BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN – “Lass sehen, was du kannst”

Auszüge aus dem Interview mit dm-Gründer Götz Werner im aktuellen Magazin „Die Gazette“ Nr. 33

„… Freilich: Wenn diese Grundidee bei uns hier nicht auf Sympathie stieße, säßen wir wahr scheinlich nicht hier. Ich würde aber gern noch einmal den advocatus diaboli spielen. Die Erwerbsarbeit ist derzeit so geregelt, dass einem Arbeitgeber viele Arbeitnehmer gegenüberstehen. In Ihrem Modell wäre den Arbeitgebern viel, wenn nicht alles an Macht genommen. Sehe ich das richtig?

Einerseits ja. Aber wenn Sie aufmerksam beobachten würden, dann würden Sie sehen, dass Sie im alten Erwerbsarbeitsmodell befangen sind. Viele denken noch in den Kategorien des Bismarck’schen Sozialstaats. Dessen Säulen waren: eine stabile Berufsbiografie, konsistente Familienverhältnisse und eine Lebenserwartung von 53 Jahren. Alle drei Säulen sind obsolet. Heute haben wir es mit brüchigen Berufsbiografien zu tun, d.h. man muss immer wieder neu ansetzen; wir haben mit Patchwork-Familien zu tun; und die Lebenserwartung ist weit höher – Gott sei dank, sonst wären wir nicht hier. Das zeigt uns, dass wir an die Grenzen des Bismarck’schen Sozialstaats gekommen sind. Ich erzähle in diesem Zusammenhang gerne die
Geschichte von einer Frau, die feststellt, dass ihre Rente viel zu gering ist, um damit auszukommen. Und als sie mir das erzählte, sagt sie auch: „Na ja, ist ja eigentlich klar, ich hab’ 25 Jahre unsere drei Kinder großgezogen, und dann hab’ ich 20 Jahre meinen Mann gepflegt – ich hab’ ja nie gearbeitet.“ Der Denkfehler liegt darin, wie wir den Begriff „Arbeit“ denken. Wir denken „Arbeit“ immer noch als weisungsgebundene, sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit und nicht als Tätigkeit, als Ausdruck des Menschen. Die Arbeit der genannten Frau bewerten wir nicht.

Da kann ich Ihnen völlig zustimmen. Gleichwohl möchte ich aufrechterhalten, dass wir einen Arbeitsmarkt haben, der auf der einen Seite von mächtigen Anbietern und auf der anderen Seite von weit weniger mächtigen Nachfragern bevölkert wird.

Deswegen ist es kein Markt. Es ist ebenfalls ein Denkfehler, von einem Arbeits„markt“ zu sprechen. Ein Markt setzt voraus, dass man teilnehmen kann oder auch nicht. Der größte Teil der Bevölkerung kann aber nicht die Aufgaben ergreifen, die er will, sondern er ist auf Erwerbsarbeit angewiesen; mit der Folge, dass heute viele Menschen arbeiten, nicht weil sie die Arbeit wollen, sondern weil sie das Einkommen brauchen. Im Grunde ist das eine fatale Situation. Der hochgelobte Arbeitsplatz, an dem der Mensch sich mit seinen Fähigkeiten einbringen soll, verkommt auf diese Weise zu einem „Einkommensplatz“, den der Mensch braucht – aber nicht, weil er die Arbeit liebt oder einen Sinn darin sieht. Die heutige Notwendigkeit von Arbeitsplätzen führt letztlich auch zur sinnlosen Erhaltung von Industrien, die keiner braucht, zur Stützung von Unternehmen, die keine Aufgabe mehr erfüllen.

Ist das nicht doch recht revolutionär? So etwas hat es ja in der Geschichte noch nicht gegeben.

Doch, zum Beispiel in der Aristokratie. Sie haben es auch bei Beamten, bei verbeamteten Lehrern, bei unkündbar Beschäftigten, auch bei allen Transferleistungsempfängern. Im Grunde ist das alles schon da, wir müssen es nur neu denken. Es käme darauf an, die Menschen, die heute ein „bedingtes“ Grundeinkommen beziehen, zukünftig produktiv zu machen. Hartz-IV-Empfänger werden heute unproduktiv gemacht, stillgelegt. Das bedingungslose Grundeinkommen würde sie nicht in die Passivität drängen, denn es gäbe ihnen eine Grundversorgung mit der Aufforderung: Jetzt zeig einmal, was du kannst. Das beste Beispiel dafür, dass eine Grundversorgung produktiv macht, ist ehrenamtliche Tätigkeit. Es werden viel mehr Stunden Arbeit ehrenamtlich geleistet als Erwerbsarbeitsstunden. Warum sind Menschen ehrenamtlich tätig? Erstens: Sie machen etwas, worin sie einen Sinn sehen. Und zweitens: Sie können es sich leisten. Das ist der entscheidende Punkt. Und das brauchen Sie sich nur für die Gesamtgesellschaft vorzustellen.
…“

Quelle und gesamtes Interview: http://www.gazette.de/Archiv2/Gazette33/Interview.pdf



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