Buch der Woche: Der Weg ins Glück

Das Kernthema dieser Woche in meinem Online-Kurs ist bekanntlich die Achtsamkeit. Und wenn ich überlege, was es heißt, in der Gegenwart zu leben und mich vollkommen dem Augenblick hinzugeben, dann erinnere ich mich an meine Kindheit.

Damals konnte ich eine ganze Weile am Fenster sitzen und den lautlos fallenden Schneeflocken zusehen. Ich konnte zehn Minuten lang einen Käfer beobachten und dabei alles andere vergessen: Ich war fasziniert von der Form, der Farbe und den Bewegungen des Käfers. Sobald er sich verkrochen hatte, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes.

Ich bin froh, dass das Kind in mir noch so lebendig ist, dass ich solche Momente auch heute oft erlebe, denn es gibt für mich kaum etwas Beglückenderes, als von einer augenblicklichen Beschäftigung so fasziniert zu sein, dass ich das Gefühl für Zeit und Raum verliere. Das kann im Konzert sein, wenn ich durch Wälder wandere oder mich mit Menschen unterhalte, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin. Das kann auch beim Zeichnen und Malen sein. Vor allem erlebe ich solche Momente beim Schreiben und Lesen.

Der Weg ins GlückApropos Lesen. Zwei kleine Kinder sind es auch, die uns in Bernard Bensons Buch Der Weg ins Glück auf eine erlebnis- und erkenntnisreiche Wanderung mitnehmen. Auf ihrer langen Reise begegnen ihnen viele liebe und hilfsbereite Menschen, die ihnen sehr gerne ihre Weisheit vermitteln, bis die beiden jungen Ausflügler schließlich auffallend verändert wieder nach Hause zurückkehren. Auch mir selbst haben die beiden Kleinen und ihre Gesprächspartner und -partnerinnen die Augen geöffnet, und noch heute entdecke ich jedes Mal, wenn ich mir diesen Text nach einiger Zeit wieder einmal anschaue, etwas Neues in und zwischen den Zeilen. Es ist für mich nach wie vor eines der inspirierendsten und großartigsten Bücher, die ich bisher gelesen habe. Leider ist es schon längere Zeit vergriffen, obwohl es meiner Meinung nach immer wieder eine Neuauflage verdient hätte. Darin gibt es auch ein kurzes Kapitel, das das Thema Achtsamkeit auf den Punkt bringt:

Das Hier und Heute

Bald nachdem sie wieder unterwegs waren, vernahmen sie in der Ferne das Rumpeln eines Karrens, und als der um die Kurve bog, sahen sie etwas sehr Merkwürdiges. Da kam ein Ochsenkarren daher mit drei Männern darauf. Einer stand vorn mit einem Fernrohr und schaute sehr sorgenvoll drein. Ein zweiter schaute zurück und schaute ebenso besorgt drein. Doch der dritte zwischen diesen beiden, ein kleiner Mann, wirkte sehr fröhlich.
Als der Wagen herankam, rief der fröhliche Kleine: “Hallo, ihr da, springt doch auf!”
Das taten sie dann auch. Die anderen beiden Männer, die mit den Fernrohren, hatten die Kinder nicht einmal bemerkt.
“Was in aller Welt tun die beiden?” fragte eines von ihnen.
“Oh, das da ist Herr Vorschau”, sagte der kleine Fröhliche und deutete auf den Mann, der vorn stand, “Er tut nichts anderes als vorausschauen und planen und sich sorgen!”
“Und der andere?”
“Das ist Herr Rückschau, alles was er je tut, ist zurückschauen. Für gewöhnlich bereut er etwas!”
“Und was tun Sie?” fragten sie den Mann in der Mitte.
“Ich? Ich lebe in der Gegenwart. Im Hier und Heute. Ich sehe die Blumen und die Vögel und die Bäume und alles um mich herum. Ich habe euch gesehen! Hin und wieder schaue ich sorgsam voraus, um zu sehen, wohin ich gehe, und zurück, um aus Erfahrungen zu lernen. Aber ich lebe im Jetzt, von Augenblick zu Augenblick!”
“Warum?” fragten die Kinder.
“Weil das Morgen noch nicht da und das Gestern schon vorbei ist. Daher ist das Heute alles, was wir haben, und wenn wir es nicht nutzen und genießen, werden wir unser Leben am Ende vertan haben! Dieser heutige Tag und dieses mein Ich sind ein einmaliges Ereignis im Universum. Ein Zusammentreffen, das es nie zuvor gegeben hat und nie wieder geben wird. Nirgendwo, niemals!”
“Und was geben Sie der Welt?” fragte eines der Kinder, ein wenig scheu.
“Alles, was ich an Gutem tun kann, als Dank für jeden Tag meines Lebens! Bedenket stets: die Gegenwart ist die Frucht der Vergangenheit und der Same der Zukunft. Vergesst das nie!”

Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Wenn Du noch weitere Geschichten aus dem Buch hören möchtest – und ich meine hören! – dann schau nächsten Dienstag wieder vorbei. Dann gibt es hier einige schöne Videos zu sehen.

Ich bin eine Leseratte. In meinen Regalen und Schränken findest Du weit über 1.000 Bücher. Jeden Mittwoch suche ich eines davon aus und stelle es Dir als “Buch der Woche” vor. – Wenn Du immer auf dem Laufenden bleiben möchtest, bestelle einfach meinen Newsletter.


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