Burka-Verbot: Abstimmung in Frankreich wird Islamhass verstärken
Die Abstimmung in Frankreich über das Verbot von Gesichtsschleiern wird zu weiteren Angriffen auf Muslime führen.Jim Wolfreys / Socialist WorkerIn der vergangenen Woche beschloss das französische Parlament ein Gesetz, das es verbietet, in der Öffentlichkeit Gesichtsschleier wie Burka oder Niqab zu tragen. Nur ein Abgeordneter stimmte gegen das Gesetz, Sozialisten und Grüne enthielten sich der Stimme.Unmittelbare Auswirkung hat dieses Gesetz nur auf weniger als 2.000 Frauen. Nur etwa 0,1 Prozent der muslimischen Frauen in Frankreich tragen Gesichtsverschleierung.Der konstitutionelle Rat Frankreichs hat bereits angedeutet, dass dieses Gesetz wegen juristischen Komplikationen möglicherweise nie durchgesetzt werden wird.Das Gesetz reiht sich in andere antimuslimische Maßnahmen ein: die Volksabstimmung in der Schweiz gegen den Bau von Moscheen, Gesetze gegen Verschleierungen in Belgien, Norditalien und in Teilen von Spanien.All diese Maßnahmen zielen darauf ab, die „Gefahr“ des islamischen Fundamentalismus aufzublähen, indem die Minderheit der Muslime zum Sündenbock gemacht wird.In den vergangenen Monaten gab es eine Vielzahl hysterischer Ausfälle durch führende Politiker gegen den Schleier. Manche verglichen den Schleier mit einer Mickey Maus-Maske, mit einem Maulkorb oder gar mit „wandelnden Särgen“.Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte, dass Gesichts- und Ganzkörperschleier „Frauen unterdrücken“ und in Frankreich nicht willkommen seien. Diese Angriffe legitimieren den antiislamischen Rassismus, die Islamphobie.Anfang des Jahres wurde einer Frau in einem französischen Geschäft der Schleier heruntergerissen. Regionalwahlen im Frühling zeigten einen starken Anstieg bei den Stimmen für die faschistische Front National von Jean-Marie Le Pen.AblenkungsmanöverAber das neue Gesetz ist auch ein Hinweis auf die Schwäche von Sarkozys Präsidentschaft. Er trat mit dem Versprechen an, die Kompromisse früherer Regierungen – linken wie auch rechten – „aufzubrechen“.Seine Mission war es, eine kompromisslose neoliberale Agenda durchzusetzen und Widerstand dagegen abzuschmettern.Stattdessen musste seine Regierung – wie die anderen vorher auch – erkennen, dass der Widerstand nur sehr schwer niedergehalten werden kann. Zudem findet er sich nun in einen erheblichen Korruptionsskandal verstrickt.In diesem Zusammenhang dient die Islamophobie als Ersatz für all die undurchführbaren Pläne der Regierung und soll von den eigenen Mängeln ablenken.Warum entlarvt die restliche Linke aber den Rassismus der Regierung nicht?Wo bleiben die Demonstrationen zur Verteidigung der muslimischen Gemeinde in Frankreich?Warum scheiterte die Linke daran, eine Gegenwehr gegen Islamophobie aufzubauen? Und das in einem Land, das in den letzten 15 Jahren erhebliche soziale Bewegungen hervorgebracht hat?Ein Teil der Antwort findet sich in der republikanischen Tradition des Säkularismus, die auch auf die Linke ausstrahlt.Im späten 19. Jahrhundert nahm diese Tradition eine antiklerikale Form an und war eine starke Waffe gegen den Einfluss der monarchistischen katholischen Kirche.Aber der Sozialist Paul Lafarge argumentierte, dass dies auch eine Möglichkeit war, Arbeiter dahin zu bekommen, „Priester statt Kapitalisten zu fressen“.Dies ermöglichte dem republikanischen Nationalismus, sich in die sozialistischen und kommunistischen Traditionen zu verwurzeln.Als die regierende Sozialistische Partei in den 1980er Jahren ihre ambitionierten Reformpläne fallen ließ, wendete sie sich ersatzweise dem republikanischen Nationalismus zu. Sie setze auf die „nationalen Werte“ als Alternative zum Aufstieg von Le Pen.Dies wiederum entwaffnete die Linke, als Muslime in ständigen Kopftuchdebatten während der späten 1980er Jahre wiederholt angegriffen wurden. Schließlich wurde der Hijab, das Kopftuch im Jahr 2004 an Schulen verboten.MythenEinst eine Waffe gegen den Reichtum und die Privilegien der katholischen Kirche, wandelte sich der republikanische Säkularismus so zum Mittel, Frankreichs unterdrückte Minderheit der Muslime zum Sündenbock zu machen. Das Verbot der Gesichtsverschleierung ist auf einige Mythen wie diesen aufgebaut: muslimischer Extremismus sei ein größeres Problem als Islamophobie, oder Frauen könnten mehr Freiheit genießen, wenn der Staat ihnen sagt, was sie anziehen dürfen.Diese Mythen können herausgefordert werden. Doch dazu ist eine gemeinsame und eindeutige Kampagne von Nöten, welche Islamophobie und nicht den Islam als Feind identifiziert.http://www.socialistworker.co.uk/art.php?id=21866 Der Artikel wurde übersetzt von Francis Byrne für die Freiheitsliebe.
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Die Abstimmung in Frankreich über das Verbot von Gesichtsschleiern wird zu weiteren Angriffen auf Muslime führen.Jim Wolfreys / Socialist WorkerIn der vergangenen Woche beschloss das französische Parlament ein Gesetz, das es verbietet, in der Öffentlichkeit Gesichtsschleier wie Burka oder Niqab zu tragen. Nur ein Abgeordneter stimmte gegen das Gesetz, Sozialisten und Grüne enthielten sich der Stimme.Unmittelbare Auswirkung hat dieses Gesetz nur auf weniger als 2.000 Frauen. Nur etwa 0,1 Prozent der muslimischen Frauen in Frankreich tragen Gesichtsverschleierung.Der konstitutionelle Rat Frankreichs hat bereits angedeutet, dass dieses Gesetz wegen juristischen Komplikationen möglicherweise nie durchgesetzt werden wird.Das Gesetz reiht sich in andere antimuslimische Maßnahmen ein: die Volksabstimmung in der Schweiz gegen den Bau von Moscheen, Gesetze gegen Verschleierungen in Belgien, Norditalien und in Teilen von Spanien.All diese Maßnahmen zielen darauf ab, die „Gefahr“ des islamischen Fundamentalismus aufzublähen, indem die Minderheit der Muslime zum Sündenbock gemacht wird.In den vergangenen Monaten gab es eine Vielzahl hysterischer Ausfälle durch führende Politiker gegen den Schleier. Manche verglichen den Schleier mit einer Mickey Maus-Maske, mit einem Maulkorb oder gar mit „wandelnden Särgen“.Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sagte, dass Gesichts- und Ganzkörperschleier „Frauen unterdrücken“ und in Frankreich nicht willkommen seien. Diese Angriffe legitimieren den antiislamischen Rassismus, die Islamphobie.Anfang des Jahres wurde einer Frau in einem französischen Geschäft der Schleier heruntergerissen. Regionalwahlen im Frühling zeigten einen starken Anstieg bei den Stimmen für die faschistische Front National von Jean-Marie Le Pen.AblenkungsmanöverAber das neue Gesetz ist auch ein Hinweis auf die Schwäche von Sarkozys Präsidentschaft. Er trat mit dem Versprechen an, die Kompromisse früherer Regierungen – linken wie auch rechten – „aufzubrechen“.Seine Mission war es, eine kompromisslose neoliberale Agenda durchzusetzen und Widerstand dagegen abzuschmettern.Stattdessen musste seine Regierung – wie die anderen vorher auch – erkennen, dass der Widerstand nur sehr schwer niedergehalten werden kann. Zudem findet er sich nun in einen erheblichen Korruptionsskandal verstrickt.In diesem Zusammenhang dient die Islamophobie als Ersatz für all die undurchführbaren Pläne der Regierung und soll von den eigenen Mängeln ablenken.Warum entlarvt die restliche Linke aber den Rassismus der Regierung nicht?Wo bleiben die Demonstrationen zur Verteidigung der muslimischen Gemeinde in Frankreich?Warum scheiterte die Linke daran, eine Gegenwehr gegen Islamophobie aufzubauen? Und das in einem Land, das in den letzten 15 Jahren erhebliche soziale Bewegungen hervorgebracht hat?Ein Teil der Antwort findet sich in der republikanischen Tradition des Säkularismus, die auch auf die Linke ausstrahlt.Im späten 19. Jahrhundert nahm diese Tradition eine antiklerikale Form an und war eine starke Waffe gegen den Einfluss der monarchistischen katholischen Kirche.Aber der Sozialist Paul Lafarge argumentierte, dass dies auch eine Möglichkeit war, Arbeiter dahin zu bekommen, „Priester statt Kapitalisten zu fressen“.Dies ermöglichte dem republikanischen Nationalismus, sich in die sozialistischen und kommunistischen Traditionen zu verwurzeln.Als die regierende Sozialistische Partei in den 1980er Jahren ihre ambitionierten Reformpläne fallen ließ, wendete sie sich ersatzweise dem republikanischen Nationalismus zu. Sie setze auf die „nationalen Werte“ als Alternative zum Aufstieg von Le Pen.Dies wiederum entwaffnete die Linke, als Muslime in ständigen Kopftuchdebatten während der späten 1980er Jahre wiederholt angegriffen wurden. Schließlich wurde der Hijab, das Kopftuch im Jahr 2004 an Schulen verboten.MythenEinst eine Waffe gegen den Reichtum und die Privilegien der katholischen Kirche, wandelte sich der republikanische Säkularismus so zum Mittel, Frankreichs unterdrückte Minderheit der Muslime zum Sündenbock zu machen. Das Verbot der Gesichtsverschleierung ist auf einige Mythen wie diesen aufgebaut: muslimischer Extremismus sei ein größeres Problem als Islamophobie, oder Frauen könnten mehr Freiheit genießen, wenn der Staat ihnen sagt, was sie anziehen dürfen.Diese Mythen können herausgefordert werden. Doch dazu ist eine gemeinsame und eindeutige Kampagne von Nöten, welche Islamophobie und nicht den Islam als Feind identifiziert.http://www.socialistworker.co.uk/art.php?id=21866 Der Artikel wurde übersetzt von Francis Byrne für die Freiheitsliebe.
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