Nachdem dieser Roman vor Kurzem in seiner deutschen Ausgabe erschien, ist dies nun eine gute Gelegenheit ihn ein wenig unter die Lupe zu nehmen.
Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich kein unbedingter Freund davon bin, bei jeder Gelegenheit Anglizismen zu verwenden und nach Möglichkeit alles in Englisch zu belassen was von jenseits des großen Teichs auf uns zukommt. Trotzdem ist der deutsche Titel dieses im Original “Dawn of the Jedi – Into The Void” genannten Buches nicht unbedingt eine sehr glückliche Übersetzung. Denn es geht in dieser Ära der Star Wars Zeitlinie nicht um den “Aufstieg” der Jedi, sondern um deren Geburt bzw. Entstehung und von “Jedi Rittern” kann schon gar keine Rede sein (doch dazu kommen wir noch). Und aus “Into The Void” “Ins Nichts” zu machen ist zwar an sich korrekt, in Anbetracht des Inhalts dieses Buches aber wohl nicht die passendste Übersetzung.
Doch nun genug des Gesuderes…
Denn tatsächlich ist “Into the Void” ein ziemlich gutes Buch, es zählt definitiv zur besseren Hälfte aller SW Romane, die ich je gelesen habe, vermutlich sogar zum oberen Drittel.
So wie praktisch alle SW Romane zählt auch dieser nunmehr zur “Legends” Reihe und ist quasi non-cannon. Dabei besteht bei diesem Buch wohl die geringste Gefahr von allen, irgendwie mit der bestehenden Kontinuität in Clinch zu geraten, denn dessen Handlung spielt rund 25.000 Jahre vor den Star Wars Filmen! Und damit sind wir schon bei der großen (?) Hürde, die dieses Buch für einen unbedarften Leser bieten könnte: denn im Gegensatz zur “Old Republic”, die ja technologisch und kulturell betrachtet ein ziemliches Abbild der Zeit des Imperiums und der Rebellion ist, unterscheidet sich diese Prä-republikansiche Ära doch einigermaßen von Allem was danach kommt: so gibt es etwa noch keinen Hyperantrieb, was dazu führt, dass die bekannte Galaxis aus einem einzigen Sonnensystem im Zentrum der Milchstraße besteht: dem Tython System. Es gibt auch noch keine Lichtschwerter, die Jedi - die hier noch Je’daii heißen verwenden als Waffe physischer Schwerter aus Metall. Das was später zu den Jedi Rittern wird, sind hier noch die sog. Ranger und zwischen diesen und den Padawanen liegen die Journeyer. Die Unterscheidung zwischen heller und dunkler Seite gibt es zwar, sie ist jedoch noch wesentlich weniger ausgeprägt als in späteren Jahrtausenden. So wenden die Je’daii durchaus Techniken an, die man später wohl eindeutig der dunklen Seite zuordnen würde, wie etwas die Alchemie des Fleisches – eine Kunst totem Gewebe mit Hilfe der Macht Leben einzuhauchen. Und die Sith sind (noch) kein Orden, der der dunklen Seite huldigt sondern eine rothäutige Rasse von humanioiden Wesen unter denen sich durchaus auch Je’daii befinden.
Dies und manche anderen Dinge (wie etwas was ein Tho Yor ist), werden in dem Buch zwar angedeutet, aber nicht wirklich erklärt. Das liegt daran, dass der Roman quasi eine Ergänzung zur gleichnamigen Comicreihe von John Ostrander und Jan Duursema ist (das Buch spielt zeitlich während der fünf Ausgaben der Comics). Ich will nicht behaupten, dass man das Buch nicht versteht oder genießen kann, wenn man die Comics nicht kennt, aber die Einstiegshürde ist sicher eine höhere als bei Romanen, die in einer anderen Epoche spielen.
Doch wer sich davon nicht abschrecken lässt, erhält eine wirklich gute Geschichte. Tim Lebbons’ erster Ausflug in die weit, weit entfernte Galaxis ist durchaus gelungen. Das Buch erzählt die Geschichte des Je’daii Rangers Lanoree Brock, die vom Rat ausgesendet wird um ihren Bruder zu suchen, der wiederum auf der Jagd nach einer antiken Technologie ist, die ein Tor zu den Sternen öffnen und den Wesen des Tython Systems die Möglichkeit geben soll das System zu verlassen und dorthin zurückzukehren, von wo sie einst herkamen (wie gesagt, der Hyperantrieb ist noch nicht erfunden). Das Problem dabei ist, dass niemand weiß, ob und wie dieses antike Sternentor funktioniert und wenn etwas schief geht, könnte es zu einem schwarzen Loch kommen und das wäre, nun ja, schlecht.
Abgesehen von der nicht unspannenden Suche Lanorees’ nach ihrem Bruder und seiner fanatischen Sekte lebt die Geschichte vom starken Gegensatz zwischen den beiden Geschwistern. Während Lanoree schon seit frühester Kindheit eine starke Verbindung zur Macht verspürt und später quasi zu einer Art “Je’daii Streber” wurde, lehnt ihr Bruder dieses Konzept komplett ab und sieht die Macht als eine Fessel an, von der man sich befreien muss. Während die Schwester zu Beginn noch versucht, ihrem Bruder zu helfen und ihn auf die “richtige Bahn” zu bringen (nämlich den Weg der Je’daii) muss sie irgendwann einsehen, dass sie ihm nicht mehr helfen kann, weil er sich nicht helfen lassen will und sich immer mehr von ihr entfernt. Erzählt wird dies in zwei abwechselnd beschriebenen Zeitlinien: einmal aus der Sicht der erwachsenen Lanoree, die ihren Bruder finden und eine möglich Katastrophe abwenden muss und einmal aus der Sicht des jungen Mädchens, das mit ihrem Bruder Dalien die Je’daii Klöster auf Tython besuchen muss, um die Wege Macht zu lernen (quasi die “hero’s journey”).
Lebbon zeichnet seine Heldin dabei in beiden “Zeiten” durchaus interessant und auch ein wenig anders, als es weibliche Jedi in anderen Zeitaltern vermutlich wären (auch dies mag für Leser, die die Comics nicht kennen unter Umständen zunächst seltsam wirken). Aber auch die Nebenfiguren sind gut getroffen, wie etwa ein rothäutiger Twi’lek, der Lanoree zunächst nur sehr widerwillig hilft, später jedoch fast eine Art Seelenverwandter wird, eine monströse ehemalige Je’daii (quasi eine Art Jabba der damaligen Zeit), oder ein grantiger Sith Polizeichef, den Lanoree zunächst mit ihren Reizen und später mit Gedankentricks zu beeinflussen sucht. Lediglich der erwachsene Dalien kommt ein wenig eindimensional rüber, er ist einfach der durchgeknallte Irre, der wohl auch in einem James Bond Film Platz finden könnte.
Und das Ende ist zwar nicht wirklich unbefriedigend, aber doch letztlich weniger episch (oder überraschend) als ich es mir vielleicht gewünscht hätte.
Dennoch kann ich das Buch letztlich empfehlen und wer sich von den oben erwähnten Einstiegshürden nicht abschrecken lässt, erlebt hier ein Star Wars wie er es wohl noch nie gesehen hat.