Derzeit wird in Deutschland ja wieder viel über zu wenig Kinder angesichts zu vieler Leistungen für Familien lamentiert. Erziehungsgeld, Kindergeld, Betreuungsgeld, Kitaausbau, Sozialarbeiter in Schulen, Bildungspakete für Minderbemittelte, Elitenförderungen für Besserverdiener – je nach politischer Ausrichtung versuchen die Parteien, ihre Klientel mit eigens für sie und ihr Weltbild zugeschnittenen Leistungen zur Produktion von Nachwuchs anzuregen. Aber nichts davon scheint zu helfen, es kommen trotzdem immer weniger Kinder auf die Welt.
Nun sollte man annehmen, dass es für die Welt keine Katastrophe ist, wenn es künftig ein paar Deutsche weniger gibt. Aber eins kann immerhin klar festgestellt werden: Es gibt einen Konsens darüber, dass man den Leuten extra Geld geben muss, damit sie es sich leisten können, überhaupt über Kinder nachzudenken. Das ist sehr aufschlussreich: Die Politik hat durchaus im Blick, dass Lebenshaltungskosten gegenüber den Löhnen, die gezahlt werden inzwischen so hoch sind, dass es eben nur noch für einen selbst reicht, vielleicht auch noch für den Lebenspartner, aber auch das wird häufig eng. Aber genau das ist so gewollt, damit die deutsche Wirtschaft auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist: Die arbeitende Bevölkerung muss den Gürtel halt enger schnallen.
Wer von der Grundsicherung leben muss, wird ohnehin knapp gehalten, und genau diese Leute sind die einzigen, die systematisch fürs Kinderkriegen bestraft und nicht belohnt werden, denn sie profitieren ja weder vom Kinder- noch vom Erziehungsgeld (oder wie immer man diese asoziale Gebärprämie heutzutage nennt) und auch die mickrigen Zuschläge aus dem Bildungspaket müssen jeweils extra und gut begründet beantragt werden. Dabei haben genau diese Leute doch Zeit, sich mangels Lohnarbeit um Nachwuchs zu kümmern. Aber so arbeitsteilig funktioniert die Gesellschaft dann doch wieder nicht.
Interessanterweise wird diese Bankrotterklärung der (Familien-)Politik in den vielen Kommentaren für oder gegen irgendeine neue Familien- oder Kinderzulage gar nicht thematisiert. Da geht es immer nur darum, ob Mütter lieber zuhause bei den Kindern bleiben sollten, oder sich lieber möglichst früh wieder um ihren Job kümmern sollten. Als ob sie sich das aussuchen könnten! Denn es ist doch klar, dass auch Mütter arbeiten gehen müssen, und das möglichst in Vollzeit, damit die Familie auf einem halbwegs erträglichem Niveau leben kann. Für eine vierköpfige Familie ist es beispielsweise ganz nett, für jeden Menschen ein Zimmer zu haben. Eine halbwegs komfortable Vierzimmerwohnung kostet aber, sofern man nicht völlig ab vom Schuss leben will, locker schon mal ein Geringverdienergehalt, wenn man sie mieten muss. Mit etwas Glück hat ein Elternteil einen etwas besseren Job, dann reicht es auch noch für das Familienauto, zwei Wochen Familienurlaub pro Jahr und Biokost. In sehr vielen Fällen reicht es dafür aber eben nicht. Und das ist weder für Eltern, noch für Kinder schön. Insofern muss sich niemand wundern, wenn viele junge Menschen, von denen man erwartet, für wenig Geld viel zu leisten, keine Lust haben, sich auf Kinder und Familie einzulassen. Eher wundert es mich, dass es trotz der beschissenen Umstände noch so viele tun. Man könnte das heroisch nennen, eigentlich ist es aber dumm. Niemand belohnt einen dafür, den Rest des Lebens auf alles Mögliche zu verzichten. Und weil der Verzicht so groß ist, muss aus den Kindern auch unbedingt was werden – unter diesem Druck verzweifeln Eltern und Kinder reihenweise. Da hilft weder Eltern- noch Betreuungsgeld. Da hilft nur eine andere Gesellschaft. Eine in der es normal ist, dass Menschen Bedürfnisse haben, die befriedigt werden müssen. Unabhängig davon, wie nützlich der jeweilige Mensch für die Wirtschaft ist.
Wenn man sich diese ganzen tollen Familienleistungen mal ansieht, lässt sich unschwer erkennen, dass sie alle nur darauf abzielen, dass so genannte Leistungsträger Eins A Qualitätsnachwuchs produzieren sollen, damit die Wirtschaft endlich ihre heiß begehrten Fachkräfte bekommt. Die ganze Kindheit ist nur noch eine ärgerlich lange Phase der Berufsvorbereitung, die man inzwischen durch Frühförderung im Kindergarten, Einschulung mit 5 Jahren und dann 12 Schuljahren bis zum Turboabitur etwas verkürzt hat. Dann müssen die jungen Fachkräfte nur noch schnell durch die Uni geprüft werden, damit sie dann mit 21 als billige Fachkraft mit Bachelor in die Produktion können. Nicht so wie früher diese Endzwanziger mit Diplom, die meinten, dass sie ein vernünftiges Akademiker-Einstiegsgehalt bekommen müssten, dafür, dass sie so viel Zeit mit Studieren vertrödelt haben. Der Haken ist nur: Diese auf Effizienz getrimmten Nachwuchskräfte steigen dann doch nicht aus ihrer Karriere aus, um statt endlich mal richtig Geld zu verdienen, Kinder zu bekommen. So ist das nun einmal in einer Gesellschaft, in der es nur aufs Geld ankommt: Geld kriegt keine Kinder. Ist auch besser so.