Nach den aktuellen Ereignissen in Schweden beschäftigt viele Menschen auch bei uns die Frage: Sind Unruhen, die durch soziale Ungerechtigkeit und Perspektivlosigkeit ganzer Bevölkerungsteile und -Schichten ausgelöst werden, zu erwarten? Ist das in Deutschland möglich oder sogar wahrscheinlich?
Ereignisse wie in Griechenland und Schweden zeigen, wie schnell in zivilisierten Ländern durch soziale Spannungen Unruhen ausgelöst werden können.
Unruhiges Europa
Steuern wir auf ein demokratisches Europa der Bürger und der Chancengleichheit zu – oder ein Europa der Machteliten, der Ausgrenzung und des Sozialrassisumus?
Wir erinnern uns alle noch an die brennenden Vorstädte von Paris im Jahr 2005. Nicht nur in Frankreich wurde über Jahrzehnte die Einwanderung von Millionen von Menschen gefördert – aus Arbeitskräftemangel und anderen Gründen. Die Folgen wurden bis heute kaum untersucht, haben in den Europäischen Mitgliedsstaaten in Skandinavien, in Frankreich und Deutschland oder in Italien länderspezifisch unterschiedliche Ausprägungen, sind kaum übergreifend analysiert und gesellschaftlich bewältigt worden. Von einer Konzeption, einer gemeinsamen europäischen Linie oder Strategie ganz zu schweigen, gleiches gilt auch für die Europäische Außenpolitik.
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Verschiebung der Verantwortung auf die Betroffenen
Schliesslich wird die Verantwortung für diese Probleme, die Ghettoisierung, die Verarmung insgesamt auf die Einwanderer und die vom sozialen Abstieg Betroffenen, die Jugendlichen ohne Perspektive selbst geschoben. Sie “hätten zu Hause bleiben” sollen, “sie hätten mehr Fleiss” an den Tag legen sollen, “in der Schule besser aufpassen” einen “besseren Abschluss” machen sollen usw.” So wird auch seitens der Politik gerne argumentiert. Das schürt weiteres Konfliktpotenzial und gesellschaftliche Spaltung statt Solidarisierung derer, die an einem Strang ziehen könnten.
In Spanien hat die Bevölkerung diesbezüglich vielleicht schon mehr gelernt. Man schickte uns eine Nachricht, eine Mahnung zu mehr Solidarität, die natürlich so von den großen Medien nicht verbreitet wurde. Lesen Sie dazu:
“Eine Botschaft der Spanier an die Deutschen”
Natürlich wissen wir, dass in Spanien und jetzt gerade in Portugal gegen staatlich organisierte Verarmung und Ausverkauf des Staatswesens demonstriert wird. Portugal erlebt gerade das dritte Rezessionsjahr in Folge, obwohl hart gespart wird und 2011 bereits ein 78Milliarden-Euro-schweres Hilfspaket zur Abwendung des Bankrotts abgerufen wurde. Die Demonstranten fordern jetzt den Rücktritt der Regierung. (Presselinks)
Aus Griechenland erreichte uns schon vor einem Jahr ein vielbeachteter Filmbeitrag zur Plünderung von Staaten in Europa am Beispiel Griechenlands. Katastroika – Privatisierung von Staatseigentum – Ein Angriff auf die Demokratie und auf Europa . Während jeder amerikanische Mist im deutschen Fernsehen professionell synchronisiert und ausgestrahlt wird, hat man diese Reportage nur als Gehimtipp über Youtube wahrgenommen. Immerhin wurde der Beitrag spätabends in der Kultursendung “Titel-Thesen-Temperamente” dem interessierten Spartenpublikum als “Kultfilm” nahegelegt.
Der Unmut wächst – aber es ändert sich nichts
Wird das von den Bevölkerungen aufgebaute Staatseigentum verkauft, die Unternehmen für die öffentliche Grundversorungen privatisiert, die Sozialleistungen und Löhne bzw. Renten gekürzt, wächst der Unmut der betroffenen Bürger ins Unermessliche. Den einmal lieb gewordenen Wohlstand gibt kein Volk der Welt gerne und schon gar nicht freiwillig wieder auf. Andere, die ins Land kommen um zu arbeiten oder um menschenunwürdigen Lebenssituationen in ihren Heimatländern zu entfliehen, werden in unserem Land in Lebensumstände gezwungen, die öffentlich gerne verdrängt werden und für die sich nur ganz wenige überhaupt interessieren. Zeitgleich zu den üblichen Sonntagsreden werden Integrationspreise verliehen, ohne dass sich etwas ändert. Immerhin erhielt der Musiker Heinz Ratz, der sich tatkräftig für die Flüchtlinge in Deutschlands Lagern einsetzt von der Bundesregierung verdientermaßen die “Integrationsmedaille”. Er hatte überlegt, ob er die Auszeichnung überhaupt annehmen sollte, denn sie bedeutet “auch einen äußerst unangenehmen Schulterschluß mit der großen Politik, die ja wiederum so unzertrennlich mit Lüge und Heuchelei verheiratet ist”, entschied sich letztenendes doch dafür, um die Betroffenen zu unterstützen. (mehr dazu)
Volle Fahrt in die soziale Kälte!
Während die einen fliehen und andere verarmen, wächst gleichzeitig die Unzufriedenheit in den angestammten und bisher integrierten und etablierten Bevölkerungsteilen. Die Unzufriedenheit der Menschen gipfelte in Griechenland in Demonstrationen und Streiks. Diese haben nun wohl auch noch die Steuereinnahmen des Landes um 11 Milliarden Euro verringert, was die Konsolidierung der maroden griechischen “Staatsfinanzen” nicht gerade leichter macht. Die Abwärtsspirale dreht sich also munter weiter. Momentan gleitet das Land noch nicht ins totale Chaos ab, weil durch den ESM immer wieder etwas Geld in ein Fass ohne Boden geworfen wird, das den Menschen in den Ländern jedoch nicht zugute kommt. So entwickelt sich ein Europa der abgehängten Regionen.
Die Fleissigen und Ehrlichen fühlen sich bestraft und ohnächtig, während diejenigen, die verantwortlich sind für das Desaster -weil systemrelevant- von einer EU weiterfinanziert werden. Dabei haben superreiche Einzelpersonen bequem ihr Schäfchen ins Trockene gebracht und korrupte Bürokraten längst ihre Klüngel an den Schaltstellen der Macht positioniert. Selbst Wahlen können sie dort nicht mehr wegbekommen.
Ein gutes Beispiel dafür ist Bulgarien, wo die Menschen wegen einer astronomischen Strompreis-Erhöhung in diesem Winter froren und erfroren, demonstrierten und es Aufstand und Tumulte gab: Dort wählte man gerade mangels echter Alternativen die gleichen Figuren wieder, die zuvor durch Demonstrationen aus den Ämtern getrieben wurden. Auch ein Wahlboykott hätte nichts geändert. Irgendwie erinnert das an die sozialistische Zeit, als man in den sogenannten Blockstaaten nur linientreue Einheitsparteien wählen durfte.
Kein rein schwedisches Phänomen
Das alles ist längst kein isoliertes schwedsches, französiches, griechisches, spanisches, portugisisches, italienisches oder bulgarisches, sondern ein gesamt-europäisches Phänomen, das sich unabhängig der Länder-Historien in den heutigen “Demokratien” beiderseits der ehemaligen Systemgrenzen und unabhängig von der aktuellen finanziellen Lage zeigt. Das systemisch angelegte ESM- und Krisen-Desaster geht also in die nächste Runde, strukturelle Änderungen sind nicht in Sicht. Weiterhin werden große Teile Gesellschaft, samt der Jugend und der Einwanderer ausgegrenzt. In den wohlhabenderen Ländern zeichnet sich die Tragweite der Probleme in ihrer gesamaten Dramatik erst später ab. Man spricht in Spanien schon heute von einer verlorenen Generation, während man in Schweden das Problem wohl erst jetzt, seit Papas Volvo brennt richtig wahrnimmt und ernsthaft diskutiert.
Die nächsten Kandidaten eines zu erwartenden Finanzcrashes stehen schon mit Spanien, Portugal und evtl. auch Italien, in den Startlöchern. Spätestens wenn in Spanien die Finanzwelt strauchelt, wird dies zwangsläufig in ganz Europa zu einem finanziellen Flächenbrand führen, an deren Ende wohl der Euro geopfert werden muss. Und wer wird da wohl das meiste verlieren?
Demonstration in Spanien: “Das ist keine Krise, das ist Betrug am Volk”, rufen die Menschen und “Das ist keine Krise, das ist Kapitalismus”. (1)
Schon letztes Jahr demonstrierten 5.000 Polizisten, sie wollten nicht mehr gegen ihre Landsleute vorgehen und viel lieber “Banker und Politiker verhaften”
Deutschland ist überschuldet, auch wenn es am Bruttoinlandsprodukt gemessen gering erscheint. Selbst in Jahren in denen die Steuereinnahmen überdurchschnittlich hoch sprudelten, wurde die Neuverschuldung nicht abgebaut, sondern weiter erhöht. Wo soll dies hinführen? Es wird per se zu noch höheren Schulden beziehungsweise Steuerlast für die Bevölkerung kommen. Die “Schuldenbremsen” werden nichts an der Grundentwicklung ändern, nur die Kommunen mit ihren Bewohnern zwangsverarmen, wie es jetzt schon in den Südländern der EU vorweggenommen wird.
Da die Finanzkrise beileibe noch nicht ausgestanden ist, wird die Verschuldung ungebremst weiter wachsen müssen. Finanzhilfen für andere Euroländer, die nie zurückgezahlt werden können, befeuern dieses Finanzdesaster kontinuierlich.
Wenn am Ende auch in Deutschland extrem gespart werden wird, kann dieses Gemisch von strukturell unlösbaren Problemen zum gesellschaftlichen Kollaps führen.
Das Potential gewaltbereiter Menschen steigt an. Bei abnehmendem Wohlstand, eigener Perspektivlosigkeit und andauernder Umverteilung der Belastungen von oben nach unten wird die Entwicklung von großen Teilen der Bevölkerung zurecht als ungerecht, empörend und anti-sozial empfunden.
Langfristig wird dies zu sozialen Unruhen in ganz Europa führen.
Viele Länder der EU wie Spanien, Griechenland, Italien, Frankreich und aktuell Schweden, haben schon einen kleinen Vorgeschmack auf das bekommen was auch in Deutschland unausweichlich scheint, wenn nicht jetzt die richtigen Weichen für eine soziale und humane Gesellschaftsordnung gestellt werden.
Die Gefahr einer Zunahme und Radikalisierung von politischen Gruppierungen ist nicht unbegründet. Wenn man den Blick nach Griechenland wendet, sieht man, wohin eine solche Politik führt. Hier sind die Nazis laut Umfragen, zurzeit die drittstärkste Kraft im Lande. (Siehe NTV-Artikel)
Dies alles zusammengenommen sind Anfänge einer massiven gesellschaftlichen Veränderung in Europa, die viel politische Brisanz enthält – und am Ende noch sehr böse enden kann. Hier baut sich gesellschaftspolitischer Sprengstoff auf der letztendlich in Randale und Chaos seinen Niederschlag finden kann.
Deshalb ist es jetzt wichtig sich mit den Arbeitenden und Armen in Europa zu solidarisieren, statt über sie zu hetzen und sie aus der Gesellschaft auszugrenzen.
Solidarität ist die Intelligenz der Mutigen und Andersdenkenden!
Damit unsere Kinder eine Zukunft in einem gerechten, solidarischen und friedlichen Deutschland und Europa haben.
ein Kommentar von Hans-Jürgen Philipps
und Hans-Udo Sattler
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Gefeuert, obdachlos und ohne Unterstützung. Ein Schicksal im US-Amerika von heute. Ist das die Zukunft für Europa? - Demonstration am 1. Juni* – Info siehe unten
*Wichtiger Hinweis: