“Carrie” von Kimberly Peirce

Carrie (Chloë Grace Moretz) bereitet sich zum Unwohlsein ihrer Mutter (Julianne Moore) auf den Schulball vor.

Carrie (Chloë Grace Moretz) bereitet sich zum Unwohlsein ihrer Mutter (Julianne Moore) auf den Schulball vor.

Erziehungsberechtigte jeglicher Form spielen eine große Rolle beim Erwachsenwerden. Was sagt das wohl über Chloë Grace Moretz aus, die bei ihrer Rollenwahl ein sicheres Auge für die merkwürdigsten Familien beweist. Man denke an Nicolas Cages Big Daddy, der seinem kleinen Hit-Girl den Umgang mit Waffen nicht nur erlaubt, sie auch noch gleich zur Realwelt-Superheldin erzieht. In dem atmosphärischen Vampirstreifen Let Me In versorgt die Vaterfigur (hier Richard Jenkins) seine kleine Vampirtochter mit Menschenblut, in Hugo Cabret lebt sie bei Georges Méliès, einem Phantasten des Films. In Tim Burtons Dark Shadows umgibt sie sich gleich mit einer ganzen Horde von monströsen Familienmitgliedern. Daher mag die Rollenauswahl der Carrie White sehr naheliegend für Frau Moretz gewesen sein. Regisseurin Kimberly Peirce (Boys Don’t Cry) baut eine abstruse Mutter-Tochter-Verbindung auf: mit Julianne Moore in der Erzieherrolle, als fanatisch Gläubige, die in der heutigen, sündhaft gewordenen Welt eine Tochter aufziehen muss, die sich nicht nur in das Gesellschaftsgefüge eingliedern möchte, sondern zugleich noch telekinetische Kräfte entwickelt.

Alles schon einmal da gewesen. Hier beginnt nun das Problem. Carrie – Des Satans jüngste Tochter ist der deutsche Titel des bereits 1976 erschienenen Films, ebenfalls basierend auf dem gleichnamigen Roman des Schriftstellers Stephen King. Regisseur Brian De Palmas Horrorwerk mit Sissy Spacek und Piper Laurie als Carrie und Mutter Margaret White hat zu viel Eindruck hinterlassen, als dass man heutzutage auch nur eine Filmbesprechung lesen könnte, in der nicht der Vergleich zwischen Alt und Neu gemacht wird. Aber lassen wir doch genau das einmal außen vor. Sehen wir die neue Carrie als einen Film, produziert für ein eben solch neues Publikum. Wo zwischen Sam Raimis Spider-Man 3 Abgesang und dem Reboot The Amazing Spider-Man gerade einmal fünf Jahre liegen, hat man sich bei Carrie – ähnlich wie bei Evil Dead (Original 1981, Remake 2013) – immerhin mehr als dreißig Jahre Zeit gelassen, des Satans jüngste Tochter wieder auf die Kinoleinwand zu schicken. Und auch ganz ohne Vergleich zum Original, hat der Film immer noch ausreichend Probleme, die ihn selbst neben anderen Horrorfilmen eher blass erscheinen lässt.

Chloë Grace Moretz als Carrie mit Julianne Moore als ihre Mutter.

Chloë Grace Moretz als Carrie mit Julianne Moore als ihre Mutter.

Das kann sogar an der Hauptdarstellerin ausgemacht werden, die zwar als Überkind, als Gangster zusammen schlagende Hit-Girl oder als Jungvampir überzeugt, als schüchternde Carrie White jedoch Probleme hat, sich tatsächlich als Mauerblümchen zu präsentieren, nicht zu sehr im Vordergrund zu stehen. Dementsprechend fragwürdig ist auch die Entscheidung von Kameramann Steve Yedlin, Frau Moretz immer wieder in Großaufnahme einzufangen, als sei sie ein durch und durch einnehmendes Wesen. Das mag auf einen späteren Zeitpunkt im Film zutreffen, doch von Beginn an lässt Regisseurin Peirce ihrer Carrie zu viel Aufmerksamkeit zukommen. Und dann ist da noch das Fehlcasting von Chloë Grace Moretz, die in der Rolle der gehänselten Carrie nicht funktioniert. Schon zu oft hat sich die Schauspielerin in unterschiedlichsten Rollen zur Wehr gesetzt, als dass man in ihr das von ihren Mitschülerinnen gehänselte Mädchen sehen würde, dass verzweifelt am Boden liegt und um Gnade fleht.

Das erscheint seltsam übertrieben gespielt. Als habe Grace Moretz Schwierigkeiten in die Situation hinein zu finden. Das ginge allerdings vermutlich vielen so. Das Drehbuch von Lawrence D. Cohen und Roberto Aguirre-Sacasa arbeitet sich an unwirklichen Extremen ab. Carrie muss übermäßig schüchtern sein, steht in Ecken gedrängt, als wolle sie mit der Wand verschmelzen. Die übrigen Mädels zeigen keinerlei Scheu ihre Mitschülerin auf jede erdenkliche Art zu demütigen. Es sind die ultimativen Bullies, wie sie vermutlich sofort von jeder Schule verwiesen werden würden. Julianne Moore ist derweil mit einer Mutterrolle gestraft, die ultimativ böse erscheint. Nicht einmal die schulische Superzicke Chris (Portia Doubleday) kommt an die Qualen heran, die Carries Mutter ihrer Tochter sowohl physisch als psychisch zufügt. Wenn sie wie in Trance, leicht schwankend vor dem Haus auf der Wiese steht und auf die zu spät kommende Carrie wartet, dann erscheint sie wie ein pures Monster, eine psychisch gestörte Massenmörderin. Das macht kleine Momente kaputt, in denen Peirce versucht, so etwas wie ein emotionales Band zwischen Mutter und Tochter zu knüpfen. Ganz gleich wie sie sich gegenseitig weh tun, sie finden doch immer wieder zusammen. Nur leider findet der Film eben die hierfür nötige emotionale Ebene nicht, sowohl Tochter als auch Mutter bleiben uns fremde Gestalten.

Carrie mit ihrer Sportlehrerin (Judy Greer), zu der sie einen guten Kontakt pflegt.

Carrie mit ihrer Sportlehrerin (Judy Greer), zu der sie einen guten Kontakt pflegt.

Erst wenn Chloë Grace Moretz wieder das böse Mädchen sein darf, erwacht der Film zum Leben. Moretz auf der Bühne der Schulaula, mit merkwürdigen Gesichtszügen, eher mit Freude denn mit Qualen gefüllt, wenn sie ihre Mitschüler wie Puppen durch die Lüfte wirbelt und ein Blutbad anrichtet. Hierfür wiederum funktioniert Moretz hervorragend. Hier hat sie alles unter Kontrolle. Ihre Mimik, Gestik, ihr gesamtes Auftreten wirken auf einmal so viel mehr passend, dass man besorgt um das junge Mädchen sein muss, was diese Rollen im wirklichen Leben schon mit der gerade einmal 16 Jahre jungen Schauspielerin gemacht haben. Als Monster, als Anti-Teenagerin ist Frau Moretz eben herausragend.

Zugleich hat man allerdings auch das Gefühl, dass der Film sich auf eben diesen Moment stützt. Der Ausbruch Carries, das Schulmassaker, Blut und tote Teenies, in schönster Choreographie auf die Leinwand gebracht. Was vorher geschieht, was danach noch kommt, wirkt hier nur wie lästiges Beiwerk. Eine kleine Geschichte von der Erwachsen werdenden Carrie. Vom ersten Menstruationsblut unter der Dusche bis zur endgültigen Abnabelung von der Mutter. Peirce weiß ganz genau was sie hier erzählen will. Nur leider springt der Funke dabei eben nicht über.


Carrie_Filmposter“Carrie“

Originaltitel: Carre
Altersfreigabe: ab 16 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2012
Länge: ca. 100 Minuten
Regie: Kimberly Peirce
Darsteller: Chloë Grace Moretz, Julianne Moore, Gabriella Wilde, Portia Doubleday, Alex Russell, Judy Greer

Kinostart: 5. Dezember 2013
Im Netz: www.carrie-film.de



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