Beabsichtigte SGB II–Rechtsvereinfachung ist in Wirklichkeit eine Kürzungsorgie, ausgerechnet bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung

Vor wenigen Tagen wurde die Liste der konsentierten Vorschläge veröffentlicht, die unter Anderem zwischen Behörden und Verbänden abgestimmt wurde. Die euphemistisch dem Publikum dargestellten “SGB II – Rechtsvereinfachungen” stellen in Wirklichkeit Nachteile für die Betroffenen, insbesondere Kürzungen von Leistungen dar. Da dem mittellosen Betroffenen inzwischen der Rechtsweg erschwert wurde, setzt das zuständige Bundesarbeitsministerium darauf, dass die Klagen nicht sprunghaft ansteigen. Aber damit ist m.E. nicht zu rechnen, da die Betroffenen im wahrsten Sinne des Wortes um ihre Existenz kämpfen müssen und auch die Verantwortung für ihre mit betroffenen Kinder wahrnehmen müssen.

Hierzu einige Beispiele zu den neuen Absichten:

Einmalige Einnahmen

Nach § 11 Abs. 3 SGB II soll der “vorzeitige Verbrauch” einmaliger Einnahmen bestraft werden. Um den “Rechtsweg”, auch bezogen auf die aufwändige Prüfung von Ersatzleistungen nach § 34 SGB II zu vermeiden, wird die darlehensweise Bereitstellung von Leistungen vorgesehen, um den Lebensunterhalt sicherzustellen.

Eigene Beurteilung: Im Zweifel wird den Betroffenen aufgrund gängiger Behörden-Praxis “unwirtschaftliches Verhalten” unterstellt. Mit der Drohung der Prüfung auf “Ersatzleistungen” sollen die Betroffenen dazu gedrängt werden, ein “rückzahlbares” Darlehen nach § 24 SGB II anzunehmen.

Betroffene können solchen Absichten nur begegnen, indem sie die Notwendigkeit der “vorzeitigen Ausgaben” darlegen und Beweise (Belege) sammeln. Beispielsweise wäre der unerwartete Ersatz einer Waschmaschine ein hinreichender Grund für den “vorzeitigen Verbrauch”.

Gesamtangemessenheitsgrenze für die Bedarfe für Unterkunft und Heitzung (Bruttowarmmiete)

Die Verwaltung argumentiert, dass das Auffinden “angemessener” Wohnungen erleichtert werden könnte, weil höhere Aufwendungen für die Unterkunft durch geringere Aufwendungen für die Heizung ausgeglichen werden können und umgekehrt.

Eigene Beurteilung: Bisher müssen die Heizkosten vollumfänglich übernommen werden, sofern beispielsweise  nicht ein unwirtschaftliches Verhalten unterstellt  werden kann. Bekanntlich ist die Wärmedämmung bei Altbauten sehr unterschiedlich. Eine “Pauschalierung” für Unterkunft und Heizung dürfte dazu führen, dass die bedürftigen Mieter aus den Altbauten verdrängt werden und angesichts mangelnder Wohnbauten mit niedriger Kaltmiete sogar eine Verdrängung aus dem Stadtteil oder gar der Stadt stattfinden dürfte.

Es mangelt auch an Regelungen, wenn der Betroffene bei Überschreiten der “Gesamtangemessenheitsgrenze” keine günstigere Wohnung finden kann, auch weil die “Gesamtangemessenheitsgrenze” viel zu knapp bemessen wurde. Wenn es richtig ist, dass der Wohnungsbestand für Sozialwohnungen völlig unzureichend ist, dann werden die Leistungsberechtigten nach SGB II vor unlösbare Probleme gestellt. Es droht sogar je nach Behördenverhalten der Anstieg der Obdachlosigkeit, wenn die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Optionskommunen keinen Weg findet, um die völlig unzureichende Anzahl von Sozialwohnungen bei der Abfassung der Neuregelung zu berücksichtigen.

Tangiert wird auch das Grundrecht auf “freie Ortswahl”, wenn Leistungsberechtigte nach SGB II oder XII in “Billig-Wohngebiete” abgedrängt werden.

Es läuft bei der “Gesamtangemessenheitsgrenze” darauf hinaus, dass die Betroffenen nicht mehr “angemessen” heizen können und die “Beamten” darauf aus sind, dass die Arbeitslosen und Hilfebedürftigen zukünftig im Winter mit Wintermantel und Decken im Wohnzimmer sitzen müssen, weil sie Heizenergie einsparen müssen, um nicht die Wohnung zu verlieren oder die höheren Heizkosten direkt in das “Existenzminimum” für Nahrung, Hygieneartikel und benötigte Medikamente eingreifen.

Es ist kaum vorstellbar, wie sich Kinder fühlen werden, wenn sie in kalten Wohnungen leben müssen. Offenbar ist den “Beamten” und “Politikern” das Wohl der Kinder völlig egal, wenn sie über solche Regelungen befinden. Hier stand wohl die absurde “Schuldenbegrenzungspolitik”, insbesondere der Optionskommunen, Pate, auch weil die Energiekosten angesichts des “Energiewende-Desasters” in den nächsten Jahren weiter drastisch ansteigen werden.

Der Vorschlag der “Gesamtangemessenheitsobergrenze” wird viele Hartz-IV-Empfänger betreffen; sollten die Ideen Gesetzeslage werden, dann werden sich die Sozialgerichte bis hoch zum Bundesverfassungsgericht damit befassen müssen. Nicht wenigen Betroffenen hilft das herzlich wenig, weil die neu gezogenen Grenzen nach kurzer Zeit (6 Monate) wirksam werden und der Instanzenweg mehr als 4 Jahre andauern dürfte.

Genossenschaftsanteile sollen so behandelt werden, wie Mietkautionen (vgl. § 22 Abs. 6 SGB II)

Das SGB II / XII zeichnet sich dadurch aus, dass, je nach finanziellem Vorteil für die Kommune bzw. den Bundeshaushalt, feststehende Rechtsbegriffe anders ausgelegt werden, weil es anscheinend der Sparzwang gebietet.

Bisher wurden nach der Rechtsprechung die “Genossenschaftsanteile”, die bei Wohnungsgenossenschaften erworben werden müssen, als “Beschaffungskosten” der Wohnung judiziert, zumal nicht selten aufgrund der beabsichtigten Absenkung der Miete (w/ Angemessenheit) der Betroffene sich gezwungen sah, eine andere Wohnung zu suchen.

Aber was interessiert den Gesetzgeber der Unterschied zwischen “Mietkaution” und “Genossenschaftsanteil”. Die vom Vermieter üblicherweise abverlangte Mietkaution wurde als Darlehen seitens der Behörde gewährt, so dass die “Tilgung” das an und für sich unabdingbare Existenzminimum eine Reihe von Monaten nicht unerheblich geschmälert wurde. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BVerfG zum “Existenzminimum” eine klar rechtswidrige Vorgehensweise, alleine weil bei der Bemessung des “Existenzminimums” (statistische Erhebung, Warenkörbe) keinerlei Kautionen berücksichtigt wurden.

Jeder Eingriff staatlicherseits in das Existenzminimum ist klar rechtswidrig und ethisch verwerflich!

Das führt zu dem Ergebnis, dass vielmehr die “Mietkautionen” als “Wohnungsbeschaffungskosten” zu subsumieren wären, wie bisher der Erwerb der Genossenschaftsanteile. Das sollte auf jeden Fall dann gelten, wenn die Behörde aufgrund der “Angemessenheitsprüfung” zu dem Ergebnis kommt, dass sich der Betroffene eine neue, preisgünstigere Wohnung suchen soll.

Vorauszahlungen von Leistungen mit Verrechnung im Folgemonat

Bei kurzfristigen finanziellen Engpässen gewährt §24 Abs. 1 SGB II die Möglichkeit der Darlehensgewährung. Weil die Verwaltung von Darlehen anscheinend “aufwändig” ist, soll zukünftig eine “Vorauszahlung” bis zu einer Höhe von 30 % des Regelsatzes gewährt werden, allerdings nicht für Betroffene mit laufenden Sanktionen.

Eigene Beurteilung: Ungeklärt bleibt danach, ob Betroffenen mit laufenden Sanktionen bei einem finanziellen Engpass nach wie vor ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II gewährt werden kann?!

Erfahrungsgemäß fallen Engpässe dann an, wenn unerwartete Ausgaben anfallen und die Behörde sich weigert, den erhöhten Bedarf anzuerkennen.

Beispiel aus der Praxis: Für ein krankes Kleinkind, das nur in der Kinderklinik der Universitätsklinik Essen behandelt werden konnte, weil am Wohnort weder eine Kinderklinik noch die benötigten Fachärzte vorhanden waren, wurden vom Jobcenter die erhöhten Fahrtkosten als zusätzlicher Bedarf mit der absurden Begründung abgelehnt, dass sich ja die Mutter mit dem Kind in das nächste Krankenhaus begeben könne. Sowohl aus medizinischer Sicht als auch aus Sicht der Fürsorgepflicht der Mutter ergab sich die Notwendigkeit, die Kinderklinik in Essen so schnell wie möglich (Taxi) aufzusuchen. Eine andere Möglichkeit war nicht gegeben, auch weil das Krankenhaus in der Nachbarschaft den “Notfalltransport” abgelehnt bzw. unbotmäßig verzögert hätte bzw. mit der Diagnose überfordert gewesen wäre.

Der Mutter wurde dann “unwirtschaftliches Verhalten” vorgeworfen.

Die Neuregelung würde dazu führen, dass der Bedarfsgemeinschaft dringend benötigte Mittel zur Bestreitung des Existenzminimums entzogen werden. Vonnöten wäre vielmehr eine Sammlung der in der Praxis vorkommenden “unerwarteten Ausgaben”, denen sich die Betroffenen nicht entziehen können, wie zuvor als Beispiel geschildert.

Aber dazu fehlt es offenbar an Herz und Sachverstand.

Sanktionen

Künftig soll das “Sonderrecht” (verschärfte Sanktionsvorschriften) für Jugendliche und Erwachsene unter 25 Jahren entfallen. Für jede Pflichtverletzung soll zukünftig ein einheitlicher Betrag in Abzug gebracht werden.

Eigene Beurteilung: Sanktionen erstrecken sich bisher auch auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Je nach “Fehlverhalten”, beispielsweise wiederholte Ablehnung eines aus Sicht des Betroffenen menschenunwürdigen 1-Euro-Jobs, kann die behördliche Sanktionspraxis zur Obdachlosigkeit führen, auch weil Eilverfahren und Klagen vor den Sozialgerichten die Sanktionen bis zur Abfassung eines Urteils nicht unterbrechen.

Entweder stellt sich der Betroffene der “Versklavung” und wartet das Urteil ab, oder es droht Obdachlosigkeit bei Fortsetzung der Weigerung.

Angesichts der Tatsache, dass Sanktionen, sofern sie gerichtlich geprüft werden, zu mehr als 50 % aufgehoben werden, will die Politik dennoch grundsätzlich die menschenunwürdige Sanktionspraxis aufrechterhalten, auch wenn sich die Sanktionen zukünftig nicht mehr auf die Bedarfe für Wohnung und Heizung erstrecken sollen.

Die ausgeübte Sanktionspolitik soll die Arbeitslosen in dauerhaft prekäre Arbeitsverhältnisse zwingen und halten, auch weil normal bezahlte Beschäftigungsverhältnisse seit mehr als 15 Jahren Mangelware sind. Die Einführung der Hartz-IV-Gesetzgebung hatte geradezu das Ziel, etwa 20 % bis 30 % der Arbeitnehmer in prekäre Arbeitsverhältnisse abzudrängen.

Daran ändert auch die Einführung des Mindestlohnes von 8,50 Euro/Stunde nichts.

Die bevorstehenden Sitzungen in den Gremien des Bundestages werden noch weitere Überraschungen ans Tagelicht bringen. Aufmerksamkeit und kritische Begleitung ist geboten.

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