Es geht nicht um Sie, Herr Regener

Von Stefan Sasse
Der Musiker und Romanautor Sven Regener ist jüngst in die Schlagzeilen gekommen, als er gegen die Scharen von Urheberrechtsverletzern im Netz, vor allem YouTube-Downloader und Filesharing-Nutzer, einen ausführlichen Rant abließ. Das war natürlich eine Steilvorlage für alle, denen bei den Forderungen besonders der Piratenpartei für ein freies Internet und eine deutliche Schwächung des Urheberrechts immer ganz mulmig wird. Regener wurde zum Kronzeugen für diese Fraktion. Schaut her, hier ärgert sich ein direkt Betroffener! Ja, sicher. Aber der Herr Regener und seine Kollegen sind doch gar nicht gemeint. Niemand will, dass Künstler künftig nicht mehr von ihrer Arbeit leben können. Ich persönlich habe auch nichts gegen das Prinzip von GEMA oder VG Wort. Problematisch werden viel mehr die Auswüchse, etwa wenn man nicht einmal mehr Ausschnitte verwenden oder editieren kann, wenn Videos gesperrt werden, weil im Hintergrund etwas entfernt einem geschützten Produkt Ähnelndes laufen könnte. Das ist das Eine, aber das ist hauptsächlich nervig. Eine gänzlich andere Perversion jedes Urheberrechtsschutzes erlebe ich gerade im Alltag hautnah. 
Die Landesregierung Baden-Württemberg hat mit den ansässigen Schulbuchverlagen ein bindendes Abkommen geschlossen, das klare Richtlinien für das Verfielfältigen von Material vorsieht. Und das hat es in sich. Hatte man früher auf die Arbeitsblätter für Schüler noch vergleichsweise munter draufloskopiert, so sieht man davon inzwischen im Angesichts des ständigen Damoklesschwerts einer strafbewehrten Unterlassungserklärung lieber ab. Insgesamt dürfen aus einem Schulbuch für den Unterrichtsgebrauch nur noch 12% kopiert werden, aber maximal 20 Seiten. Scans jeglicher Art sind vollkommen verboten. Trotz vergleichsweise breiter und intensiver Informationspolitik der Landesregierung zum Thema Copyright ist hier eine gigantische Rechtsunsicherheit entstanden, die vor allem dazu führt, dass die Lehrer im Zweifel lieber auf Material verzichten und, vor allem, nichts mehr weitergeben, da das im Zweifel wesentlich schlimmere Konsequenzen als das Weitergeben im Unterricht hätte.
Diese Unsicherheit kommt den Schulbuchverlagen sicherlich zupass. Diese fielen erst vor Kurzem negativ dadurch auf, dass sie den "Schultrojaner" auf allen Schulrechnern installieren lassen wollten, der die Computer auf unerlaubte Scans abgesucht hätte - Computer, auf denen so unwichtige und unsensible Daten wie die Noten von Schülern gespeichert werden. Diese Idee ist rechtlich überhaupt nicht umsetzbar und würde den Schulbuchverlagen praktisch mehr Kompetenzen zugestehen als dem BKA. Entweder hatten die Verantwortlichen bei Klett, Cornelsen&Co einen völligen Blackout, als sie diese Idee kolportierten, oder die dadurch entstehende generelle Verunsicherung gehört zum Plan. 
Egal welche der beiden Optionen es letztlich ist, die Folgen sind schlecht, und sie haben ganz massiv mit überrestriktiven, aus der Zeit gefallenen und nutzlosen Urheberrechtsrichtlinien zu tun. Wir reden hier von Schule, also dem Ort, wo Kinder lernen sollen. Anstatt aber die bestmöglichen Unterrichtsmaterialien nutzen zu können, müssen Lehrer mehr und mehr auf Zweitlösungen verfallen, weil sich niemand der Gefahr eines Prozesses oder irgendwelchen Strafzahlungen aussetzen will - verständlicherweise. Die Motivation der Schulbuchverlage ist ziemlich verständlich. Sie müssen eines Morgens aufgewacht sein und festgestellt haben, dass sie die Entwicklung des Internets und der Digitalisierung verschlafen haben, ganz ähnlich der Musikindustrie. Während sie an ihren eigenen entsprechenden Projekten arbeiten, wollen sie natürlich jegliche mögliche Konkurrenz unterbinden. Das ist verständlich, wenngleich kaum gutzuheißen. Dass die Landesregierung sich hier zum Gehilfen hat machen lassen und den Profitinteressen der Verlage die Bildungsinteressen der Kinder geopfert hat, ist nicht zu entschuldigen. Es hätte an ihr liegen müssen, die Verlage für eine Regelung à la "Die Regelungen des Urheberrechts greifen in öffentlichen Schulen nicht" zu gewinnen und gegebenenfalls zu entschädigen. Und hier geht es nicht darum, bequem irgendein Lied aus dem Netz zu saugen. Hier geht es um die Zukunft unserer Kinder.

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