Jahrelang wurde darüber diskutiert, wie die aus dem Westen Zugezogenen die Ostberliner Altbauviertel verändern. Eine Einladung zu einer Nachbarschaftsversammlung in Kreuzberg zeigt nun, dass der Ost-West-Transfer keine Einbahnstraße ist.
Ein Frühstücksaktion gegen die Verdrängung aus dem Kiez in Cafe Reiche warb auf Flugblättern nicht nur mit deutschem und türkischem Text sondern mit dem Symbol der Wir-Bleiben-Alle-Bewegung von Anfang der 1990er Jahre aus dem Prenzlauer Berg.
Kreuzberger Stadtteilprotest 2011 mit Ostberliner WBA-Logo aus den 1990ern
Die Initiative entstand damals in Reaktion auf die von der Bundesregierung beschlossenen Mieteüberleitungsgesetze, mit denen die Mieten in Ostdeutschland schrittweise an die westdeutschen Vergleichsmieten herangeführt werden sollten. Unter der Forderung “Wir Bleiben Alle! (WBA)“ entwickelte sich eine der ersten stadtpolitischen Nachwendemobilisierungen.
WBA-Logo 1995 im Originalkontext der Stadtteilproteste in Prenzlauer Berg
Der Titel „WBA“ ging im damals noch üblichen Nachwendewitz auf die WohnBezirksAusschüsse zurück, die es flächendeckend in der DDR gegeben hatte. In der Oderberger Straße hatten Anwohner/innen schon Ende der 80er Jahre den WBA unterwandert und zur Verhinderung der Abrisspläne und der Eröffnung des Hirschhofs genutzt. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verlor das Bündnis an Bedeutung und viele Aktive schlossen sich den frisch entstandenen Betroffenevertretungen in den Sanierungsbieten oder anderen Stadtteilinitiativen an.
Knapp 15 Jahre später erlebt die Parole ein Revival. Ein Bündnis von Hausprojekten und Wagenburgen hat sich vor ein paar Jahren unter dem Titel Wir Bleibe Alle zusammengeschlossen um Selbstorganisierte Freiräume zu erkämpfen und zu verteidigen. Mit der Kreuzberger Einladung zum Protest wurde nun auch das alte Logo reaktiviert.