Blackout

Von Stefan Sasse
Nachdem man sich mit einem donnernden Signal in Form von 1,2% der Tyrannei der Masse widersetzt hat, geht der Wiederaufschwung der FDP in die nächste Phase. Flankierend zu den guten Nachrichten aus NRW ("Lindner gibt FDP Schub", sie erreichte erstmals 4% in Umfragen) präsentiert man sich als prinzipienfest, wenn es um das Wohl und Wehe anderer Menschen geht. Damit knüpft die FDP nahtlos an ihre Erfolgsstrategie der letzten drei Jahre an, in der das Beharren auf Steuersenkungen der Grundpfeiler der Strategie war. Während selbst Marc Beise langsam klar wurde, dass es so etwas wie makroökonomische Zusammenhänge gibt, by the way. Der aktuelle Fall: Schlecker. 
Ein Konzern, der zuletzt wegen der Ausbeutung seiner hilflosen, überwiegend weiblichen Angestellten in die Negativ-Schlagzeilen geriet (Check). Ein Konzern, der das von Ursula von der Leyen geführte Arbeitsministerium dazu verleitete, öffentlich über eine strengere Kontrolle nachzudenken (Check). Ein Konzern, dessen Image sogar das von Aldi Ende der 1990er Jahre in den Schatten stellt (Check). 11.000 Mitarbeiterinnen drohte bis heute die Kündigung, wenn nicht eine Auffanggesellschaft gegründet würde, die über einen Zeitraum von rund zwei Jahren den Übergang erleichtert (Check). Gebraucht hätte es die lächerliche Summe von 71 Millionen Euro (Check). Alle Beteiligten hätten sich als Rächer der Entrechteten in Szene setzen können (Check), besonders nachdem bekannt wurde, dass die Schleckerfamilie als Folge ihres monumentalen Scheiterns rund 70.000 Euro monatlich bezieht (Check). 
Das Land Baden-Württemberg, das kein Geld für den Solidarpakt hat, warf sich voll ins Zeug um die Bürgschaften für die 71 Millionen zusammenzubekommen. Bedenkt man, dass Mappus kurz vor seinem Abgang noch ein Vielfaches dieser Summe in die ENBW versenkt hat, sollte das eigentlich angesichts von deutschlandweit 11.000 Betroffenen, die andernfalls ohnehin die Sozialkassen belasten, keine ernsthafte Frage sein (wie wirtschaftlich sinnvoll eine solche Gesellschaft wäre steht hier nicht zur Debatte; interessieren sollen an dieser Stelle die politischen Zusammenhänge). In Sachsen und Sachsen-Anhalt weigerte sich die FDP mitzumachen, und Baden-Württemberg sprang ein. Fehlte nur noch Bayern, der Rest war im Boot. Bayern, wir erinnern uns, hat seit Kurzem eine CSU-FDP-Koalition, seinerzeit frenetisch als Abschied von der CSU-Dauerherrschaft gefeiert. Happy times, aus heutiger Sicht. Die FDP, die das bayrische Wirtschaftsministerium fährt, sagte laut "Njet". Kein Geld für die Auffanggesellschaft. 11.000 Beschäftigte erhielten heute ihre Kündigungen. 
Soweit, so merkwürdig. Gut, denkt man sich, die FDP, das ist ja eine prinzipienfeste Partei. Schauen wir mal, wie Rösler das präsentiert. Der tritt auch gleich vor die Presse und erklärt, dass es nicht Sache des Staates sei, die Folgen unternehmerischer Misswirtschaft aufzufangen. Da möchte man applaudieren. Na dann, Philipp, nehmen wir mal die Energiekonzerne in die Verantwortung, deren Atommüll in Castoren von Zwischenlager zu Zwischenlager schaukelt. Sollen die doch die Scheiße loswerden. Weg mit dem Geld für die Banken! Lassen wir die Bande bankrott gehen. Lassen wir Versandapotheken zu und schauen mal, wie sich die bisherigen Standort-Apotheken schlagen. Oh, das sind die, die eure Wahlkämpfe finanzieren, während 11.000 Niedriglöhnerinnen gerne dahin gehen können, wo der Pfeffer wächst? 
Schon brillant, diese neue FDP-Strategie. Ich verstehe sie noch nicht ganz, aber ich bin mir ja echt sicher, dass sie sich in NRW und Schleswig-Holstein auszahlen wird. Ganz bestimmt. 

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