beiden Länder haben 2011 mit Waren im Wert von 144 Milliarden Euro gehandelt. Das ist eine neue Rekordmarke im deutsch-chinesischen Handel. Dieser verläuft nicht mehr in einer Einbahnstraße. Chinas Exporte nach Deutschland haben im vergangenen Jahr zwar deutlich zugelegt. Aber auch die deutschen Exporte sind um 20 Prozent gestiegen – auf nunmehr rund 65 Milliarden Euro. Damit haben sich unsere Ausfuhren nach China in den letzten drei bis vier Jahren immerhin verdoppelt. Also auch hier zeigt sich eine hohe Dynamik. Wir arbeiten immer mehr an einer ausgeglichenen Handelsbilanz.Wir haben vor allen Dingen sehr viele gemeinsame Kooperationen. Die Direktinvestitionen Deutschlands in China im letzten Jahr sind um 20 Prozent gewachsen – auf einen Investitionsbestand von mehr als 20 Milliarden Euro. Hier sind ja sehr viele im Raum, die dazu beitragen. Ich glaube, die allermeisten haben es niemals bereut, den Schritt nach China zu gehen.Herr Löscher hat Premierminister Wen und mir gerade gesagt: Es gibt inzwischen über 5.000 Unternehmen aus Deutschland, die in China tätig sind.

Das heißt, neben den Großen findet zunehmend auch der Mittelstand den Weg nach China. Da der Mittelstand ja neben den großen Schlachtschiffen, wie wir immer sagen, sehr stark das Rückgrat unserer Wirtschaft bildet, ist das auch für die Breite der Kooperation unglaublich wichtig.Wir haben heute den Siemens-Stand besucht, um nur ein Beispiel zu nennen, und gehört, wie viel es an gemeinsamer Produktion und vor allen Dingen auch an Entwicklung und Forschung inzwischen in China gibt. Wir werden heute Nachmittag Volkswagen besuchen. Volkswagen wird im Nordwesten Chinas ein neues Werk errichten und damit auch einen Beitrag zur gleichmäßigen Entwicklung des Landes leisten. Das heißt also, neben Handelspartnerschaften werden wir auch unsere Investitionspartnerschaft in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Deutschland ist dazu bereit.Natürlich ist Fortschritt eng an die Innovationskraft gekoppelt. Wir sehen, dass chinesische Unternehmen sehr schnell an Innovationskraft gewinnen. Das ist auch ein Ansporn für deutsche Unternehmen, auf dem Fels, auf dem wir in den letzten mehr als 100 Jahren unsere Erfolge und unseren Wohlstand aufgebaut haben, weiterzumachen, schneller und besser zu werden und uns einem fairen Wettbewerb zu stellen.Deutschland hat sich immer für offene Märkte und einen fairen Wettbewerb eingesetzt. Deshalb diskutieren wir politisch natürlich sehr viel darüber, dass wir sowohl in China für deutsche Unternehmen als auch in Deutschland für chinesische Unternehmen eine Gleichbehandlung mit den jeweiligen heimischen Anbietern brauchen. Das muss die Grundlage unserer Kooperation sein. Wir haben in den letzten Jahren – das werden wir auch weiter tun; der Premierminister hat gestern auch davon gesprochen – über den Schutz des geistigen Eigentums geredet und haben auf diesem Gebiet auch Fortschritte erzielt.

Ich war übrigens schon immer der Meinung, dass das Gefühl, dass man das geistige Eigentum schützen muss, mit wachsender Innovationskraft chinesischer Unternehmen auch ein ganz natürliches chinesisches Gefühl wird. Denn in dem Moment, in dem man selber etwas erfunden hat, weiß man auch, wie hart das erarbeitet ist und dass das geschützt werden muss.In der Leistungsfähigkeit von China, die täglich wächst, liegen neue Chancen für eine immer engere Zusammenarbeit – bilateral und global. Gerade im großen Gebiet der Ressourceneffizienz ist das Kooperationspotenzial mit Sicherheit noch nicht ausgeschöpft. Wir haben heute sehr viel über die Versorgung mit Elektrizität gesprochen, vor allen Dingen auch über den effizienten Einsatz von Energie. Die Hannover Messe ist geradezu ein Paradebeispiel für das, was sich hier technologisch entwickelt hat. Das heißt, neben dem klassischen Maschinenbau haben wir heute sehr viel diversifizierter auch viele interessante Entwicklungen im Bereich der Ressourceneffizienz.Wenn ich sehe, mit welcher Geschwindigkeit in China große Übertragungsnetze gebaut werden, dann weiß Deutschland, dass es sich mit seiner eigentlich eher begrenzten Fläche ein bisschen sputen muss. Die großen Gleichstrom-Übertragungsnetze in China sind schon sehr viel besser in Schuss als unsere Diskussionen darüber, was wir eigentlich bräuchten. Also da kann Deutschland von China lernen.Aber wir haben auch über die Probleme des weiten Landes China gesprochen, über die effiziente Übertragung von Energie, über die dezentrale und zentrale Versorgung. So ist die industrielle Revolution im Zusammenhang mit der Informationstechnologie – das, was man jetzt als 4.0 bezeichnet – sicherlich die Aufgabe der Zukunft. Wer da am schnellsten die Durchdringung schafft, der wird sicherlich vorn mit dabei sein.C

hina und Deutschland sind also zwei Länder, die sich gut ergänzen, die gut zusammenarbeiten in dem, was man Realwirtschaft nennt. Auch ich möchte hier zu diesem Business Summit noch einmal sagen: Beide Länder werden auch in Zukunft davon überzeugt sein – Deutschland ist es jedenfalls ganz tief –, dass uns eine starke industrielle Basis auch robust gegenüber globalen Schwankungen macht. Das alles muss durch eine vernünftige Finanzwirtschaft ergänzt werden. Das muss durch eine gute informationstechnologische Basis ergänzt werden. Aber ohne Hardware, ohne Realwirtschaft, ohne Industrie wird auch in Zukunft Wohlstand nicht zu schaffen sein. Deshalb freue ich mich, dass Sie heute hier die Diskussion fortführen und damit die deutsch-chinesischen Beziehungen noch ein Stück weiterentwickeln. Herzlichen Dank.------------------------------------------ 

Ladies & Gentlemen,

Insgesamt eine erfreuliche Bestandsaufnahme und eine konstruktive Rede, wie ich finde! Erheiternd fand ich unter anderem jenen heiklen Punkt als Frau Merkel kritische Anmerkungen zum Schutz geistigen Eigentums in geschraubtem Diplomaten-Deutsch anzubringen versuchte. Merkel: "Ich war übrigens schon immer der Meinung, dass das Gefühl, dass man das geistige Eigentum schützen muss, mit wachsender Innovationskraft chinesischer Unternehmen auch ein ganz natürliches chinesisches Gefühl wird." Gemeint war damit natürlich: "Ich hoffe, dass ihr Chinesen endlich Schluss damit macht, deutsche Produkte sklavisch nachzuahmen und weiterhin unverfroren geistiges Eigentum von uns zu klauen - so wie wir das in der Vergangenheit doch immer wieder erleben mussten!" --- Peter Broell


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