Bewusstseinssprünge und Schwangerschaft

Achtsamkeit kann man trainieren und das Wissen um ein erfolgreiches Achtsamkeitstraining kann man in diversen Büchern erlesen. So weit war ich schon lange und las und las und las. Ganz ehrlich betrachtet, brachte es zwar viele geistige Erkenntnisse und sicherlich auch Motivation, den Lebensalltag ganz anders als herkömmlich anzugehen, aber wirklich erfahren habe ich davon nur wenig, wenn ich es von meinem jetzigen Standpunkt aus betrachte.

Es ist kein Geheimnis, dass Grenzerfahrungen Transformationsprozesse in Gang bringen oder sogar beschleunigen können. Solch eine Erfahrung am Limit kann für jeden etwas anderes sein und sicherlich werde auch ich noch weitere dieser Art in meinem Leben erfahren. Jedoch habe ich nicht damit gerechnet, dass dazu auch meine Schwangerschaft zählen wird.

Kurzer Rückblick. Ende Juli 2014 erhielten mein jetziger Mann und ich die frohe Botschaft, dass wir ein Kind erwarten und ich somit schwanger sei. Wir konnten es kaum fassen, waren beseelt und absolut glücklich. Das Leben schlug jedoch unverhofft eine Wendung ein und wir verloren das kleine Wesen Mitte September. Sonst so taff, warf mich dieses Ereignis völlig aus der Spur. Ich flüchtete mich in Selbstvorwürfe, sah die Welt um mich herum nur noch verbissen und negativ und schlitterte mit dieser Unbewusstheit in einen Burnout. Nun saß ich zuhause - vom Arzt aus dem Dienst genommen, traurig und leer. Ich fühlte keinen Halt mehr und es dauerte Wochen, bis ich mir zurück aus dem Tief den Weg ins bewusste Leben bahnte. Nochmals einen Versuch zu starten und Kinder zu bekommen, konnte und wollte ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorstellen. Meinen Mann hatte ich damit natürlich vor den Kopf gestoßen. Allerdings übte er keinerlei Druck auf mich aus oder versuchte gar mich umzustimmen. Er akzeptierte und verstand es. Vielleicht traute er mir in meinem Heilungsprozess mehr zu als ich.

Er sollte Recht behalten- obwohl - und das muss ich gestehen, ich war bis zum positiven Schwangerschaftstest im Februar 2016 nach wie vor nicht zu 100% fähig, mir meinen Kinderwunsch einzugestehen. So viele Pläne, so viele Ideen und ich war absolut in Form und hatte Kraft - und dann kam es mal wieder anders. Der Blick auf den positiven Test wischte alles vom Tisch. Da war nur noch Glück und plötzlich diese unbändige Angst. Von der Ärztin bis zu meinen sehr lieben Arbeitskollegen war jeder der Meinung, ich würde mich definitiv nicht über die Schwangerschaft freuen. Ich sah elend und traurig aus - machte mir ständig Sorgen und das Wort "genießen" wäre mir kaum in den Sinn gekommen. Ich zitterte Tag für Tag und Woche für Woche.. Als die 12 heiklen Wochen endlich vorbei waren, machte sich etwas Erleichterung breit. Diese hielt aber nur kurz, denn ich bekam eine Infektion und mein innerliches Zittern ging weiter. Am liebsten hätte ich jede Woche meinen Schilddrüsenwert überprüfen lassen, ob ich die Dosis meines Medikaments auch ja nicht erhöhen müsste. Es sollte nichts schief gehen. Und ich merkte nicht, dass ich mir diese unglaubliche Erfahrung komplett zunichte machte. Ich war nur mit mir und meiner Angst beschäftigt. Meine vergangene Erfahrung dominierte meine gesamte Wahrnehmung. Ich war völlig blind für den Augenblick. Die kleine Seele in mir wuchs unterdes unbehelligt weiter. Dieses Kind ist so viel stärker als ich, dachte ich mir in der 16. Woche und war fassungslos vor Glück, als ich genau in diesem Moment die ersten Kindsbewegungen spüren konnte. Was für eine Gnade! Dieser Moment holte mich völlig ins Hier und Jetzt. Ich wollte nichts anderes mehr - die Zukunft und die Vergangenheit hatten plötzlich keine Bedeutung mehr. Da war nur dieses kleine Wesen, was mit mir Kontakt aufnahm und vielleicht sagen wollte: "Hey, Mama - vergiss mal die Sorgen. Schau, ich bin schon längst bei dir!"

Geschichten mit einem Happy End sind wahrlich schön. Aber das Leben ist vielschichtiger. Natürlich mache ich mir immer noch Sorgen. Mittlerweile kann ich mich dabei aber gut beobachten und lerne, genau dann loszulassen. Im Akzeptieren des Augenblicks, habe ich Ruhe gefunden. Was gewesen ist, hat mit heute nichts zutun. Ich weiß auch nicht, was morgen kommen wird. Diese Gedankenkonstrukte sind es, die meine Angst nähren. Wirkliches Glück erfahre ich gerade und immer wieder nur jetzt. Meine Wahrnehmung hat sich innerhalb der letzten Schwangerschaftsmonate verändert. Ich muss mit allem umgehen, was kommt  - meine Gedanken und Ängste werden mich davor nicht schützen. Aber sie nehmen mir das momentane Glück.

Am Montag waren mein Mann und ich beim zweiten großen Screening, bei dem das Kind auf Herz und Nieren überprüft und vermessen wird. Unser Kind ist gesund und kräftig - es wächst quasi über sich hinaus und als wir dann das Gesichtchen auf dem 3d-Bild sehen durften, war die Welt einfach nur noch in Ordnung. Wir lieben unsere kleine Seele - komme was wolle. Nun freuen wir uns schon sehr darauf, in den folgenden Wochen zu renovieren und ein kleines Babyzimmer einzurichten. Die Zeit wird zeigen, wie es weitergeht und wir werden es annehmen und die inneren Widerstände und Ängste loslassen.

Nicht widerstreben, nicht urteilen und nicht anhaften sind die drei Aspekte wahrer Freiheit und eines erleuchteten Lebens (E. Tolle; Eine neue Erde).


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